zum Hauptinhalt
Berlins Schulen haben seit 2015 viele eigene Konzepte für Willkommensklassen entwickelt..
© Manfred Thomas

Berliner Schulen: Für Flüchtlinge ist in Regelklassen oft kein Platz

Willkommensklassen laufen aus, aber Flüchtlingskinder bleiben unter sich. Ex-Senator Mario Czaja sieht in diesen "Internationalen Klassen" in manchen Bezirken ein Sparmodell.

Berlin ist groß. Offenbar zu groß. Jedenfalls hatte die Bildungsverwaltung nicht mitbekommen, dass im fernen Marzahn-Hellersdorf irgendwann im Sommer eine ganz neue Schulvokabel geprägt worden war: Sie lautete „Internationale Klasse“ und sollte etwas umschreiben, was Rot-Rot-Grün eigentlich nie wollte: die Bildung reiner Flüchtlingsklassen über die Willkommensklassen hinaus.

Durch eine Anfrage des CDU-Abgeordneten Mario Czaja, die dem Tagesspiegel vorliegt, ist jetzt etwas Licht in diesen Graubereich gekommen. Czaja wollte nämlich von der Bildungsverwaltung wissen, was mit den Schülern passiert ist, deren Willkommensklasse im Sommer ausgelaufen war und bei denen daher der Übergang in eine Regelklasse anstand.

Die Frage kam nicht von ungefähr: Czaja hatte von Sozialarbeitern in Marzahn-Hellersdorf erfahren, dass etliche Kinder nach dem Schulbeginn am 6. September enttäuscht in die Wohnheime zurückkehrten: Denn anders, als ihnen versprochen worden war, wurden sie nicht den „deutschen“ Klassen zugeordnet, sondern fanden sich plötzlich unter dem Etikett „Internationale Klasse“ in ihrer ehemaligen Willkommensklasse wieder, von der sie sich im Juli eigentlich schon verabschiedet hatten. Also wollte Czaja wissen, was es damit auf sich habe und „an welchen Schulen ein Übergang von Willkommensklassen in sogenannte Internationale Klassen stattfand“.

In 16 Schulen wird so verfahren

Die Antwort verblüffte nicht nur Czaja: „In Berlin werden keine ,internationalen Klassen‘ geführt“, belehrte Bildungs-Staatsekretär Mark Rackles (SPD) den Abgeordneten, der in der letzten Legislatur als Sozialsenator auch für die Flüchtlingsheime zuständig war und daher noch gute Kontakte zu den Sozialarbeitern hat. Allerdings räumt Rackles in seiner Antwort ein, dass „an einigen Schulen Regelklassen eingerichtet wurden, die ausschließlich aus ehemaligen Schülern aus Willkommensklassen bestehen“. Zur Begründung verweist er auf fehlende Plätze in deutschen Regelklassen. Dies gelte für 16 Schulen in sieben Bezirken, darunter neben Marzahn-Hellersdorf Reinickendorf, Steglitz-Zehlendorf, Mitte, Neukölln und Charlottenburg-Wilmersdorf.

Eine einzige der genannten Schulen befindet sich in Tempelhof-Schöneberg, allerdings handelt es sich dabei um einen Sonderfall: Die Johanna-Eck-Schule, die aus der Werner-Stephan-Schule hervorging, hat seit 30 Jahren ein Modell entwickelt, bei dem die Flüchtlinge in eigenen Klassen gefördert werden, um ihren speziellen Bedürfnissen besser gerecht zu werden; allerdings werden sie über Projekte und gemeinsame Wochenend-Camps stark in die Schulgemeinschaft einbezogen.

Mindestens zehn gemeinsame Schulstunden

So soll es idealerweise auch jetzt in den separierten ausgelaufenen Willkommensklassen sein: Rackles benennt als Vorgaben an die betreffenden Schulen, dass die Schüler mindestens zehn Unterrichtsstunden pro Woche in einer Parallelklasse verbringen sollen, "um die Integration in die Schulgemeinschaft sicherzustellen". Zudem sollen sie in Projekte und Arbeitsgemeinschaften sowie in die Streitschlichterausbildung einbezogen werden, wie es auch an der Johanna-Eck-Schule gehandhabt wird.

Ob diese Vorgaben an Schulen, die in diesem Bereich kaum Erfahrung haben, umgesetzt werden, ist schwer zu sagen. Fachleute sehen angesichts der alltäglichen Schulprobleme mitsamt Lehrermangel die Gefahr, dass die Vorgaben nur "Wunschdenken" bleiben und die Klassen letztlich abgeschottet bleiben.

Die Koalitionäre sehen das kritisch

Die rot-rot-grünen Bildungspolitiker sind denn auch skeptisch. Man habe es mit „Segregation“ zu tun, wenn die Geflüchteten in ihren Extra-Klassen blieben, wie Regina Kittler von der Linkspartei anmahnt. Das sei „der völlig falsche Weg“. Sie empfiehlt, die vorhandenen deutschen Regelklassen neu aufzuteilen, damit die Willkommensschüler aufgenommen werden können.

Auch Maja Lasic, die bildungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, sieht es kritisch, dass die Willkommensklassen zusammenbleiben – egal, ob die anschließend „Internationale Klassen“ oder „Regelklassen“ genannt werden: „Das war nicht im Sinn der Koalition“, steht für Lasic und auch für Stefanie Remlinger von den Grünen fest. Kittler, Remlinger und Lasic hatten deshalb auch von Anfang an Kritik an der "Flüchtlingsschule" im Gewerbegebiet am Tempelhofer Damm geübt.

Für den CDU-Abgeordneten ein "Sparmodell"

Czaja sieht in dem ganzen Vorgang vor allem eines: ein Sparmodell. Denn während die Willkommensklassen aus zehn bis zwölf Schülern bestehen, beträgt die Frequenz 17 bis 20 Schüler, wenn sie den Status „Willkommensklasse“ verlieren. Das aber gehe auf Kosten der Förderung, befürchtet Czaja.

Und da spiele es auch keine Rolle mehr, dass die Bildungsverwaltung bei der Begrifflichkeit, die ihre eigene Außenstelle in Marzahn-Hellersdorf propagiert haben soll, inzwischen intervenierte: Die Bezeichnung „Internationale Klassen“ wurde stillschweigend einkassiert.

"Übergang von Willkommensklassen zu Internationalen Klassen": Hier können Sie die Anfrage von Mario Czaja als PDF herunterladen.

Der Berlin-Monitor zeigt Ihre Meinung zu den großen Themen der Hauptstadt. Wenn Sie sich registrieren, tragen Sie zu besseren Ergebnissen bei. Mehr Informationen hier.

Zur Startseite