Justiz in Berlin kapituliert vor Gesetzen: Häftlinge dürfen kein Spielzeug mehr herstellen
Von Häftlingen produziertes Spielzeug war viele Jahre der Verkaufsschlager. Doch jetzt wurde die Produktion im Tegeler Gefängnis gestoppt. Laut Justiz liegt das an den immer schärfer werdenden Vorschriften zur Produktsicherheit.
Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) will am Montag die Berliner mit Pfannkuchen für die Olympischen Spiele begeistern. Gebacken wurden die im Knast, nämlich in der Bäckerei der JVA Tegel. Brötchen, Brot und Pfannkuchen backen dürfen die 800 Tegeler Gefangenen, um Geld zu verdienen – noch, könnte man sagen. Die Herstellung von Spielzeug hingegen musste gestoppt werden, weil es immer mehr Aufwand bedeutet, allen Vorschriften zur Produktsicherheit zu entsprechen. Dies bestätigte die Justiz dem Tagesspiegel. Von Gefangenen produziertes Spielzeug war viele Jahre Verkaufsrenner des Knast-Ladens in Tegel.
„Schweren Herzens“ habe man sich vom Spielzeug getrennt, sagt Lars Hoffmann, der Leiter des „Arbeitswesens“ in Tegel. Auf der Internetseite der Justiz wird immer noch mit einem älteren Tagesspiegel-Artikel „Kaufmannsladen im Knast“ geworben. Oft wurde die handwerkliche Qualität und die liebevolle Verarbeitung gelobt, zur Puppenwiege aus Holz gab es zum Beispiel handgenähte Kissen. Doch das war einmal. Die Anforderungen an Spielzeug seien immens hoch, sagt Hoffmann, vor allem was Farben, Lacke, Kennzeichnungen und Verpackung betrifft. Eigentlich wollte die JVA Tegel den Bereich noch ausbauen, es sei sogar ein Mitarbeiter zu einer Fortbildung geschickt worden. Letztlich würde es aber zu teuer, alle Bestimmungen einzuhalten, sagt Hoffmann.
Geld verdient die Justiz nicht mit den Tegeler Produkten, im Gegenteil: 2014 beliefen sich zwar die Einnahmen auf knapp 3 Millionen Euro. 2,4 Millionen davon wurden mit anderen Behörden verrechnet. Auch Thomas Heilmann erhält für die 300 bestellten Olympia-Pfannkuchen eine Rechnung (Stückpreis: 60 Cent). Wirklich eingenommen wurden im vergangenen Jahr etwa 600 000 Euro mit den in der JVA Tegel hergestellten Waren und Dienstleistungen. Ausgegeben wurde allerdings mehr, nämlich 3,8 Millionen Euro. Zwei Millionen betrug der Lohn der Gefangenen. Der ist bekanntlich sehr niedrig. Je nach Qualifikation erhalten sie 9,19 bis 15,31 Euro – pro Tag. Der gerade eingeführte Mindestlohn gilt in Gefängnissen ausdrücklich nicht, auch wenn die frisch gegründete „Gefangenengewerkschaft“ dafür kämpft. Zudem zahlte die JVA Tegel 586 000 Euro Arbeitslosenversicherung und kaufte für 1,2 Millionen Euro Rohstoffe.
Mit Knast-Arbeit wird kein Geld verdient
„Die Arbeit von Gefangenen ist nicht gewinnorientiert“, sagt Lars Hoffmann, die Bilanz der Betriebe ist in der Regel defizitär. Ziel sei die Qualifizierung und Ausbildung der Gefangenen, um ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt nach der Entlassung zu erhöhen. Gefangene sind gesetzlich zur Arbeit verpflichtet, müssen „in der Regel aber erst wieder an einen strukturierten Arbeitsprozess herangeführt werden“, sagt Hoffmann. Deutlicher formuliert: Fast kein Häftling hat eine abgeschlossene Berufsausbildung, manche arbeiten in Tegel zum allerersten Mal. 75 Prozent der 800 Gefangenen arbeiten. Der Rest ist zu alt, zu krank oder darf aus Sicherheitsgründen nicht arbeiten.
Verkauft werden die Produkte in einem Laden vor dem Gefängnis. Der Shop wurde 2002 eröffnet, zweimal im Jahr gibt es einen Basar, der nächste ist am 28. März. Von der Idee eines Onlineshops, wie es sie in vielen deutschen Gefängnissen gibt, um den Verkauf anzukurbeln, hat sich Tegel dem Vernehmen nach auch verabschiedet. Der Abschied vom Spielzeug brachte übrigens keine finanziellen Einbußen: Beim letzten Basar habe es Rekordeinnahmen gegeben, auch ohne Puppenhaus und Kaufmannsladen. Nun werden Vogelhäuser getischlert.
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