Nach Urteil zu Kastanienallee in Prenzlauer Berg: Gefährlicher Radweg löst Diskussionen aus
Der programmierte Konflikt: Schon bei der Planung war absehbar, dass der Umbau der Kastanienallee Konflikte zwischen Radlern und Fußgängern schafft. Aber wie geht es nun weiter?
Muss für Radwege, die über sogenannte Haltestellenkaps führen, nun generell die Benutzungspflicht aufgehoben werden? Diese Frage konnte die Senatsverkehrsverwaltung bislang nicht beantworten. Das Verwaltungsgericht hat, wie berichtet, am Mittwoch eine solche Pflicht für einen Abschnitt des Radwegs an der Kastanienallee in Prenzlauer Berg nach der Klage eines Radfahrers aufgehoben. Auch an anderen Stellen in der Stadt gibt es ähnliche Anlagen.
Beim umstritten Umbau der Kastanienallee waren zwischen der Schönhauser Allee und der Schwedter Straße auch drei Haltestellenkaps angelegt worden. Dabei ragt der Haltestellenbereich so weit in die Fahrbahn, dass die Fahrgäste die Straßenbahnen barrierefrei betreten und verlassen können. In diesen jeweils rund 40 Meter langen Bereichen verläuft der Radweg geradlinig über die Kaps. Zwischen der Bordsteinkante und dem Wartehäuschen ist er nur rund einen Meter schmal.
Die Verkehrslenkung Berlin (VLB) befürchtete, dass Radfahrer auf der Straße eine haltende Straßenbahn überholen würden und dabei in den Gegenverkehr geraten könnten. Zudem müssten sie dabei Gleise der Tram queren, wodurch eine Sturzgefahr bestehe. Deshalb sei das sichere Fahren auf dem Radweg höherrangig einzustufen als das Unterschreiten der Mindestmaße eines Radwegs. Konflikte mit Fahrgästen im Haltestellenbereich seien durch Klingeln lösbar.
Widerspruch bei der Planung
Der Kläger hatte schon bei der Planung Widerspruch eingelegt, allerdings vergeblich. Er hatte argumentiert, über die Kastanienallee führen täglich bis zu 7000 Radler, die die Haltenstellenkaps nicht sicher passieren könnten.
Die Benutzungspflicht eines Radwegs darf nur noch angeordnet werden, wenn besondere örtliche Verhältnisse die Radler gefährden. Dies sah das Gericht, anders als die Behörde, an der Kastanienallee jedoch nicht so. Wenn keine Straßenbahn an der Haltestelle stehe, gebe es auch keine Gefahr. Und wenn sie im Fünf-Minuten-Abstand kurz stoppe, habe ein sich verkehrsgerecht verhaltender Radfahrer regelmäßig entweder den Radweg in Schrittgeschwindigkeit über das Haltestellenkap zu benutzen und auf die Fahrgäste besondere Rücksicht zu nehmen oder hinter der Tram auf deren Weiterfahrt zu warten. Radfahrer, die die Bahn verbotswidrig links überholen, würden sich „in keine das allgemeine Risiko übersteigende Gefahr“ begeben, denn Radler, die sich „rücksichtslos und grob verkehrswidrig“ verhielten, seien überall erheblichen Gefahren ausgesetzt. Zudem könnten auch Zusammenstöße von Fußgängern und Radfahrern auf den Haltestellenkaps zu schwersten Verletzungen oder gar zum Tod führen.
Die Kastanienallee ist dabei nicht allein. Ähnlich wird auch die Pappelallee umgestaltet, wo die Radwege ebenfalls haarscharf zwischen Bordsteinkante und Wartehäuschen vorbeiführen. Weitere Anlagen gibt es im Köpenicker Ortsteil Wendenschloss und in der Hohenschönhausener Konrad-Wolf-Straße.
Das Urteil für die Kastanienallee ist noch nicht rechtskräftig.
Klaus Kurpjuweit, Björn Seeling