Berlin beim Spitzel-Check nachsichtig: Für ein Senatsmitglied oder einen Staatssekretär fehlt noch der Stasi-Bescheid
Der Senat fühlt sich nur bedingt an einen Beschluss des Abgeordnetenhauses zur Stasi-Überprüfung gebunden. In einem Fall steht das Ergebnis noch aus.
Es gibt in Berlin 30 Jahre nach der friedlichen Revolution mindestens ein Senatsmitglied oder einen Staatssekretär, bei dem nicht klar ist, ob er für das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) der DDR hauptamtlich tätig oder als inoffizieller Mitarbeiter gespitzelt hat.
Das geht aus der Antwort der Senatskanzlei auf eine Anfrage des Einzelabgeordneten Marcel Luthe (FDP) kurz vor dem 59. Jahrestag des Mauerbaus hervor. Demnach liegt „in einem Fall (…) das Ergebnis des Überprüfungsersuchens“ an die Stasiunterlagenbehörde des Bundes „noch nicht vor“.
Die kürzlich wegen nicht abgeführter Aufsichtsratsvergütungen und falscher Steuererklärungen zurückgetretene Bausenatorin Katrin Lompscher (Linke) dürfte nicht betroffen sein. Sie legte am 2. August ihr Amt nieder.
Die Antwort der Senatskanzlei zum Stasi-Check für Regierungsmitglieder und Staatssekretäre datiert auf den 5. August. Andererseits lässt die Senatskanzlei auch einige Zweifel zu, wie ernst es die rot-rot-grüne Regierung mit dem Stasi-Check meint.
Es gibt einen eindeutigen Beschluss des Abgeordnetenhauses vom 9. März 2017, wonach der Senat „weiterhin dafür zu sorgen“ hat, „dass sich die Mitglieder des Senats sowie die Staatssekretärinnen und Staatssekretäre auf eine hauptamtliche oder inoffizielle“ Stasi-Tätigkeit überprüfen lassen.
Andrej Holm musste wegen verschwiegener Stasi-Tätigkeit gehen
Anlass waren damals die Vorgänge um Lompschers Kurzzeit-Staatssekretär Andrej Holm. Er musste wegen einer verschwiegenen Stasi-Tätigkeit zurücktreten. Doch die Senatskanzlei interpretiert den Beschluss des Abgeordnetenhauses einfach um. Er beziehe sich „nur auf die Mitglieder des Senats sowie Staatssekretäre, die nach dem 8. März 2017 ernannt wurden“, heißt es in der Senatsantwort.
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Daher sei für alle, die bereits vor dem 9. März im Amt waren, kein Stasi-Check nötig. Obendrein wurden nicht einmal alle Senatoren und Staatssekretäre anlässlich ihrer Ernennung überprüft, wie bereits aus einer Antwort des Senats vom Juli auf eine Anfrage Luthes hervorging.
Demnach wird für Regierungsmitglieder, die schon früher wegen anderer Positionen in der Politik oder im öffentlichen Dienst von der Stasi-Unterlagenbehörden überprüft wurden, „nicht zwingend“ eine nochmalige Untersuchung in Auftrag gegeben.
FDP-Mann Marcel Luthe: Unerkannte Stasi-Spitzel unerträglich
Wer bereits Mitglied des Abgeordnetenhauses, eines Landtages oder des Bundestags war oder Regierungsmitglied oder Staatssekretär in einem anderen Bundesland war, wird nicht überprüft. Einen Stasi-Check gibt es auch nicht für Senatoren oder Staatssekretäre, die wegen ihre Alters nicht für das MfS gearbeitet haben können.
Luthe reicht das nicht, denn selbst, wenn es einst Untersuchungen gab, könnten durch Aktenfunde neue Erkenntnisse vorliegen. „Für die Opfer – und jeden Demokraten – ist der Gedanke, Mitglieder der totalitären Bande des MfS könnten unerkannt in Berlin aktiv sein, unerträglich“, sagte Luthe.
Auch das Abgeordnetenhaus selbst oder der Landtag Brandenburg machen bei der Überprüfung der Parlamentarier keine Unterscheidung, ob jemand bereits früher einmal überprüft worden ist. Einzige Einschränkung ist in Berlin das Alter: die Abgeordneten müssen am 3. Oktober 1990 mindestens das 18. Lebensjahr vollendet haben.