Konferenz "Stadt nach Acht": Geplantes Chaos gegen das Berliner Clubsterben
Berlins Nachtleben ist legendär. Um die Zukunft der Clubszene dreht sich die Konferenz „Stadt nach Acht“. Zentrale Forderung: die Subkultur-Quote.
Wäre Berlins jüngere Nachtlebengeschichte ein Märchen, ginge es so: Es war einmal eine Stadt, die Magnet war für Freiheitssüchtige auf der ganzen Welt. Sie kamen hierher, um zu tanzen, Musik zu hören, die neu war und anders, eine Sperrstunde gab es nicht. Freie Flächen wurden von Kreativen besetzt und genutzt, Aufbruchstimmung lag in der Luft.
Das legendäre Nachtleben, die Künstlerszene und die günstigen Mieten machten Berlin immer attraktiver, irgendwann kamen nicht nur Menschen, die nichts hatten und hier etwas werden wollten, sondern auch Investoren, die Geld mitbrachten. Berlin war pleite und verkaufte Grundstücke, die Freiräume wurden weniger. Und Neuberliner, die nicht wegen der Clubs gekommen waren, sondern um der provinziellen Mentalität ihrer Heimat zu entkommen und hier zu arbeiten, stellten fest, dass Technobeats und der Lärm der Partygänger sich nicht vertrugen mit der Kindererziehung in der Altbauwohnung.
Es wurde geklagt, viele Clubs mussten schließen. Von 2011 bis 2015 etwa 170. Bekannte Größen darunter: das Icon (2010), der Knaack-Club (2010), der Klub der Republik (2012) und erst kürzlich zum zweiten Mal die King Size Bar in der Friedrichstraße. Doch die Verdrängung ist nicht vorbei, aktuell gibt es Lärmkonflikte um die Kulturbrauerei, auch der Schokoladen, einer der letzten Clubs in Mitte, kämpft schon seit Jahren ums Überleben. Und auf dem Dragoner-Areal in Kreuzberg, wo der Gretchen-Club zu Hause ist, sollen Wohnungen entstehen, die diese Stadt dringend braucht.
Linke plädiert für "strategische Umverteilung"
Wie geht das zusammen? Mit der Zukunft des Berliner Nachtlebens beschäftigt sich noch bis Sonnabend die Konferenz „Stadt nach Acht“. In mehr als 50 Panels und mit 600 Teilnehmern diskutieren Clubbetreiber, Wissenschaftler, Kulturschaffende und Politiker über die Frage, „wie Chaos da geplant werden kann, wo Freiräume verschwinden“. So drückt es Marc Wohlrabe am Donnerstagmorgen bei der Pressekonferenz im „Musik und Frieden“ in Kreuzberg aus. Er ist Vorstandsmitglied der Berliner Clubcommission, welche die Konferenz organisiert.
Und er richtet klare Forderungen an den Senat: „Wir wollen eine Subkultur-Quote für Bauprojekte!“ Damit findet er wohl am ehesten bei der Linken Anklang. Deren Sprecherin für Stadtentwicklung, Katalin Gennburg, möchte städtischen Raum zugunsten der Clubkultur „strategisch umverteilen“. Konkret bedeute das, bei neuen Stadtquartieren auch nichtkommerzielle Räume einzuplanen, die von Kulturschaffenden zum Beispiel als Partylocation genutzt werden könnten. Wenn man Stadtplanung allerdings nur an private Investoren auslagere, geschehe das nicht. Sie plädiert deswegen dafür, die kommunale Handlungsmacht zu stärken und feste Planungsgrößen vorzugeben.
Bewegung kommt ins Thema Lärmschutz: Georg Kössler, Sprecher für Clubkultur der Grünen-Fraktion, ist „relativ optimistisch“, dass der im Koalitionsvertrag vorgesehene Lärmschutzfonds tatsächlich kommt. Aus diesem Topf würde Betreibern von Musikstätten eine Förderung für Lärmschutzmaßnahmen zur Verfügung gestellt. Damit gemeint sind unter anderem schallschluckende Einbauten, Lärmschutzwände in Außenbereichen, Personal zur Sensibilisierung von Nachtschwärmern, aber auch Maßnahmen wie der Einbau von Schallschutzfenstern bei Anwohnern.
Zwei Millionen Euro für den Lärmschutz
Für akute Problemfälle werden etwa zwei Millionen Euro pro Jahr notwendig. Denkbar ist, dass die Senatsverwaltung für Wirtschaft in Zusammenarbeit mit der Clubcommission darüber entscheidet, wem der Zuschuss gewährt wird. Eine Änderung der Rechtslage, welche die Lärmschutzkosten auf die Bauinvestoren umlegt, wie von Teilen der Grünen-Fraktion gefordert, findet in der rot-rot-grünen Koalition keine Mehrheit.
Bauinvestoren zur Verantwortung zu ziehen – das ist auch die Idee des neuen Projekts „Urban Ground Support“, das Kulturunternehmer und Immobilienwirtschaft zusammenbringen möchte. Schließlich seien ja nicht alle Investoren „böse“.
Wäre Berlins Nachtlebengeschichte ein Märchen, dann wäre diese Clubkonferenz der Startschuss für eine Epoche, in der sich alle friedlich die Stadt teilen: Investoren, Angestellte – und Traumtänzer.
„Stadt nach Acht“ ist Sonnabend öffentlich, 17-23 Uhr, Salon zur Wilden Renate, Alt-Stralau 70, Friedrichshain, 10 Euro.