Berlin-Mitte: Geldtransporter am Alexanderplatz überfallen – Täter weiter auf der Flucht
Mitten im Berufsverkehr ist am Freitagmorgen ein Geldtransporter überfallen worden. Die flüchtenden Täter schossen auf die Polizei, diese fahndet mit Hochdruck.
Am Alexanderplatz in Berlin-Mitte haben mehrere maskierte Männer einen Geldtransporter überfallen und bei der Flucht sogar auf Polizisten geschossen. Die Polizei war seit dem Morgen mit mehreren Dutzend Einsatzkräften vor Ort und vernahm Zeugen.
Polizeisprecher Stefan Petersen zufolge wurde ein Geldtransporter gegen 7.30 Uhr in der Schillingstraße von zwei Wagen gestoppt. Die Täter brachen den Transporter auf, verschafften sich so Zugang zum Innern und flohen mit der Beute in zwei Wagen in Richtung Kreuzberg. Dabei wurden sie von einem Polizeiwagen verfolgt. Im Zuge der Verfolgung wurden an der Neuen Grünstraße Schüsse aus einem der beiden Fluchtautos auf das Beamtenfahrzeug abgegeben, verletzt wurde glücklicherweise niemand.
Nach den Schüssen gab die Polizei ihre Verfolgung wohl auf. In der Feilnerstraße in Kreuzberg soll es kurz darauf zu einem Unfall zwischen einem der beiden Fluchtautos und einem unbeteiligten Fahrzeug gekommen sein. Die Täter stiegen daraufhin in das andere Fluchtfahrzeug um und flohen in unbekannte Richtung.
In einem Bistro mit Blick auf den Tatort sitzen zwei ältere Damen und trinken Kaffee. Sie wohnen direkt um die Ecke. „Wir haben heute morgen einen Hubschrauber kreisen gehört und uns gewundert“, sagt eine. Schüsse habe sie aber nicht gehört. „Sowas ist hier noch nie passiert“, sagt sie und wirkt aufgeregt. Die Polizei bestätigte den Hubschrauber-Einsatz.
In der neuen Grünstraße, wo die Schüsse auf den Polizeiwagen abgegeben wurden, stehen zwei Augenzeugen. Ein 27-Jähriger, der nicht genannt werden möchte, erzählt, wie ihm die beiden Fluchtfahrzeug in der engen Straße entgegenkamen. „Sie rasten auf mich zu und wichen nicht aus. Hinter ihnen kam das Polizeiauto, auf das sie dann einen Schuss abfeuerten.“ Schnell habe er seinen Dienstwagen zurückgesetzt, ist dabei aber gegen einen Pfeiler gefahren.
"Da steht man schon unter Schock"
„Da steht man schon unter Schock. Immerhin ging alles glimpflich aus.“ Die Fluchtfahrzeuge seien ein Pickup und eine Limousine gewesen - beide schwarz. Das bestätigt der zweite Augenzeuge. Auch er will lieber anonym bleiben. Der 57-Jährige war in der Wallstraße mit seinem Lkw in der Wallstraße, als die Täter vorbei rasten. „Die waren so schnell, das war unglaublich. Die Polizei kam kaum hinterher“, sagt er. Auch seinen LKW hätten die Flüchtenden gerammt. Die Stoßstange sei demoliert.
Der Polizeiwagen wurde wohl in den Motor getroffen. Kühlwasser ist auf der Straße ausgelaufen.
„Unsere Ermittlungen stehen ganz am Anfang, wir können dazu noch nicht mehr sagen", so Petersen. "Wir haben umfangreiche Ermittlungen eingeleitet.“ Da es unglaublich viele Zeugen gegeben habe, hat die Polizei am Freitagvormittag eine Cloud eingerichtet und bittet Zeugen von allen drei Tatorten (Schillingstraße, Neue Grünstraße, Feilnerstraße), ihre Hinweise unter diesem Link hochzuladen.
Täter vermutlich Profis
Benjamin Jendro von der Gewerkschaft der Polizei vermutet angesichts der Ausrüstung und des Vorgehens, dass es sich um eine professionelle Tat handelt. „Wir können davon ausgehen, dass die Täter aus dem Bereich der Organisierten Kriminalität kommen“, sagt er. Ob es sich um Mitglieder arabischer Clans handelt, bezweifelt er. Es könnte auch Rocker-Gruppen oder die russische Mafia gewesen sein, sagt Jendro: „Geld brauchen sie alle in der Organisierten Kriminalität.“
Dass die Polizei die Täter mitten in der Stadt aus den Augen verloren hat, will er nicht kritisieren. „Die Polizei kann nicht einfach durch die Stadt heizen“, sagt er. Man müsse das Risiko abwägen.
Überfälle auf Geldtransporter in Berlin - viele Fälle, die sich in der Öffentlichkeit abspielten, sind vielen noch bekannt: 2016 hatten Bewaffnete an einem Sommermorgen einen Geldtransporter in der Leibnizstraße in Charlottenburg gestoppt und überfallen - nur wenige Meter entfernt von der Bundesbank. 2015 wurde auf dem belebten Kurfürstendamm der Geldtransporter vor dem Apple-Laden ausgeraubt. 2013 überfielen Kriminelle einen Geldtransporter vor P&C auf dem Tauentzien-Boulevard.
Silke Wollmann ist Sprecherin des Bundesverbands der Sicherheitswirtschaft. Ob es denn nur ein Gefühl sei, dass Überfälle dieser Art zunähmen? "Ab und an kommt so etwas vor, aber im europäischen Vergleich sind wir in Deutschland zum Glück nicht so häufig betroffen, was auch an unseren Sicherheitsbestimmungen liegt", so Wollmann. "Wenn allerdings wie in diesem Fall mit feuerwehrähnlichem schwerem Gerät angerückt wird, ist nichts zu machen."
Berlin ist bei der Zahl der Überfälle Spitzenreiter
Es gebe Ausreißerjahre mit fünf oder sechs Überfallen auf Geldtransporter bundesweit wie 2015 oder 2017, jedoch vergingen auch Jahre ohne einen einzigen Überfall. Berlin sei bundesweit jedoch trauriger Spitzenreiter. Woran das liege? "Die Dichte an Geschäften und Fahrzeugen ist hier eben höher als in Buxtehude."
Für Mitarbeiter, die Opfer eines solchen Überfalls werden, gebe es psychologische Betreuung - "das ist mit den Unternehmen vertraglich geregelt." Wollmann hoffe zur Sicherheit der Mitarbeiter - im Normalfall fahren in solch einem Transporter zwei Personen -, dass sie im Auto sitzen geblieben seien. "Ich vermute das aber, denn an einem Ort wie am Alex muss es am hellichten Tag schnell gehen, da werden sich die Täter den Mitarbeitern nicht groß gewidmet haben."