Wechsel in den Bundestag?: Genossen wundern sich über Signale von Michael Müller
Dass Michael Müller hoch hinaus will, ist ein offenes Geheimnis. Die Äußerungen von Berlins Regierenden Bürgermeister stoßen in der SPD trotzdem auf Kritik.
Die Botschaft des Regierenden Bürgermeisters und SPD-Landeschefs Michael Müller, dass er einen Wechsel in den Bundestag nicht ausschließt, wird von den Genossen verwundert zur Kenntnis genommen. Zwar geht in der Landes-SPD schon lange das Gerücht um, Müller wolle in den Bundestag, wenn es mit dem Regieren in Berlin nicht mehr funktioniert. Dass er solche Signale zwei Jahre vor den Wahlen in Berlin und im Bund selbst aussendet, finden aber auch Parteifreunde unklug, die ihm nahestehen. Müller tue sich damit selbst keinen Gefallen.
In Parteikreisen ist zu hören, nun sei klar, dass der SPD-Landeschef nicht mehr an einen Wahlsieg glaube, wenn im Herbst 2021 das Abgeordnetenhaus neu gewählt wird. Laut einer aktuellen Umfrage des Instituts Civey im Auftrag des Tagesspiegel hat er recht: Die SPD steht bei 16 Prozent, gleichauf mit den Linken und hinter den Grünen (25 Prozent) und der CDU (18 Prozent). In einem Video-Interview mit dem Tagesspiegel gab Müller jetzt zu, dass „deutlich Luft nach oben“ sei. Er wüsste aber nicht, „was schöner sein könnte als Regierender Bürgermeister dieser Metropole“ zu sein. Trotzdem gebe es natürlich auch „andere schöne politische Aufgaben“. Ob er sich vorstellen könne, Berlin auch im Bundestag zu vertreten? Müller dementierte solche Überlegungen nicht: „Ich kann mir viel vorstellen. Aber das ist ja auch kein Wunschkonzert in der Politik.“
Im SPD-Landesverband ist es ein offenes Geheimnis, dass Müller schon länger über eine Kandidatur für den Bundestag nachdenkt, um sich nach einem eventuellen Karriereknick in Berlin anderweitig abzusichern. Denn er ist erst 54 Jahre alt. 2009 hatte er schon einmal erwogen, in den Bundestag zu gehen. Er denke über verschiedene Möglichkeiten nach, sagen Genossen. Auch die Kandidatur für den Bundestag sei „ ein Szenario, das er durchspielt“. Trotzdem wird in der Berliner SPD davon ausgegangen, dass Müller bis zum Ende der Legislaturperiode Regierender Bürgermeister bleiben will – und das Amt nicht vorher abgibt.
Er müsste dann aber vorab auf eine erneute SPD-Spitzenkandidatur in Berlin verzichten und sich aus dem Roten Rathaus heraus für den Bundestag nominieren lassen. Keine einfache Sache. Zumal die Berliner Sozialdemokraten nach den aktuellen Umfragen nur noch mit drei bis vier Mandaten rechnen können. Jetzt schon drängeln sich viele Interessenten um die aussichtsreichen Plätze. Dass Müller den Platz 1 auf der Landesliste bekommt, zulasten einer Kandidatin, gilt als höchst unwahrscheinlich. Eine Direktkandidatur in seinem Heimatbezirk Tempelhof-Schöneberg wäre ebenfalls schwierig. Dort wird nicht nur Juso-Bundeschef Kevin Kühnert nachgesagt, dass er antreten will, sondern auch der (Noch-)Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci und dem Vize-Kreischef Michael Biel. Ulrich Zawatka-Gerlach