Kulturpolitik in Berlin: Freier Museumseintritt statt neuer Landesbibliothek
Rot-Rot-Grün verschiebt Klaus Wowereits Lieblingsprojekt. Das stößt auf Kritik. Dafür soll es freien Eintritt in Ausstellungen geben. Doch dort haben auch andere ein Wort mitzureden.
Die einen wird’s freuen – die anderen werden stöhnen. „Kostenfreie Zeitspannen“ für Besucher der Berliner Museen will die neue rot-rot-grüne Koalition einführen, das haben SPD, Linke und Grüne Samstagabend wie berichtet bei ihren Koalitionsverhandlungen beschlossen. Motto: „Kultur für alle!“ – also ein Gewinn für Berliner mit geringem Einkommen, die man auf diese Weise in die Museen bringen will.
Es gab aber beim Ringen um die Eckpunkte der künftigen Kulturpolitik auch Verlierer, und zwar alle, die seit Jahren engagiert möglichst rasch einen Neubau für die völlig überlastete Zentrale Landesbibliothek (ZLB) verwirklichen wollen. Nun soll nach den jüngsten rot-rot-grünen Plänen mit dem Bau nicht vor 2021 begonnen werden.
Das ärgerte am Sonntag bereits die nach den Wahlen in die Opposition abgedrängten Christdemokraten im Abgeordnetenhaus. „Die Situation der Landesbibliothek ist mehr als dramatisch“, sagt Stefan Evers, Experte der CDU-Fraktion für Kultur und Stadtentwicklung. Das Neubauprojekt „auf die lange Bank“ zu schieben, sei ein „schlechtes Signal“. Zumal der bisherige rot-schwarze Senat ja bei der Suche nach dem besten Standort für einen Neubau seine Hausaufgaben bereits gemacht habe.
Derzeit verteilt sich die ZLB auf drei Standorte
Zuletzt wurden der Kreuzberger Blücherplatz, wo schon die zur ZLB gehörende Amerika-Gedenk-Bibliothek steht, sowie das Marx-Engels-Forum in Mitte favorisiert. Evers: „Die Machbarkeitsstudien für beide Alternativen liegen doch fertig auf dem Tisch, man kann sich zügig entscheiden.“ Was die CDU längst getan habe, sie bevorzuge den Blücherplatz. Der nächste wichtige Schritt sei nun, „die schwierige Finanzierung bald hinzubekommen“.
Die grüne Fraktionschefin Ramona Pop gab dagegen am Samstag einen längerfristigeren Fahrplan vor. In den fünf Jahren der bevorstehenden Wahlperiode solle erstmal der Standort beschlossen werden, sagte sie. Danach könne man über die Finanzierung reden. Noch im Juli 2016 hatten die Grünen in der Opposition gefordert, das Konzept für eine neue Landesbibliothek mit einer seriösen Bedarfs-, Orts- und Kostenplanung müsse kurzfristig vorgelegt werden.
Dies beabsichtigte bis zum Wahltag auch der alten Senat, weshalb ZLB-Sprecherin Anna Jacobi noch Anfang 2016 hoffnungsfroh verkündete: „Es wäre unser Traum, dass alles vorliegt“. Ein Kommentar der ZLB zu den neuen Beschlüssen war am Sonntag nicht zu erhalten.
Mit rund drei Millionen Büchern, CDs und Filmen ist Berlins Zentral- und Landesbibliothek die größte öffentliche Bibliothek Deutschlands. Aber sie ist seit langem zu klein, zu eng und nicht mal an einem Ort vereint. Derzeit gibt es drei Standorte: die Amerika-Gedenk-Bibliothek (AGB), die Berliner Stadtbibliothek an der Breite Straße in Mitte sowie ein Außenmagazin am Westhafen.
"Kultur für alle" finden viele gut
Um alles unter einem Dach zu vereinen, hatte der Senat ursprünglich einen Neubau mit 52.000 Quadratmetern auf dem Tempelhofer Feld geplant, Geschätzte Kosten: 350 Millionen Euro. Aber dieses Vorhaben scheiterte 2014 am Volksentscheid zur Zukunft des einstigen Flughafens Tempelhof. Seither wurden Ersatzstandorte gesucht, letztlich kamen nur noch der Blücherplatz oder das Marx-Engels-Forum in Betracht. Außerdem wurde das Ausmaß des Medientempels deutlich abgespeckt: auf nur noch rund 37 000 Quadratmeter Nutzfläche und einen Kostenrahmen von bis zu 270 Millionen Euro. Ermöglicht haben dies Fortschritte in der Bibliothekstechnik wie platzsparendere Regalsysteme.
Während die neue Dreierkoalition in Sachen ZLB bereits auf harsche Opposition stößt, dürfte ihr Vorstoß in Richtung „Kultur für alle“ viel Zustimmung finden. Denn zur Zeit gewähren zwar alle Museen Ermäßigungen und einige auch Rabatte oder freien Eintritt zu bestimmten Zeiten oder für Inhaber des Familienpasses. Außerdem ist der Kulturgenuss für Jugendliche unter 18 beispielsweise im Bröhan-Museum in Charlottenburg und einigen anderen Ausstellungen gratis. „Aber unterm Strich ist das alles sehr unübersichtlich“, sagt der Kulturexperte der SPD-Fraktion Frank Jahnke.
Mit "noch mehr Nachdruck" für einen gemeinsamen Gratistag
Sinnvoller sei es, an demselben Tag in allen Museen freien Eintritt zu gewähren – ähnlich den verkaufsoffenen Sonntagen. Tatsächlich sind solche Museumstage nach den Erfahrungen etlicher bundesdeutscher Museen, die es ausprobierten, Publikumsmagneten. Dies zeigt auch die Bilanz der Häuser des landeseigenen Berliner Stadtmuseums. Dort ist jeweils der erste Mittwoch im Monat gratis.
Das Problem in Berlin ist laut Frank Jahnke, „dass Berlins Museen drei verschiedenen Trägern gehören: dem Land, der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und dem Bund. Dieses Trio auf einen gemeinsam Gratistag einzustimmen, sei bisher misslungen. Rot-Rot-Grün will das nun erneut mit „noch mehr Nachdruck“ probieren.