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VIP-Service? Nein, das, was eigentlich Standard sein sollte, wurde hier flugs zur großen Innovation erklärt.
© AFP

Neuer Premiumdienst in Berlin: Hallo, Taxi! Geht’s noch?

Saubere Sitze, professionelles Personal: Der hiesige Verband der Droschkenkutscher ist sich nicht zu blöd, normalen Service nun als Premiumdienst anzubieten. Stattdessen sollte er endlich die schwarzen Schafe rauswerfen.

Wohin?, fragt der Fahrer mit angewidertem Blick nach hinten, als habe man gerade ein unsittliches Angebot gemacht. Dabei will man einfach nur zur Hedwigs-Kathedrale. Nie gehört. Welcher Bezirk?, fragt der Taxifahrer. Nein, ich bin es leid, schlecht gelaunte, stumpfe Muffeligkeit zu ertragen, und wieder einmal dem Fahrer zu erklären, an welcher Ecke er abzubiegen hat, um ans Ziel zu kommen. Dafür soll ich zahlen, dass ich seine Arbeit mache? Und er mault dann noch, weil ihm doch Trinkgeld zustehe!

Auf dem Rücksitz hockend das Taxi durch die Stadt zu lotsen, mit einem Straßenplan, den der Fahrer mit großartiger Selbstverständlichkeit nach hinten warf: Das habe ich vor vielen Jahren in Los Angeles noch mit perplexem Staunen mitgemacht – und der festen Gewissheit, dass es so viel Ahnungslosigkeit über die eigene Stadt bei Berliner Taxifahrern nie, nie geben werde. Schwer verschätzt. Es betrifft heute unter den 18 000 Fahrern nicht nur jene, denen neben den Straßen- auch die Sprachkenntnisse fehlen, sondern auch jene Traditions-West-Berliner, die einem stolz verkünden, dass sie grundsätzlich den Osten meiden, um dann auch im Westteil der Stadt abenteuerliche Umwege zu fahren.

Und nun präsentiert das Droschkengewerbe stolz der Öffentlichkeit das sogenannte Premium-Taxi, für das man sich als Nutzer registrieren lassen muss, ansonsten aber zum gleichen Preis fährt. Das Angebot sollen vor allem Hotels nutzen, um ihre Gäste abholen und durch die Stadt fahren zu lassen. Dafür darf man erwarten, dass die Taxis außen und innen sauber sind. Die Fahrer sollen adrett und höflich sein und ihre Fahrgäste auf direktem Wege zum Ziel fahren. Und sie sollen jene nicht durch die voll aufgedrehten Hits der 50er, 60er und so weiter nerven, die Kunden durch willkürlich heruntergefahrene Fenster einer Lungenentzündung nahebringen, nicht unaufgefordert den Innenraum vollquarzen mit ihren Zigaretten und auch nicht lauthals mit fremden Personen telefonieren, deren Lebensgeschichte dem Fahrgast auf der Rückbank herzlich egal ist. Und außerdem soll man sogar mit Kreditkarte zahlen dürfen, was in zivilisierten Metropolen der Welt ziemlich selbstverständlich ist.

Innovation? Kundenveralberung!

VIP-Service? Nein, das, was eigentlich Standard sein sollte, wurde hier flugs zur großen Innovation erklärt.
VIP-Service? Nein, das, was eigentlich Standard sein sollte, wurde hier flugs zur großen Innovation erklärt.
© AFP

Also kurz gesagt: Die Premium-Fahrten sollen so sein, wie man das als Kunde eigentlich immer erwarten können muss, wenn ein Fahrer seine Aufgabe ernst nimmt und nicht nur eine Gelegenheit sucht, seine neurotischen Defekte an seinen Gäste auszuleben, statt zum Therapeuten zu gehen. Ein eigentlich für Dienstleister geradezu selbstverständlicher Umgang mit ihren Kunden ist in Berlin offenbar so etwas Ungewöhnliches, ja geradezu Exotisches, dass man es mit großem Bohei auch noch der Öffentlichkeit vorstellt, als große Errungenschaft. Dass die Fahrer da für Selbstverständlichkeiten auch noch eine Schulung absolvieren müssen, spricht Bände. Und auch, dass daran gerade mal 80 Chauffeure teilgenommen haben. 80 von 18 000!

Wer so etwas als Innovation vorstellt, hat vom modernen Dienstleistungsgewerbe nichts verstanden oder hält alternativ seine Kunden für sehr blöd. Dass die Hotels so etwas mitmachen, ist noch am ehesten zu verstehen. Sie bangen um das Wohl ihrer Gäste und wollen sich nicht für die normalen Taxifahrer schämen müssen. Die Berliner aber, die ein Taxi benötigen, werden weiter jenen ebenso respekt- wie ortskenntnislosen Wegelagerern überlassen. Das kann nicht sein. Auch wer jammert, Taxifahrer hätten es schwer und nur einen kargen Stundenlohn, hat kein Recht, Frust und schlechte Erziehung an seinen Kunden auszulassen. Und Trinkgeld kann nur erwarten, wer freundlich ist und zeigt, dass er vom Ortskenntnistest für den Personenbeförderungsschein nicht nur gehört, sondern diesen auch bestanden hat.

Die Taxi-Innung muss endlich anfangen, die schwarzen Schafe rauszuschmeißen, anstatt überflüssige Premiumdienste anzubieten. Ansonsten nämlich ist Carsharing eine prima Alternative: Wagen sauber, niemand quatscht einen voll, man kann die eigene Musik wählen – und bezahlt nur ein Drittel von dem, was die gleiche Strecke mit dem Taxi kostet.

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