Holocaust-Gedenken: George Shefi überlebte - Stolpersteine erinnern nun an Mutter und Tante
An der Hauptstraße wuchs Georg Spiegelglas auf. Er überlebte dank des "Kindertransports". Jetzt gibt es Stolpersteine für seine Mutter und Tante.
Es war eine Begegnung, die wohl keiner der beiden mehr vergisst. George Shefi, 85, ist da also aus Israel zu Gast in der Löcknitz-Grundschule, jener Gemeindeschule, die er selbst als kleiner Junge besuchte. Er erzählte dort auch den Kindern der 6. Klassen von seiner Lebensgeschichte. Wie er als siebeneinhalbjähriger Junge dank der Kindertransporte den Nationalsozialismus überlebte. Und dass am Freitag dank der Initiative des Wilmersdorfer Musikverlegers Horst Brauner vor seinem alten Wohnhaus an der Hauptstraße 5 Stolpersteine verlegt werden, für seine im Konzentrationslager Auschwitz ermordete Mutter Marie Spiegelglas und seine Tante Margit Benedik. Da meldet sich die 13-jährige Aliya und sagte: "Das ist doch das Haus, in dem ich wohne!"
So stehen an diesem denkwürdigen 29. Juni 2017 der als Georg Spiegelglas Geborene mit den leuchtenden Augen im tosenden Straßenverkehr an der regennassen Hauptstraße vor seiner alten Heimat. Mit dazu seine ganze Familie, seine Frau, seine drei Töchter, seine zwei Enkelsöhne aus Israel, seine Schwester aus Sydney, Australien, Freunde aus Saarbrücken, und Freunde sowie Weggenossen. Und Shefis Freund Horst Brauner, der den Zeitzeugen, wie berichtet, mal ganz beiläufig auf einer Kreuzfahrt kennenlernte, Initiator und Organisator dieser Aktion.
An einem solchen Gedenktag an seine ermordeten Verwandten "habe ich ein gemischtes Gefühl und bin sehr bewegt", sagte George Shefi. "Für mich schließt sich heute ein Kreis, oder eine Elipse - und jetzt kann ich mein Leben beruhigt leben und weiter genießen", sagt George Shefi. Sein Leben führte ihn von Berlin aus schließlich erst mit den Kindertransporten nach Großbritannien, später nach Kanada, Palästina, immer wieder nach Deutschland zurück.
Da sang ihm und der Familie Kantor Assaf Levitin "Jeder Mensch hat einen Namen" - musikalisch begleitet von seinen beiden Enkelsöhnen, Orr Hasson, 31, und Gil Hasson, 29. Die wären schon öfter mit ihrem Opa in Berlin, wo George Shefi unter anderem seinem eigenen Großvater, aber auch seiner Mutter und Tante auf dem Jüdischen Friedhof in Weißensee ein Gedenken bereitete.
Die Erinnerung bleibt lebendig
George Shefi selbst hat noch viele Erinnerungen an die Zeit in der Wohnung im dritten Stock. Und an die Zeit bei der Pflegefamilie in Großbritannien, wo seine Pflegeschwester und er sich ums Fahrrad stritten. "Sie hat mich etwas eifersüchtig im Regen ausgesperrt, und ich habe dann in einer halben Stunde Fahrradfahren gelernt", sagt er schmunzelnd. Über diese Anekdote haben sich beide bei einem Wiedersehen Jahrzehnte später noch amüsieren können. Als Kind habe er es ja erst toll gefunden, mit dem Zug und dem Schiff fahren zu dürfen. Das ganze Grauen der Zeit sei ihm erst viel später bewusst geworden. George Shefi hat über sein Leben und seine Familie auch ein Buch geschrieben, das soll jetzt neu auf Deutsch herauskommen.
Unterstützt wurde die Feier zur Stolpersteinverlegung, zu der wie bei allen ein langer bürokratischer Weg führte, auch von der Friedenskirche Charlottenburg. Aliya findet das "schön", dass vor ihrem Haus jetzt diese Aufregung war und die Stolpersteine eingelassen wurden neben den beiden dort schon befindlichen Erinnerungssteinen an Efim und Schevel Schachmeister, die über Luxemburg nach Argentinien emigrierten.
Mindestens genauso ergriffen wie die beiden jungen und alten Ex-Bewohner des Hauses Hauptstraße 5 waren die Zuhörer, als Horst Brauner in seiner Rede sagte: "Georges Tante musste Zwangsarbeit leisten bei ,Siemens und Halske'. Da bin ich selbst als junger Mann in die Lehre gegangen. Und wusste von all dem damals nichts."