Nach dem Referendum: Griechen in Berlin zwischen Oxi und Nai
Die Krise hat viele Griechen nach Berlin getrieben. Nach dem Referendum sind einige erleichtert - andere befürchten, dass alles noch schlimmer wird.
Das Handy von Lias Chaarizanakis (44) klingelt am Montag fast pausenlos. Seit dem Referendum am Sonntag in seiner alten Heimat hat er ununterbrochen Kontakt zu seiner Verwandtschaft. Seine Stimme am Telefon klingt erregt, er macht sich Sorgen. Mit dem Ergebnis des Referendums sei das Schlimmste eingetroffen, sagt er und seufzt. Der Gastwirt, der seit vielen Jahren in Steglitz ein beliebtes griechisches Restaurant betreibt, sorgt sich vor allem um seine Familie und die Freunde aus dem Dorf, nördlich von Thessaloniki. Dort ist Landwirtschaft die Haupteinnahmequelle und von der ist mittlerweile nicht mehr viel übrig, die meisten Menschen sind arbeitslos. Deshalb muss er ran: „Ein Grieche hilft dem Anderen!“
Für Chaarizanakis ist das eine fast schon heilige Prämisse. So hat er in den vergangenen drei Jahren schon mehr als zehn Familienmitgliedern und Bekannten die Einreise nach Deutschland ermöglicht, sie bei sich im Restaurant eingestellt oder ihnen andere Jobs vermittelt.
Einfach ist das allerdings nicht, denn trotz exzellenter Ausbildung hapert es anfangs immer mit den Deutschkenntnissen, sagt der 44-Jährige, dessen Akzent selbst nur leicht die griechischen Wurzeln verrät. Denen, die daheim bleiben im griechischen Norden, versucht er finanziell zu helfen. Doch nun weiß der Wirt nicht mehr weiter. Trotz aller per Post geschickter Geldumschläge sieht es nicht so aus, als ob sich die Lage bessern würde. „Mehr und mehr Menschen aus meinem Dorf möchten nun schnellstmöglich nach Berlin, wie soll das denn enden?“ Der Familienvater ist auch um seine Eltern besorgt.
Die seien schon alt und gebrechlich, müssten sich aber trotzdem in der sengenden Hitze in der langen Schlange vor den Geldautomaten anstellen. Kämen sie dann nach rund zwei Stunden Warten an die Reihe, würden sie mit gerade mal 60 Euro belohnt. „Und jetzt noch das Ergebnis des Referendums,“ sagt Chaarizanakis verzweifelt „wir wollen doch eigentlich gar nicht raus aus dem Euro!“
Angst und Panik werden vor allem von den Medien verbreitet
Kiriakos Fotiadis, Vorsitzender der Hellenischen Gemeinde Berlin, wollte das Referendum sehr wohl: „Wir haben es lange herbeigesehnt. Für alle, die gegen die Reformauflagen gestimmt haben, ist das jetzt eine riesige Erleichterung“, sagt er. Angst, Panik, bimmelnde Telefone? „Nicht mehr als sonst. Bei den Griechen ist genug Intelligenz vorhanden, dass sie verstehen, dass die vorübergehende Bankenschließung eine Ausnahmesituation ist, die man abwarten muss. Angst und Panik werden vor allem von den Medien und den privaten Sendern verbreitet“, glaubt Fotiadis.
Da die Berliner Griechen im Exil nicht abstimmen durften, sind einige junge Gemeindemitglieder extra für das Wochenende in ihre Heimatorte gereist, um den künftigen Kurs der eigenen Regierung mitzubestimmen: „Junge Leute, die die Krise nach Deutschland getrieben hat, die jetzt Verantwortung für ihre Zukunft übernehmen wollen“, wie Fotiadis sagt.
Lias Chaarizanakis nimmt diese Verantwortung lieber selbst in die Hand. Sein Vertrauen in die Politik hat er längst verloren. Und wenn sein Telefon wieder bimmelt, wird er alles tun, um zu helfen. „Bei uns Griechen ist das einfach so.“