Euref-Campus in Schöneberg: Gasag kehrt zum Gasometer zurück
Vor elf Jahren verkaufte die Gasag ihr Gasometer-Gelände in Schöneberg – jetzt kehrt sie mit ihrer Konzernzentrale zurück.
Die Gasag war froh, ihr altes Betriebsgelände am Gasometer in Schöneberg loszuwerden, das war vor elf Jahren. Aus heutiger Sicht vielleicht eine Fehlentscheidung. Aus der Industriebrache, für die niemand mehr eine Verwendung hatte, ist eine Werkstatt der Energiewende geworden, der Euref-Campus. Als Geburtsjahr gibt Gründer und Vorstandschef Reinhard Müller 2008 an. Und zum 10. Jubiläum kehrt die Gasag zurück in ihre alte Heimat. Am Donnerstag legte Konzernchef Gerhard Holtmeier zusammen mit Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) den Grundstein für die neue Konzernzentrale.
Künftig wird der Energieversorger allerdings nur noch Mieter auf seinem ehemaligen Grundstück sein. Neben Gasometer und ein paar alten Backsteinbauten aus der Stadtgas-Ära sind in den letzten Jahren moderne Bürotürme gewachsen, die von jungen Forschern, Studenten und Start-up-Gründern mit Leben gefüllt werden. Sie arbeiten an Lösungen für eine Co2-freie Energiewirtschaft.
Eine Campus-Straße mit Terrassen und Ladesälen
Menschen mit Smartphone und Laptop sitzen hinter den großen Erdgeschoss-Fenstern einer Kantine, nebenan läuft die „European Start-up-Conference“, die Teilnehmer dichtgedrängt im Businesslook, mit aufgeknöpften Hemden. Zwischen den Blöcken verläuft die Straße „Euref-Campus“, schon vorweihnachtlich illuminiert. Hineinfahren darf nur, wer mit einer elektronischen Karte die Schranke öffnen kann.
Überall stehen Ladesäulen, davor hölzerne Terrassen, mit Steppengräsern dekoriert. Hier genießt man im Sommer die Ruhe, jetzt warnen Schilder vor Rutschgefahr. Birgit Noderer läuft die paar Meter zur Gasag-Baustelle, sie arbeitet seit zwei Jahren auf dem Gelände, fühlt sich „sauwohl“. Vorher war ihr Arbeitgeber in Lichtenrade angesiedelt, als vom Umzug die Rede war, war sie erst mal gar nicht begeistert. Und was ist so toll hier? „Die interessanten Leute, viele Studenten.“
Und Otto. Otto Waalkes, der fragte sie nach dem Weg zu den Studios von Berlin Synchron. Den autonom fahrenden Elektro-Shuttle-Bus findet sie auch sympathisch. Ist der nicht gefährlich? „Der sieht einen doch.“ Im neuen Restaurant „Grüns“ macht die Chefin Manuela Wolf gerade ihre Runde, während sich ein Student mit bunter Häkelmütze an der Salatbar bedient. Das Grüns bietet ausschließlich vegane und vegetarische Speisen, „darauf haben die Gäste gewartet“. Es gebe aber auch einen Italiener und einen Burger-Laden, insgesamt fünf Restaurants, die den Hunger von 3000 Euref-Mitarbeitern stillen, auf Bestellung auch gerne am Arbeitsplatz.
70 Prozent des Campus sollen 2020 fertig sein
Aus der Umgebung kommen die Menschen noch eher selten, das Euref ist eine isolierte Insel, der einzige Zugang läuft über die kopfsteingepflasterte Torgauer Straße. 70 Prozent des Campus seien fertig, wenn das neue Gasag-Haus 2020 eingeweiht wird, sagt Reinhard Müller. 80 Millionen Euro sind veranschlagt, um Finanzierung und Planung kümmert sich die Euref AG selbst. Etwa 500 Mitarbeiter werden vom Hackeschen Markt und anderen Gasag-Niederlassungen auf den Euref-Campus ziehen.
Am Hackeschen Markt laufe die Mietpreisbindung aus, heißt es, danach werden die Büroflächen deutlich teurer. Mit Nostalgie hat die Heimkehr der Gasag weniger zu tun als mit ökonomischer Vernunft und dem positiven Image des Campus. Die Gasag betreibt dort schon die Heizzentrale. Das neue Gebäude soll die höchste Energieeffizienzklasse erreichen.
Der alte Gasometer, in dem Günter Jauch seine Talkshows absolvierte, soll als letztes Großprojekt erschlossen und vermarktet werden. Im Innenraum der eisernen Konstruktion ist ein gläserner Büroturm geplant. Vom Wohnungsbau hat sich Müller vollkommen verabschiedet. Jahrelang gab es einen Streit mit dem Bezirksamt um die Sanierung des Gasometers. Inzwischen regt das Thema offenbar niemanden mehr auf. Müller erklärt, er wolle den Gasometer mit einer neuen Lasertechnik bearbeiten und für die Zukunft bewahren.
Der nächste Euref-Campus soll in Essen entstehen
Der Berliner Euref-Campus ist eigentlich schon ein Selbstläufer geworden, Müller kann sich seine Büromieter inzwischen aussuchen, darunter die TU, Deutsche Bahn und Vattenfall. Mit dem Herzen ist der 65-jährige Hightech-Fan schon beim nächsten, noch größeren Euref-Campus, geplant an der Essener Zeche Zollverein. „Selbst nach zehn Jahren steht hier immer noch alles für Neues, für Aufbruch“, lobt Svenja Schulze den Campus. Hier könne man die Energiewende sehen.
Und Christian Gaebler (SPD), Staatssekretär in der Staatskanzlei, outet sich als Anwohner des Campus. Was die Nachbarn zunächst eher skeptisch beäugten, sei inzwischen akzeptiert und in der Stadt angekommen.
Thomas Loy