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Franziska Giffey bei einem Wahlkampftermin in Berlin.
© imago images/Political-Moments
Update

Berlins SPD-Chefin: Giffey hält Idee einer autofreien Stadt für „wirklichkeitsfremd“

Die Stadt brauche auch Möglichkeiten jenseits des Lastenfahrrads, sagt die SPD-Spitzenkandidatin. Sie will über E-Autos und U-Bahnen sprechen.

Nach Einschätzung von Berlins SPD-Chefin Franziska Giffey werden Autos auch in Zukunft zum Mobilitätsmix in der Metropole dazugehören. „Eine 3,7-Millionen-Menschen-Stadt völlig autofrei zu denken, halte ich für wirklichkeitsfremd“, sagte Giffey der Deutschen Presse-Agentur. „Viel eher muss es um Autos mit klimafreundlichem Antrieb gehen. Wir brauchen auch Möglichkeiten jenseits des Lastenfahrrads.“

Das gelte etwa für Handwerker, für Menschen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt seien, oder für solche, „die mehr zu transportieren haben als sich selber“. „Das bedeutet, dass wir auch künftig eine Stadt sein werden, wo Menschen mit dem Auto unterwegs sind. Auch, aber nicht nur.“

Die weitestgehenden Forderungen zur Verringerung des Autoverkehrs in Berlin stammen bisher von der Initiative "Berlin autofrei". Anders als der Name es suggeriert und Giffeys Äußerungen es nahelegen, zielen deren Forderungen jedoch nicht auf eine völlige Autofreiheit Berlins ab - und die ganze Stadt soll ebenfalls nicht unter die Maßnahmen fallen. Allerdings strebt "Berlin autofrei" eine massive Reduzierung des Autoverkehrs in der Innenstadt, also innerhalb des S-Bahn-Rings, an. Die Initiative selbst geht von einer Verringerung um 65 Prozent aus.

Per Volksbegehren will "Berlin autofrei" eine Änderung des Berliner Straßengesetzes erreichen. Autoverkehr soll grundsätzlich auf allen Strecken abseits der Bundesstraßen und Autobahnen untersagt werden. Davon ausgenommen werden soll der Gemeingebrauch, also Polizei, Feuerwehr, Post, Müllabfuhr, Nahverkehr und andere öffentliche Zwecke.

"Berlin autofrei": Handwerker sollen weiter Autos nutzen dürfen

Alle anderen Fahrten sollen nur auf Antrag möglich sein: Darunter fällt etwa der Güter- und Wirtschaftsverkehr. Handwerker könnten also, anders als Giffey durchblicken lässt, schweres Werkzeug weiter im Auto transportieren. Auch mobilitätseingeschränkte Personen oder deren Angehörige würden zum Transport eine Erlaubnis erhalten. Die große Masse der privaten Fahrten soll in der Innenstadt aber verboten sein - bis auf zwölf Fahrten pro Person und Jahr. Und auch die sollen nur erlaubt sein, um schwere Güter zu transportieren oder mit Gepäck in den Urlaub zu fahren.

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Ganz Berlin ohne Autos steht also derzeit nicht zur Diskussion, wohl aber eine deutliche Reduzierung im Zentrum, verbunden mit starken Reglementierungen und vermutlich auch einem hohen bürokratischen Aufwand.

Giffey setzt auf Elektroautos und U-Bahn-Ausbau

Giffey hingegen plädierte dafür, für umweltfreundliche Autos zu sorgen - also mit Elektro- oder Wasserstoff-Antrieb. Die frühere Ministerin, die Spitzenkandidatin ihrer Partei für die Wahl zum Abgeordnetenhaus am 26. September ist, verwies in dem Zusammenhang auf das SPD-Ziel, 20.000 zusätzliche Ladesäulen in der Stadt zu schaffen.

Mit oder ohne Verbrennermotor? In jedem Fall viele Autos, Lastwagen und Lieferfahrzeuge fahren auf dem Kaiserdamm stadteinwärts.
Mit oder ohne Verbrennermotor? In jedem Fall viele Autos, Lastwagen und Lieferfahrzeuge fahren auf dem Kaiserdamm stadteinwärts.
© Michael Kappeler/dpa

Wichtig sei gleichzeitig der Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV). „Wenn wir gute alternative Angebote wie zum Beispiel mit dem U-Bahn-Ausbau schaffen, um auch die Außenbezirke besser anzubinden, dann glaube ich, dass auch mehr Menschen umsteigen.“ 

[Lesen Sie mehr: Giffey und die SPD – Warum die Genossen die Füße still halten, obwohl die Kandidatin kaum zur Partei passt (T+)]

Nötig sei ein attraktives Angebot, „in dem es Spaß macht, den Öffentlichen Nahverkehr zu benutzen“. Als Beispiel nannte Giffey die neue U5 vom Alexanderplatz zum Hauptbahnhof. Dazu gehörten auch preiswerte Fahrscheine: Die SPD plädiert für ein 365-Euro- Jahresticket.

Giffey: „Zunehmend ein Gegeneinander in der Stadt“

„Mein Eindruck ist, dass wir zunehmend ein Gegeneinander in der Stadt erleben, also Radfahrer gegen Autofahrer, Fußgänger gegen Radfahrer“, beklagte Giffey. „Das ist aus meiner Sicht nicht gut. Wir müssen mit einer Grundhaltung an die Verkehrspolitik herangehen, die erstmal jeder Berlinerin und jedem Berliner zugesteht, so mobil zu sein, wie man es selber für sich möchte und braucht. Angebote statt Verbote - das muss die Devise sein.“

Und zu einem solchen Angebot gehörten neben einem attraktiven ÖPNV und einer engmaschigen Ladeinfrastruktur für E-Fahrzeuge auch sichere Radwege. Die grüne Verkehrs- und Umweltsenatorin Regine Günther habe sich hier viel vorgenommen. Aber jährlich zuletzt mehr als 7000 Radunfälle zeigten: „Wir haben noch nicht den Sicherheitsgrad der Radwege erreicht, den wir dringend bräuchten. 

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Da müssen wir schneller werden“, sagte die SPD-Spitzenkandidatin. „Einfach ein paar gelbe Streifen auf die Straße zu kleben und Poller aufzustellen, ist noch kein sicherer und guter Radweg“, fügte sie mit Blick auf die in der Pandemie entstandenen so genannten Pop-up-Radwege hinzu.

Giffey stellte auch Initiativen in Frage, den öffentlichen Raum für Autos zu verknappen. „Nur die Tatsache, dass man Straßen sperrt oder Parkflächen nicht mehr zur Verfügung stellt, führt ja nicht dazu, dass es automatisch weniger wird. Der Verkehr sucht sich dann andere Wege“, sagte sie. Bestes Beispiel sei die Friedrichstraße. (Tsp, dpa)

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