Der Regierende Bürgermeister und der Fall Schmitz: Grenzfall Wowereit
In der Debatte zum Fall Schmitz setzt sich die CDU von der SPD ab – und die kritisiert ihren Landeschef.
Leere Bänke im Block der CDU-Fraktion, so als wollten die Christdemokraten signalisieren, dass sie mit der Affäre um André Schmitz nichts zu tun haben. Während der Debatte im Abgeordnetenhaus über die Steuerhinterziehung des ehemaligen Kulturstaatssekretärs und dessen Folgen, beantragt von der Opposition, glänzten viele Abgeordnete der Union durch Abwesenheit. CDU-Fraktionsgeschäftsführer Heiko Melzer verstärkte mit seiner Rede den Eindruck noch: Der Fall Schmitz sei ein politischer Grenzfall und liege „weiterhin in der Verantwortung des Regierenden Bürgermeisters“.
Melzer sagte auch deutlich, was der sozialdemokratische Regierungschef Klaus Wowereit hätte tun sollen, als er von seinem Freund Schmitz im Sommer 2012 über die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung informiert wurde. „Die sofortige Information der Öffentlichkeit schon 2012 wäre der richtige und konsequente Weg gewesen.“ Auch das Hin und Her um die Entlassung des Staatssekretärs sei „kein Glanzstück“ gewesen. Wowereit hörte sich auch dies mit fast unbewegter Miene an, nur gelegentlich zuckte er mit der Schulter, lächelte oder warf seinem Nebenmann auf der Senatsbank, Innensenator und CDU-Landeschef Frank Henkel, eine kurze Bemerkung zu.
Unmittelbar hatte der Regierende Bürgermeister auch nichts zu befürchten. Denn die Reihen der rot-schwarzen Koalition sind, trotz aller Kritik des Regierungspartners CDU, geschlossen. Die Opposition sei den Beweis schuldig geblieben, dass Wowereit ein Disziplinarverfahren gegen Schmitz hätte einleiten müssen, sagte Melzer. Grüne, Linke und Piraten wollten aus der Angelegenheit jetzt nur noch „öffentlichkeitswirksam Honig saugen“. Der Union kam die Debatte trotzdem gelegen.
Die Affäre Schmitz hat die SPD geschwächt
Erstens hat die Affäre Schmitz die SPD geschwächt, die trotz gemeinsamer Regierung politischer Gegner bleibt. Zweitens konnte die CDU einer Forderung Nachdruck verleihen, die bei den Sozialdemokraten in den vergangenen Jahren – aus welchen Gründen auch immer – auf hartnäckigen Widerstand stieß. Es geht um die bessere Ausstattung der Finanzämter. „Mehr Personal, bessere Ausbildung und finanzielle Zulagen“, forderte der CDU-Fraktionsgeschäftsführer in seiner Rede. Die 75 zusätzlichen Stellen, auf die sich SPD und Union in der Koalitionsvereinbarung nach zähem Ringen geeinigt hatten, seien nur „ein erster Schritt“. Dieser Weg müsse weiter beschritten werden, forderte Melzer.
Die politische Entlastung des Regierenden Bürgermeisters blieb in der Debatte des Abgeordnetenhauses dem SPD-Fraktionsgeschäftsführer Torsten Schneider exklusiv vorbehalten. Natürlich seien sich alle Parteien einig, dass Steuerhinterziehung kein Kavaliersdelikt sei. Aber Wowereit habe im Fall Schmitz eine Ermessensentscheidung getroffen, nämlich kein Disziplinarverfahren durchzuführen. Das sei „vertretbar gewesen“. Dann watschte Schneider, mit dem Segen seines Fraktionschefs Raed Saleh, den SPD-Landeschef Jan Stöß ab, der noch am Tag der Veröffentlichung des Steuerbetrugs dafür sorgte, dass der geplante Rücktritt des Staatssekretärs bekannt wurde – obwohl dieser erst am folgenden Tag die Medien über seinen Rückzug informieren wollte. „Wir hätten es uns gewünscht, dem Staatssekretär die Möglichkeit zu geben, allein zu entscheiden“, sagte Schneider. Und es sei auch „sehr schwierig gewesen, dass sich diverse Parteigremien mit der Sache befassten“.
Ein Missbilligungsantrag der Opposition wurde abgelehnt
Die Fraktionschefs von Grünen, Linken und Piraten nannten das Verhalten des Regierenden Bürgermeisters „armselig“ und „unwürdig“, sprachen von Kumpanei und warfen ihm vor, den seit 2001 beschworenen Mentalitätswechsel endgültig „vergeigt“ zu haben. Egal, welchen Bock er schieße, der Regierungschef bleibe im Amt. Ein gemeinsamer Missbilligungsantrag der Opposition wurde am Ende der Debatte mit den Stimmen der Koalition abgelehnt. Zu diesem Zweck kamen auch die CDU-Abgeordneten wieder in den Plenarsaal.