Schutz vor der Sonne: Gute Strahlung, böse Strahlung
Erderwärmung, ausbleibender Regen, scheinbar endlose Hitzewellen – Sonnenschutz ist in diesen Wochen wichtiger denn je. Was zieht man an? Wieviel Creme soll auf die Haut? Und was ist eigentlich mit den Augen? Ein Ratgeber für den Restsommer.
Am Ende zählt das große Ganze: Entscheidend für die Entwicklung von Hautkrebs ist, wie viel ultraviolette Strahlung man im Laufe seines Lebens abbekommen hat, und wie viele Sonnenbrände die Haut zu verkraften hatte. An weißem Hautkrebs – dem Basalzellkarzinom oder Plattenepithelkarzinom – erkranken meist Menschen ab 60 Jahren, die jahrzehntelang viel in der Sonne waren. Als Ursache für schwarzen Hautkrebs – das maligne Melanom – sehen Wissenschaftler kurzzeitige, heftige UV-Belastungen an: einen Sonnenbrand. Das Risiko steigt mit der Zahl der Sonnenbrände, schwarzer Hautkrebs tritt bereits bei 30- bis 40-Jährigen auf. Falsch ist es, von gutartigem und bösartigem Hautkrebs zu sprechen: Auch wenn der weiße Hautkrebs meist nicht lebensbedrohlich ist, greift er gesundes Gewebe, Knochen und Knorpel an.
Seit Jahrzehnten steigt die Zahl der Hautkrebserkrankungen weltweit und auch in Deutschland an. Hierzulande erkranken Schätzungen zufolge jährlich rund 200 000 Menschen an weißem Hautkrebs, bei knapp 20 000 wird ein malignes Melanom diagnostiziert. Der medizinische Fortschritt, der eine frühere Erkennung bösartiger Hautveränderungen möglich macht, und die alternde Bevölkerung spielen dabei eine Rolle. Und: ein schlampiger Sonnenschutz.
Die Strahlung
Die von der Sonne ausgesandte Strahlung enthält ultraviolette Anteile, sichtbares Licht und Infrarotstrahlung. Besonders schädlich für die Haut sind drei Formen der ultravioletten Strahlung, kurz UV-A, UV-B und UV-C. Letztgenannte ist besonders aggressiv, wird aber von der Ozonschicht herausgefiltert. Auch ein Großteil der UV-B-Strahlung wird je nach Zustand der Ozonschicht gestoppt, bevor sie bei uns ankommt – bis zu zehn Prozent schaffen es allerdings doch. Die UV-B-Strahlen dringen nur bis in die Oberhaut ein. Sie sind einerseits wichtig für die Produktion von Vitamin D und den Aufbau von Pigmenten, andererseits sind sie die Hauptverursacher von Sonnenbrand und können krebsauslösend sein.
UV-A-Strahlen, mit denen auch Solarien betrieben werden, gelangen bis in die Lederhaut. Bis vor wenigen Jahren noch galten sie als ungefährlich. Inzwischen weiß die Forschung, dass UV-A-Strahlung ebenfalls für Sonnenbrände und Allergien sorgt, sie treibt zudem die Hautalterung massiv voran: Wir kriegen Falten. Auch geben einige Studien Hinweise darauf, dass sie an der Entstehung des schwarzen Hautkrebses beteiligt ist. Beim Kauf einer Sonnencreme also darauf achten, dass sie sowohl vor UV-B- als auch vor UV-A-Strahlen schützt.
Der natürliche Schutz
Die Sonne existiert schon etwas länger als die Kosmetikindustrie. Unsere Haut musste sich also etwas einfallen lassen, um sich vor den schädlichen Strahlen zu schützen. Die sehr effektive Option Fell hat der Mensch im Laufe der Evolution aufgegeben, vom Kopfhaar mal abgesehen. So versucht die Haut zum Beispiel, sich über den Schweiß zu schützen: Er enthält die UV-Strahlen absorbierende Urocaninsäure. Der zweite Abwehrmechanismus der Haut ist die Bräunung. „Sie reagiert damit auf einen bereits entstandenen Schaden, den die UV-Strahlen verursacht haben“, erklärt Norbert J. Neumann, stellvertretender Direktor der Klinik für Dermatologie am Universitätsklinikum Düsseldorf. „Wer braun wird, der weiß also, dass er bereits zu viel Strahlung abbekommen hat und seine Haut nun nach Kräften versucht, noch mehr Schäden zu verhindern.“ Gebräunte Haut hat einen Lichtschutzfaktor von 3 bis 5.
