Berliner Schulen: Gymnasien bleiben im Prüfungsstress
Bildungssenatorin Scheeres senkt zwar die Pflichtzahl bei den regulären Klausuren, beharrt aber auf dem Mittleren Schulabschluss für alle. Eltern und Gymnasien reagieren enttäuscht.
Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) will den Mittleren Schulabschluss an den Gymnasien beibehalten. Mit dieser Mitteilung überraschte sie am Mittwoch auf einem bildungspolitischen Forum der Friedrich-Ebert-Stiftung. Die Schüler würden auf diese Weise in „echten Prüfungssituationen geschult“, sagte Scheeres zur Begründung, wofür sie vom Landesschülerausschuss Beifall erntete. Eltern und Gymnasien reagierten dagegen enttäuscht und forderten ein Umdenken: Da nahezu alle Gymnasiasten die Prüfung bestehen, halten sie den damit verbundenen Aufwand für sinnlos.
Scheeres griff diese Argumentation auf und erinnerte daran, dass immerhin elf Prozent der Gymnasiasten dieses Jahr bei der Mathematikprüfung im Mittleren Schulabschluss (MSA) nicht einmal ein Ausreichend geschafft hätten. Hingegen verwies Ralf Treptow vom Verband der Oberstudiendirektoren darauf, dass der MSA in den vergangenen Jahren im Schnitt von 96 Prozent der Gymnasiasten bestanden worden sei, weil die meisten Gymnasiasten den Ausfall in Mathematik ausgleichen konnten. Deshalb mache es keinen Sinn, die Gymnasien mit diesen aufwendigen Klausuren zu belasten. Die Gymnasien fordern, lediglich die Präsentationsprüfung beizubehalten.
Seit der Einführung des MSA wird diese Diskussion geführt. Befeuert wird sie durch den massiven Unterrichtsausfall im Frühjahr, wenn gleichzeitig mit dem MSA auch das Abitur ansteht. Zudem klagen die Gymnasien, dass sie kostbare Zeit verlieren, indem sie den MSA-Stoff wiederholen müssen, anstatt den Stoff der Oberstufe vorbereiten zu können.
Scheeres kommt den Gymnasien insofern entgegen, als sie ihnen eine der bisher vier Klausuren im regulären Deutsch-, Mathematik- und Fremdsprachenunterricht der zehnten Klasse erlässt. Zudem dürfen die Schulen die Präsentationsprüfung vorziehen, um die Belastung im Frühjahr zu verringern. Dies wird von den Schulen begrüßt.
Gymnasien dürfen jetzt auch Gymnasien heißen
Dem Landeselternsprecher Günter Peiritsch geht dieses Entgegenkommen aber nicht weit genug. Angesichts der starken Belastung der Gymnasiasten durch das „Turboabitur“ hält er mit dem Landeselternausschuss daran fest, dass die schriftlichen MSA-Prüfungen entfallen müssen. Die Schüler, die die Gymnasien nach Klasse 10 verlassen wollen, könnten die drei MSA-Klausuren an einer benachbarten Sekundarschule schreiben, schlägt er vor. Der Verband der Oberstudiendirektoren hält es für sinnvoll, dass lediglich schwache Gymnasiasten an der MSA-Prüfung teilnehmen. Der Vorsitzende Treptow verweist auf die anderen Bundesländer: Nirgendwo müssten die Gymnasiasten die gleichen Prüfungen wie die Sekundarschüler ablegen. Aufgrund der unterschiedlichen Leistungsniveaus der Schüler mache das auch keinen Sinn.
Scheeres äußerte sich in der Ebert-Stiftung auch zur generellen „Rollenverteilung“ zwischen den beiden Berliner Schulformen. Die Sekundarschulen sollen nach ihren Worten „jedem“ eine Bildungslaufbahn bieten, die Gymnasien „so viel Schülern wie möglich“. Die Gymnasien deuten diese Formulierung aber als weiteren Hinweis darauf, dass die Bildungsverwaltung auf eine Nivellierung zwischen beiden Schulformen hinarbeitet. In einem anderen Punkt kam Scheeres den Gymnasien entgegen: Sie gestattet es jetzt allen Gymnasien, sich als solche auch offiziell zu bezeichnen. Über diesen Punkt hatte es einen jahrelangen bizarren Streit gegeben. Zuletzt galt die Regelung, dass sich alle Gymnasien „Schule“ nennen mussten und die Bezeichnung „Gymnasien“ nur in Klammern führen durften. Zudem kündigte Scheeres an, dass das Lessing- und Leibniz-Gymnasium zum Februar in Ganztagsschulen umgewandelt werden. In Bezug auf die Rückläuferproblematik sagte Scheeres, ihre Zahl müsse reduziert werden, indem die Beratung der Eltern besser werde und früher stattfinde. Konkreter wurde sie nicht.