Enteignung in Berlin: „Gift für die Zukunft der Stadt“
Der FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja hält die Enteignungsdebatte für "brandgefährlich" – sie treibe Berlin in eine Art Klassenkampf. Ein Interview.
Sebastian Czaja ist Vorsitzender der FDP-Fraktion im Abgeordnetenhaus. Der 35-jährige gebürtige Berliner ist auch Generalsekretär der Berliner Liberalen.
Herr Czaja, das Jahr beginnt mit Debatten über Enteignung und Rekommunalisierung. Ein liberaler Albtraum?
Nicht nur ein liberaler Albtraum, die Debatten sind vor allem brandgefährlich für Berlin selbst. Sie gefährden den sozialen Zusammenhalt und treiben uns in eine Art Klassenkampf – vor allem wird kein einziges Problem gelöst. Die daraus entstehenden Schlagzeilen werten den Standort Berlin ab, anstatt Chancen in den Mittelpunkt zu rücken. Sie sind Gift für die Zukunft unserer Stadt.
Eine knappe Mehrheit der Berliner unterstützt das Volksbegehren zur Enteignung der Deutsche Wohnen. Wie geht die FDP damit um?
Wir müssen deutlich machen, dass durch ideologisch getriebene Enteignungsdebatten nicht eine einzige Wohnung zusätzlich gebaut wird und die Mieten weiter steigen werden. Ich nehme die Sorgen der Menschen ernst und will eine nachhaltige Entlastung für den mehr als angespannten Wohnungsmarkt. Das bedeutet natürlich, dass man seinen Verpflichtungen als Eigentümer nachkommt.
Das eigentliche Kernproblem ist, dass unter einer Linkskoalition Wohnen zur sozialen Gerechtigkeitsfrage in dieser Stadt geworden ist. Die Debatte nutzt R2G, um das eigene Versagen so besser zu verdecken.
Was muss geschehen, um die Lage auf dem Wohnungsmarkt zu entschärfen?
Bis 2030 müssen mindestens 194.000 Wohnungen gebaut werden, dafür müssen jetzt die Weichen gestellt werden. Statt umgehend mit einem großen Miet- und Investitionsgipfel alle Wohnungsbaugesellschaften, Genossenschaften und Private an einen Tisch zu bringen, führen wir eine vollkommen sinnlose Diskussion über Enteignung oder den angedachten Rückkauf der ehemaligen GSW-Bestände. Wir müssen den Wohnungsbau intensivieren, beschleunigen und günstiger machen. Nur wir selbst können uns günstige Mieten bauen.
Im Januar hat Michael Müller angekündigt, Rot-Rot-Grün werde 2019 liefern, bislang dominiert der Streit in der Koalition. Wie geht es weiter?
Wer zweieinhalb Jahre nichts geliefert hat, der wird auch künftig nichts liefern. Bereits im Februar hat Senatorin Lompscher die Neubauziele des Senats auf 25.000 gesenkt, laut Aussage der Kommunalen werden es sogar noch wesentlich weniger. Was fehlt, sind konkrete Lösungen für konkrete Bereiche. Rot-Rot-Grün ist angetreten mit einer Mobilitätsgarantie, was das Bündnis bislang garantiert, ist Stillstand und Warten.
Vom Gesetz selbst ist bisher nur eine neue Farbe für Radfahrwege geblieben, auch die Verwaltungsmodernisierung lässt auf sich warten. Beim Kitastreik Ende Januar sind dann die Regierungsparteien gegen ihre eigene Politik auf die Straße gegangen. Es gibt keinen Grund zu Optimismus bei R2G.
Dennoch steht Rot-Rot-Grün in Umfragen stabil, behauptet die Mehrheit. Deprimiert Sie das?
Die Umfragen zeigen aber auch, dass über 70 Prozent der Berliner unzufrieden sind mit der Arbeit der Koalition. Das Fundament kann dann doch nicht so stabil sein. Diese Koalition hat fertig und hält sich bis zum Wahltermin über Wasser. Mich deprimiert, welche Probleme in unserer Stadt einfach nicht gelöst werden.
Welche eigenen Schwerpunkte setzt die FDP im Jahr 2019?
Die derzeitigen Alltagssorgen unserer Stadt sind natürlich unsere vorrangige Priorität: Wohnungsbau, Mobilität und die Modernisierung unseres Bildungssystems. Danach muss es darum gehen, den Weg zu digitalen Bürgerämtern zu ebnen und endlich die lähmenden Doppel- und Dreifachzuständigkeiten zu beenden. Sechs Jahre für Genehmigung und Installation einer Ampel vor einer Schule will ich künftig nie mehr erleben!
Das Gespräch führte Robert Kiesel
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