„Ist mir als Frau zu gefährlich“: Grünen-Politikerin Herrmann löst Debatte über Park-Sicherheit aus
Der Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg sind Parks im Dunkeln zu gefährlich. Welche Verantwortung trägt sie für die Lage im Görlitzer Park?
Vor Kurzem verteidigte Monika Herrmann noch die Drogendealer im Görlitzer Park. Sie wolle keine Gruppe aus dem Park ausschließen, das sei Diskriminierung, sagte sie dem RBB. Nun kommt heraus: Die Grünen-Politikerin und Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg ist selbst eine Park-Vertriebene. „Ich gehe in Berlin durch gar keine Parks“, sagte sie der „Welt“. Ihre verblüffende Erklärung: „Ich weiß ja nicht, wie Sie das handhaben, aber das ist mir als Frau zu gefährlich.“
Damit hat Herrmann die anhaltende Debatte um die Sicherheit etwa im Görlitzer Park befeuert – und zugleich Rücktrittsforderungen provoziert. Denn sie gab zu, dass die Zustände etwa im Görlitzer Park „nicht haltbar“ seien, die Zahl der Gewalt- und Eigentumsdelikte hat dort drastisch zugenommen.
Doch die Verantwortung für die Lage wies Herrmann von sich. Es sei Aufgabe der Polizei, das zu ändern. Sie als Bezirksbürgermeisterin könne sich nur mit der Situation arrangieren, die sie vorfinde, und mit Baumaßnahmen und Parkmanagement reagieren.
Herrmann forderte eine „einheitliche, konsequente Drogenpolitik“ vom Senat und „deutlich mehr Polizeipräsenz“ im Park. Die Innenverwaltung sei da gefragt, die Initiative zu ergreifen. Noch vor einigen Wochen, als Innenstaatssekretär Torsten Akmann (SPD) laut über die nächtliche Schließung des Parks nachdachte, legte die Bezirksbürgermeisterin ausdrücklich Wert darauf, dass es sich „um eine Grünfläche handelt, die in der Zuständigkeit des Straßen- und Grünflächenamtes des Bezirks liegt“.
Die CDU findet: Das ist Herrmanns Bankrotterklärung
Der CDU-Fraktionschef im Abgeordnetenhaus, Burkard Dregger, konterte: „Wenn sich Frau Herrmann nachts nicht mehr durch Parks traut, muss sie sich fragen lassen, was sie in ihrem Bezirk falsch gemacht hat.“ Kurt Wansner, Wahlkreisabgeordneter aus Friedrichshain-Kreuzberg, nannte Herrmanns Aussagen „eine Bankrotterklärung“. Sie müsse sich fragen, „ob sie als Bürgermeisterin noch tragbar ist“.
Auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) meldete sich zu Wort: „Es tut uns leid für die Bürgerin Monika Herrmann, dass sich die Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann vor ihrer politischen Verantwortung drückt“, sagte GdP-Sprecher Benjamin Jendro. Selbstverständlich brauche Berlin einen stadtweiten Ansatz zur Drogenbekämpfung, es sei auch erfreulich, dass Polizeipräsenz in Friedrichshain-Kreuzberg von Herrmann gern gesehen werde.
Jendro erklärt aber auch: „Es ist aber schon skurril, wenn die politisch Verantwortliche seit nunmehr sechs Jahren polizeiliche Maßnahmen erschwert und kriminelle Handlungen bagatellisiert, sich gleichzeitig aber mehr Unterstützung durch die Sicherheitsbehörden wünscht.“
Polizeipräsidentin Slowik: "Ich bewege mich frei von Angst in der Stadt."
Polizeipräsidentin Barbara Slowik erklärte dem Tagesspiegel: „Ich bedauere, dass Frau Herrmann diese Ängste hat. Ich persönlich bewege mich frei davon in unserer Stadt – in ganz Berlin.“ Ihr sei dennoch das Sicherheitsgefühl aller Berliner und der Gäste sehr wichtig.