Sind wir regelmäßig länger in der Sonne, reagiert unsere Haut, indem sie eine sogenannte Lichtschwiele bildet: Sie verdickt die oberste Hornschicht, damit die UV-B-Strahlen nicht so tief eindringen können. „Die Haut tut, was sie kann“, sagt Neumann. Zudem gibt es körpereigene Reparaturmechanismen, die ab und an entstehende Schäden in Form mutierter Zellen gut in den Griff kriegen. Doch der Eigenschutz der Haut ist bereits mit einem ausgiebigen Sonnenbad schnell überfordert, bei Kindern ist er deutlich geringer als bei Erwachsenen. Deshalb sollten Kinder unter zwei Jahren nicht in die Sonne.
Die Prävention
Die Faustregel zur Hautkrebsprävention lautet: Sonnenschutz. Dafür gibt es ein paar einfache Regeln. So gelangen rund 80 Prozent der UV-Strahlen eines Tages zwischen 11 und 15 Uhr zur Erde. Wer in dieser Zeit nicht oder nur kurz raus geht, tut seiner Haut bereits viel Gutes. Schatten ist generell besser als pralle Sonne, doch nicht frei von Strahlung. Diese wird von der Umgebung reflektiert und erreicht so auch im Schatten versteckte Haut. Kleidung ist ein prima Sonnenschutz, es gilt: Je dunkler und dichter gewebt, umso besser. Ein weißes T-Shirt aus Baumwolle lässt etwa 40 Prozent der UV-Strahlung durch, eins aus schwarzem Stoff hingegen nur drei Prozent. Wird es nass oder gedehnt, sinkt der Schutz. Das Gütesiegel „UV-Standard 801“ weist spezielle Kleidung mit Lichtschutz aus, die hat allerdings auch ihren Preis. Eine vergleichsweise preisgünstige und effektive Strahlenschutzmethode ist die Sonnencreme.
Chemie oder Physik?
Sonnenschutzmittel teilen sich in zwei Gruppen: physikalische – auch mineralische genannt – und chemische. Die physikalischen UV-Filter sind besser verträglich und wirken mechanisch, indem sie das auf der Haut auftreffende Sonnenlicht reflektieren. Das funktioniert, weil die Filter, die aus Metalloxiden wie Titandioxid und Zinkoxid bestehen, eine weiße Schicht ergeben. Eine physikalische Sonnencreme ist sofort einsatzbereit, während eine mit chemischem UV-Filter etwa 20 bis 30 Minuten Vorlaufzeit braucht, um in die Haut einzuziehen. Dort wirken die UV-Filter auf molekularer Ebene und wandeln die ankommende UV-Strahlung in Wärme um.
Die Inhaltsstoffe
Beide Arten von Sonnencreme enthalten Stoffe, die umstritten sind. So werden in den physikalischen Cremes die Filter inzwischen auf Nanopartikelgröße reduziert – sie weißeln dann nicht mehr ganz so stark. Bisher weiß niemand so genau, ob Nanopartikel über die Haut eindringen oder nicht, die Studienlage dazu ist nicht eindeutig. Sollten sie das tun, können sie sich überall im Körper ablagern - mit unbekannten Folgen. Nanopartikel müssen bei den Inhaltsstoffen der Sonnencreme angegeben werden. Da bekannt ist, dass Nanopartikel über die Atemwege aufgenommen werden können, rät das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) prophylaktisch davon ab, derlei Sonnencremes in Sprayform zu verwenden. Forscher testen derzeit Substanzen, die die Strahlung reflektieren und wenig weißeln, obwohl sie größer als Nanopartikel sind.
Chemische Sonnencremes verwenden immer eine Kombination aus mehreren Filtern. Darunter stehen einige im Verdacht, durch – und nicht nur in – die Haut zu dringen, hormonell wirksam, allergie- oder krebsauslösend zu sein. Dazu gehören zum Beispiel Benzophenon, Homosalat, Methylbenzylidencampher, Ethylhexylmethoxycinnamat (EHMC), Octocrylen und Octyldimethylaminobenzoat. Ähnliche Wirkungen werden auch einigen Konservierungsstoffen zugeschrieben, darunter Parabene. Propylparaben und Butylparaben dürfen daher seit April 2015 nicht mehr in Kinderkosmetika enthalten sein. „Der Schaden, der durch eventuell in der Sonnencreme vorhandene Substanzen entstehen kann, ist allerdings viel geringer als die Auswirkungen des UV- Lichts“, sagt Cord Sunderkötter, Direktor der Universitätsklinik und Poliklinik für Dermatologie und Venerologie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.
