Ben Becker als Judas Ischariot: Große Bühne für einen Verräter
Wieder mal ein Bösewicht: Schauspieler Ben Becker gibt den Judas im Dom. Bei der Aufführung eines Textes von Walter Jens geht es um die wichtigen Themen der Menschheit.
Ben Becker sitzt auf der Kirchenbank und lässt den Blick über das Domgewölbe schweifen. „Was habe ich mir da aufgehalst?“, fragt der Schauspieler. Nicht weniger als den Judas, den er im November im Berliner Dom spielen wird. „Die Verteidigungsrede des Judas von Ischariot“ von Walter Jens wird Becker hier geben – ausgerechnet er, der leidenschaftliche Provokateur, ausgerechnet im größten Kirchengebäude der Stadt.
Im kleinen Studio in Charlottenburg hat sich der 50-jährige bereits durch die Judas-Rede gekämpft – der Herder-Verlag veröffentlichte die Aufnahmen im vergangenen August auf CD. Vor mehr als tausend Zuschauern wird es ein großer Moment für ihn sein, wenn er den Text erstmals im Berliner Dom und mit Begleitung durch die große Sauer-Orgel vorträgt. „Mörder-Angst“ habe er davor, sagt Becker. „Aber so muss das eben sein.“
"Wir haben eventuell etwas gemein"
Als vor einem Jahr die Anfrage des Verlags kam, ob er dem Judas die Stimme leihen wolle, kannte Becker die Rede noch nicht. Doch die Fragen, die der Sündenbock der christlichen Heilsgeschichte darin stellte, haben es ihm angetan. Hat sich das Christentum im Fall von Judas ein Fehlurteil erlaubt? Wäre Jesus ohne ihn je zum Messias geworden? Was, wenn Judas die göttliche Vorsehung nicht erfüllt hätte? Bad Boy Becker war begeistert.
Im Papierumschlag hat Ben Becker den Text der Judas-Rede unter dem Arm. Ein schmaler Stapel – mit großen Themen. Diese Bereitschaft, sich und die eigene Position infrage zu stellen, beeindruckt Becker: „Der Mann denkt nach. Er formuliert Fragen, auch wenn er keine Antworten darauf hat.“ Wie sähe die Menschheitsgeschichte heute aus, hätte es keinen Messias gegeben? Judas verzweifle an diesen Fragen. „Da haben wir eventuell etwas gemein“, sagt Becker und lacht.
Zur Vorbereitung wandte Becker sich auch an John von Düffel, Dramaturg am Deutschen Theater. Mit ihm inszeniert er jetzt auch die Rede im Dom, die er zu drei Terminen im November geben wird. „John von Düffel passt auf, dass ich mich nicht im Pathos verrenne“, sagt Becker.
Besonders gläubig ist er nicht
Er könne sich schon denken, dass es sonst wieder Kritik gebe – auch wenn er etwas Pathos durchaus angebracht fände. „Wir lesen ja hier nicht die Mickey Maus.“ Der Text von Walter Jens verdiene eine große Bühne, das habe er sich schon beim ersten Lesen gedacht.
Dann kam tatsächlich die Anfrage des Doms, ob er den Text nicht dort inszenieren wolle. „Da mag ich gar nicht mehr von Zufall reden“, sagt Becker. „Das ist Schicksal.“ Mit christlichen Themen kennt er sich ja inzwischen aus, auch wenn die Bibel-Lesungen einige Jahre her sind. „Ich habe seither nicht nur die Bibel studiert. Ich gucke auch fern und mache Blödsinn“, sagt Becker. Besonders gläubig im christlichen Sinne sei er jedenfalls auch nach der Auseinandersetzung mit der Bibel nicht geworden. Zumindest glaube er nicht, „dass da oben ein Opa sitzt, mit weißem Bart“.
Hang zu Bösewichten
Der Hang zu Bösewichten aber war schon immer da. Auch seiner 15-jährigen Tochter ist das inzwischen aufgefallen. „Die sagt immer zu mir: Papa, warum musst du immer den Bösen spielen?“ Becker sagt, eine mögliche Antwort wäre: „Ich kann nichts anderes.“ Er findet aber auch: Vom Bösen geht eine größere Faszination aus – mit Judas hat er damit gewissermaßen eine neue Dimension erreicht.
„Das Kasperle-Theater wäre ja auch langweilig ohne Krokodil.“ Würde man ihn jetzt fragen, ob er lieber den Mephisto oder Faust spielen würde, wäre die Antwort eindeutig Mephisto, sagt Becker. „Aber in 15 Jahren sage ich wahrscheinlich Faust.“ Ob Faust oder Mephisto – nur darunter geht es bei Ben Becker nicht.
„Ich, Judas – „Einer unter euch wird mich verraten!“, Aufführungen am 18., 19. und 22. November, um 20 Uhr, Karten zwischen 12 und 49 Euro unter Telefonnummer 20 26 91 36 und im Internet unter www.eventim.de und www.berlinerdom.de.
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