Zugleich verwies Slowik darauf, dass die Polizei an kriminalitätsbelasteten Orten wie dem Görlitzer Park Schwerpunkte setze. Die Herausforderungen seien jedoch weitreichender, es gehe um gesamtgesellschaftliche Probleme. Herrmanns „Fingerzeig auf uns als Polizei ist für mich nicht nachvollziehbar“.
Jörn Badendick, Sprecher des Polizeiberufsverbands „Unabhängige“ sagte: „Zwar teilen wir nicht ihre Positionen zum Görlitzer Park, können aber die Angst von Frauen vor Übergriffen im öffentlichen Raum vollends nachvollziehen.“ Herrmanns Aussagen seien mutig, ehrlich und verdienten Anerkennung. „Das ist uns lieber als eine Polizeipräsidentin, die die Problematik verneint.“
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Widerspruch erntete Herrmann von den Anwohnern. Denn sie hatte jüngst erklärt, es sei ein Anliegen der Anwohner und engagierten Nachbarschaft gewesen, die Dealer nicht aus dem Görlitzer Park zu verweisen – „keine Gruppe soll ausgeschlossen werden“. Lorenz Rollhäuser, Sprecher des Parkrats, sagte nun: „Es war nie die Rede davon, dass wir Dealer im Park ausdrücklich wollen. Wir wollen nicht, dass dunkelhäutige Menschen insgesamt ausgeschlossen werden, nur weil sie im Verdacht stehen, sie könnten Dealer sein.“
Im Handlungskonzept zum Park stehe klar, „dass wir nicht wollen, dass eine Gruppe den Park dominiert“. Ob Dealer diesen Park dominierten, sei eine Frage des persönlichen Empfindens. Die Dealerszene sei grundsätzlich ein Problem. Herrmann erklärte: „Dealen ist eine kriminelle Handlung.“
Auch die Wissenschaftlerin Heidi Kaspar vom Geographischen Institut der Universität Zürich warnte kürzlich in einer Studie davor, Verstöße und Kriminalität in Parks dauerhaft zu tolerieren. Wer dort alles laufen lasse, schließe damit automatisch bestimmte Nutzergruppen aus – wie zum Beispiel Frauen, die sich dann dort nicht mehr sicher fühlen.
SPD-Politiker fordert Krisengipfel zum Görlitzer Park
Der SPD-Innenpolitiker Tom Schreiber befand, Herrmanns Angst sei „kein Mann-Frau-Thema“, das „subjektive Unsicherheitsgefühl trifft alle“. Um das zu verbessern, sind im Görlitzer Park nun nachts Parkläufer auf Streife. In vielen anderen Metropolen werden Parks nachts verschlossen, um Drogendelikten und Kriminalität vorzubeugen. In Paris gibt es wenige Anlagen, die neuerdings offen bleiben, dort patrouilliert Sicherheitspersonal.
Unlängst machte sich die landeseigene Grün Berlin, die etwa das Tempelhofer Feld betreibt, für abschließbare Parks stark. Auch Neuköllns Gesundheitsstadtrat Falko Liecke (CDU) will die Hasenheide einzäunen.
Das lehnt Herrmann für den Görlitzer Park ab. „Dann haben sie 200 Männer, die jetzt nachts da drinstehen und Drogen verkaufen, im angrenzenden Wohngebiet. Was soll das bringen?“ Auch Grünen-Innenexperte Benedikt Lux warnte vor einem Verdrängungseffekt der Kriminalität von Parks in Bars oder Cafés mit Einzug der kälteren Jahreszeit.
Der SPD-Politiker Schreiber forderte deshalb einen Krisengipfel mit „allen Beteiligten, also Senat, Bezirk, Zivilgesellschaft genau wie Polizei und Justiz“. Unterstützung kommt von der FDP.
„Dass Frau Herrmann die Existenz von No-go-Areas in ihrem Bezirk einräumt, ist ein erster Schritt“, sagte FDP-Innenexperte Marcel Luthe. Gewohnheitskriminelle gehörten weder tags noch nachts in Parks, sondern in Haft. „Dann kann sich auch Frau Herrmann wieder ohne Angst frei bewegen.“