Das Eincremen
Der mühseligste Teil beim Sonnenschutz ist das Eincremen. Das wird Experten zufolge von den allermeisten viel zu nachlässig betrieben. Es gilt: Klotzen statt kleckern! Und zwar richtig. Zwei Milligramm Sonnencreme gehören auf jeden Quadratzentimeter Haut. „Ich hab das für einen erwachsenen Mann wie mich mal ausgerechnet“, sagt Sunderkötter, „das sind pro Eincremen 40 Gramm, ich brauche also je nach Packungsgröße eine Viertel bis halbe Flasche.“ Wer weniger cremt, ist auch weniger geschützt, und zwar um den Faktor drei bis vier. Wasserfeste Sonnencreme bietet nach 40 Minuten im Wasser nur noch 50 Prozent des ursprünglichen Schutzes, Nachcremen tut also Not. Der Lichtschutzfaktor, kurz LSF, einer Sonnencreme gibt an, um wie viel länger man mit Sonnencreme in der Sonne bleiben darf als ohne. Dafür wird der LSF mit der individuellen Eigenschutzzeit multipliziert. LSF 50 wirkt länger als LSF 30, aber nicht stärker. Da die Wirksamkeit des LSF exponentiell und nicht linear ansteigt, schützen LSF 100 oder 200 nicht relevant mehr als LSF 50.
Die Haltbarkeit
Theoretisch hält Sonnencreme mehr als einen Sommer lang, praktisch macht ihr vor allem Hitze zu schaffen: Ein Aufenthalt am Strand oder im heißen Auto kann die Formel aus dem Gleichgewicht bringen und die Wirksamkeit beeinträchtigen. Verändern sich Geruch, Farbe oder Konsistenz der Creme, setzt sich Wasser oder Öl ab, gehört sie in den Müll. Eine angebrochene Flasche bringt man am besten im Kühlschrank über den Winter.
Was ist mit den Augen?
Auch die Augen müssen vor Sonnenlicht geschützt werden. „Ein akuter Schaden an der Netzhaut kann entstehen, wenn man direkt in die Sonne blickt“, sagt Andreas Stahl, Geschäftsführender Oberarzt an der Klinik für Augenheilkunde des Universitätsklinikums Freiburg. Langfristig kann die UV-Strahlung, die das Auge mit dem Sonnenlicht aufnimmt, zu Grauem Star, altersbedingter Makuladegeneration oder Tumoren am Lidrand führen. „Die Lidhaut sollte unbedingt mit eingecremt werden, gerade im Bereich der Unterlider, das sind die Sonnenterrassen in unserem Gesicht“, sagt Stahl. An besonders grellen Tagen im Hochgebirge oder am Strand kann das Auge Sonnenbrand bekommen. Es handelt sich dabei um winzige Aufbrüche im Hornhautepithel. Das tut höllisch weh, die Betroffenen sind kurzzeitig blind. Nach einem Tag ist der Sonnenbrand meist verheilt. Der beste Schutz für Augen sind breitkrempige Hüte, Basecaps und vor allem eine Sonnenbrille. „Die Gläser sollten vor UV-A- und UV-B-Strahlung bis zur Wellenlänge von 400 Nanometer schützen", sagt Sven Heinrich, Physiker an der Klinik für Augenheilkunde des Universitätsklinikums Freiburg. Er empfiehlt Brillen mit breiten Bügeln und großen Gläsern, um möglichst viel Streulicht an den Seiten fernzuhalten: „Aus Augenschutzaspekten sind Fahrradbrillen ideal.“
Produktion von Vitamin D
Die UV-B-Strahlen des Sonnenlichts stoßen im menschlichen Körper die Produktion von Vitamin D an. Das ist wichtig für den Knochenbau, ein ausreichend hoher Spiegel dieses Prohormons im Blut soll unter anderem Herz-Kreislauf-Krankheiten und einigen Krebsarten vorbeugen können. Da Vitamin D nicht in ausreichender Menge über die Nahrung aufgenommen werden kann, müssen wir also regelmäßig in die Sonne. Das steigert das Risiko für Hautkrebs. Um uns davor zu schützen, sollen wir uns mit Sonnencreme einreiben, die wiederum die für den Krebs mitverantwortlichen UV-B-Strahlen blockiert. Studien haben gezeigt, dass physikalische und chemische Sonnencremes die Produktion von Vitamin D im Körper deutlich verringern. Wie aber lässt sich sowohl ein Vitamin-D- Mangel vermeiden als auch das Hautkrebsrisiko gering halten? Viele Experten empfehlen, dreimal wöchentlich Gesicht und Arme der Sonne ohne Creme auszusetzen – je nach Hauttyp und Jahreszeit für fünf bis 20 Minuten. Die Stiftung Warentest rät: „Gehen Sie so oft wie möglich nach draußen. Doch beobachten Sie dabei die Sonne: Scheint sie stark und intensiv? Dann sollten Sie auf keinen Fall wegen der Vitamin-D-Produktion auf Sonnenschutzmittel verzichten.“
Claudia Füssler