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In Zugzwang. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller.
© imago/photothek

Berliner Flächenknappheit: Wirtschaftsverbände warnen Müller vor Enteignungskampagne

In einem offenen Brief haben sich IHK und VBKI an Michael Müller gewandt. Berlins Regierender reagiert verschnupft, Wirtschaftssenatorin Pop schweigt.

Während die Berliner Außentemperaturen sich denen der Sahara annähern, ist die Stimmung zwischen Politik und Unternehmern der Stadt frostig wie im Tiefkühlfach. Grund für das schlechte Klima ist, mal wieder, die Unterstützung von Teilen der rot-rot-grünen Koalition für das Volksbegehren für die Enteignung großer Immobilienkonzerne in der Hauptstadt.

Die Industrie- und Handelskammer (IHK) hat zu diesem Thema 4500 Mitglieder befragt und die Antworten fallen deutlich aus: Rund 81 Prozent der Unternehmer halten Enteignungen nicht für ein geeignetes Mittel, um die Wohnungskrise zu lösen (siehe Grafik). 79 Prozent der Unternehmen fürchten zudem, dass die Enteignungsdebatte dem Standort schaden und das Investitionsklima in der Stadt verschlechtern wird. „Es ist ein Alarmsignal, wenn vier von fünf Unternehmern starke negative Auswirkungen auf das Investitionsklima befürchten“, sagte Beatrice Kramm dem Tagesspiegel, „Denn das heißt: Berlin wäre nicht attraktiv als Firmenstandort. Das können wir uns gerade in Zeiten einer sich eintrübenden Konjunktur definitiv nicht leisten. Bei aller positiven Entwicklung der letzten Jahre hat die Stadt noch immer sehr viel aufzuholen.“

Eine Herausforderung für alle

Angesichts dieser Zahlen hat sich die IHK gemeinsam mit dem Verein Berliner Kaufleute und Industrieller (VBKI) in einem gemeinsamen Brief an den Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) und seine mitregierenden Senatoren gewandt und die Landesregierung dazu aufgefordert, sich von den Forderungen des Volksbegehrens zu distanzieren.

Dabei sehen die Wirtschaftsverbände durchaus Handlungsbedarf angesichts der Wohnungsnot. „Der angespannte Mietmarkt und die daraus resultierende Wohnungsknappheit ist für alle Bevölkerungsschichten eine Herausforderung – auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unserer Unternehmen, für potenzielle Fachkräfte, um die wir mit Konkurrenten an anderen Standorten werben“, heißt es in dem Brief. „Es sind unsere Mitarbeiter, die keine erschwingliche Wohnung finden, weil zwischen geförderter Wohnung und Luxuspenthouse für die breite Mittelschicht immer weniger angeboten wird.“ Die Gedankenspiele über eine Verstaatlichung von Privateigentum seien aber nicht hilfreich: „Dies rechtfertigt nicht den Einsatz eines Mittels, das nicht nur ungeeignet zur Problemlösung ist, sondern dem Wirtschaftsstandort Berlin insgesamt schadet.“

Denn mit der Debatte verliere die Hauptstadt an Attraktivität für Investoren, warnen IHK und VBKI in ihrem Brief an Michael Müller. „Diese Erfahrung machen wir bereits heute in Gesprächen mit Vertretern von Unternehmen in- und außerhalb Berlins. Diese Entwicklung kann und darf niemand ignorieren, der politische Verantwortung in Berlin übernimmt.“

Pop hüllt sich in Schweigen

Und der Senat? Der reagierte am Donnerstag verschnupft auf das Schreiben. Die Gesprächsbereitschaft des Regierenden Bürgermeisters gegenüber allen gesellschaftlichen Gruppen stehe wohl nicht in Zweifel, kommentierte Claudia Sünder, Sprecherin des Senats. „Ob im direkten Gespräch oder über die Bürgerberatung, auch für die IHK wie andere Verbände, Organisationen oder Unternehmen ist der Regierende Bürgermeister ein Ansprechpartner und an ihn gerichtete Anfragen werden natürlich beantwortet.“

Allerdings: „Im Mittel des sogenannten ’offenen Briefes’ sehe ich kein echtes Dialogangebot und der inzwischen gängige Brauch, ’offene Briefe’ zuerst zu veröffentlichen und dann dem Adressaten zuzustellen, ist für eine gemeinsame Verständigung suboptimal“, sagte Sünder. Immerhin: Der Brief sei inzwischen in der Senatskanzlei eingetroffen und werde bearbeitet, schrieb Sünder. Auch werde es „selbstverständlich“ eine Antwort von Müller geben, „aber seine Antwort richtet sich an den Absender direkt und wird nicht öffentlich sein.“ Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) zog es am Donnerstag vor, zu schweigen. Offene Briefe kommentiere man grundsätzlich nicht, hieß es aus der Wirtschaftsverwaltung. Man wolle aber weiterhin daran arbeiten, dass Berlin ein attraktiver Standort bleibe. Dafür stehe man im engen Kontakt mit den Unternehmen der Stadt, hieß es auf Anfrage.

Doch nicht nur die Enteignungs-Überlegungen bereiten der Wirtschaft Sorgen, auch Überlegungen der Koalition, Mieterhöhungen per Moratorium zu verhindern, stoßen auf Ablehnung. „Die Überlegungen zur Einführung eines Mietenstopps aus dem Haus der Senatorin Lompscher stehen rechtlich auf wackeligen Füßen, binden Verwaltungskapazitäten, die an anderer Stelle besser investiert wären, und würden am Ende die Falschen treffen“, sagt IHK-Präsidentin Kramm. So liege dem Bundestag bereits ein eigenes Gutachten vor, das zu dem eindeutigen Ergebnis komme, dass es für die Länder keine Möglichkeiten einer eigenen gesetzlichen Regelung gebe. „Es bleiben also starke Zweifel wie ein Mietenstopp überhaupt rechtswirksam umgesetzt werden sollte“, glaubt Kramm.

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