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Frank Henkel, 50, ist seit 2008 CDU-Landesvorsitzender sowie seit 2011 Bürgermeister von Berlin und Innensenator. Der Politiker beansprucht seine Führungsrolle in der Partei und sitzt im Aufsichtsrat des Pannen-Flughafens BER.
© Mike Wolff

Innensenator Henkel im Interview: „Frau Herrmann hat Vertrauen zerstört“

CDU-Innensenator Henkel über das Handeln der Kreuzberger Bürgermeisterin in der Flüchtlingsfrage, seine Position im BER-Aufsichtsrat – und warum Schwarz-Grün in Berlin zurzeit kein Thema ist.

Herr Henkel, wann wird das Flüchtlingscamp in Kreuzberg geräumt?
Ich bin fest entschlossen, das Verfahren an mich zu ziehen, wenn sich in Kreuzberg nichts bewegt. Es muss gehandelt werden, und es gibt einen Zeitplan für den Oranienplatz. Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann hat gestern eine Stellungnahme abgegeben. Dieses Schreiben werden wir prüfen. Sollte sich am rechtswidrigen Zustand nichts geändert haben, wovon ich ausgehe, werde ich ab Freitag eine Senatsvorlage erarbeiten und diese zum 7. Januar einbringen. Der frühestmögliche Räumungstermin wäre dann der 18. Januar.

Das klingt nach einem größeren Polizeieinsatz.
Ich mache mir keine Illusionen. Wenn der Bezirk nicht handelt und es als letztes Mittel zur Räumung kommen muss, wird es sicher Gegenreaktionen geben. Ich bin jedoch als Innensenator dafür zuständig, Recht und Gesetz durchzusetzen. Das werde ich tun.

Gilt das auch für das besetzte Flüchtlingshaus in der Gerhart-Hauptmann-Schule?
Für die Gerhart-Hauptmann-Schule ist ebenfalls der Bezirk zuständig, der unhaltbare Zustände auch dort seit einem Jahr duldet. Der Senat ist doch kein Ausputzer für gescheiterte grüne Sozialexperimente. Es ist jetzt schon ein Problem, dass die Polizei bei Einsätzen mit viel Personal vor Ort sein muss, um Straftaten zu verfolgen, ganz zu schweigen von den schlechten hygienischen Bedingungen. Der Bezirk ist überfordert. Was ich nicht verstehe: Frau Herrmann hat alle Mittel in der Hand. Doch sie duckt sich weg. Wenn der Bezirk Hilfe braucht, wird sich der Senat aber nicht verweigern.

Werden die SPD-Senatoren Ihrer Vorlage zustimmen?
Ich bin sehr zuversichtlich, dass die SPD die rechtswidrigen Zustände ebenfalls nicht duldet und die aufsichtsrechtlichen Maßnahmen mittragen wird.

Fühlen Sie sich vom Regierenden Bürgermeister ausreichend unterstützt?
Klaus Wowereit hat schon vor einigen Wochen gesagt, dass der rechtswidrige Zustand beendet werden muss.

Aber er betont auch, er wolle eine Lösung im Konsens. Warum setzen Sie sich nicht mit dem Bezirk zusammen? Warum gehen Sie auf Konfrontation?
Wir haben sehr lange auf Dialog gesetzt. Das Bezirksamt hatte ein Jahr Zeit, eine Lösung zu finden. Aber zu einem Dialog gehört auch Vertrauen. Und dieses Vertrauen hat Frau Herrmann durch ihr Handeln zerstört. Der Senat hat der Bezirksbürgermeisterin geholfen, im Wedding eine Unterkunft für die Flüchtlinge zu finden. Nur hat sich Frau Herrmann nicht an die Abmachung gehalten, die Schlafzelte auf dem Oranienplatz danach abzubauen. Dialog macht nur Sinn, wenn beide Seiten es ernst meinen.

Wowereit und BER: "Dass ein Rücktritt vom Rücktritt erklärungsbedürftig ist, ist klar"

Es gab lange einen um Toleranz bemühten Umgang offizieller Stellen mit den Flüchtlingen. Gibt es eine Berliner Linie im Umgang mit Flüchtlingen?
Die Dialogbereitschaft war immer vorhanden. Ich kann aber nicht akzeptieren, dass sich eine interessengeleitete Verwaltungspraxis wie in Kreuzberg herauskristallisiert, die Rechtsbrüche je nach politischer Sympathie duldet. Würde das Bezirksamt eine solche Situation auch dulden, wenn in diesem Camp Menschen eine Verschärfung des Asylrechts fordern würden? Ich denke nicht. Da kommen wir dann in den Grenzbereich politischer Willkür. Rechtsbrüche müssen geahndet werden, auch wenn man mit manchem Anliegen sympathisiert.

Macht sich der Senat nicht einen schlanken Fuß? Sie wollten beim runden Tisch, zu dem Caritas und Diakonie eingeladen hatten, nicht mitmachen.
Wir haben rechtlich gültige Verfahren in der Flüchtlings- und Asylpolitik, die in Europa gelten. Wir machen uns keinen schlanken Fuß in der Frage, was mit den Flüchtlingen in Berlin passiert.

Flüchtlingspolitik ist auch ein Bundesthema. Werden Sie darüber auf der nächsten Innenministerkonferenz sprechen?
Wir haben bereits über den Umgang mit syrischen Kriegsflüchtlingen gesprochen und das Kontingent verdoppelt. Darüber werden wir erneut im Frühjahr sprechen. Die Anliegen der Flüchtlinge werden nicht ignoriert, sind aber auf Bundesebene zu regeln. Ich würde mir wünschen, dass Asylverfahren schneller bearbeitet werden. Man hat sich nun auf Bundesebene darauf verständigt, dass Asylverfahren binnen drei Monaten bearbeitet werden. Dafür braucht das zuständige Bundesamt aber mehr Personal.

Neben der Flüchtlingspolitik ist der BER-Großflughafen der größte Aufreger in der Stadt. Wie finden Sie es, dass Klaus Wowereit in ein Amt zurückgekehrt ist, das er vor einem Jahr niedergelegt hatte?
Dass ein Rücktritt vom Rücktritt erklärungsbedürftig ist, ist klar. Wir müssen uns auch vergegenwärtigen, dass es drei Gesellschafter gibt – Brandenburg, Bund und Berlin. Ich habe sehr bedauert, dass Brandenburg nicht in der Lage war, sein Vorschlagsrecht wahrzunehmen und einen Vorsitzenden des Aufsichtsrats vorzuschlagen. Sehr kritisch sehe ich die Rolle von Brandenburgs Landesregierung, weil sich Ministerpräsident Dietmar Woidke vor der Verantwortung gedrückt hat, in den Aufsichtsrat zu gehen.

Mit der Lösung Wowereit sind Sie einverstanden? Sie haben dafür gestimmt.

Ich habe dafür gestimmt, denn ich habe keinen Zweifel daran, dass man sich in der schwierigen Phase keinen Streit unter den Gesellschaftern leisten darf. Berlin hat einheitlich abgestimmt. Ich bekenne mich hier zu meiner Verantwortung, bei allen Schwierigkeiten in der Sache.

Wäre schwarz-grün in Berlin eine Option?

Obwohl Sie lieber einen externen Aufsichtsratsvorsitzenden gehabt hätten, oder?
Das ist damit gemeint.

Finden Sie es als Bürger dieser Stadt nicht seltsam, dass nun Klaus Wowereit wieder an der Spitze der Aufseher steht?
Es geht nicht darum, wie ich das finde, oder wie zufrieden ich damit bin. Die Gesellschafter des BER haben sich auf Klaus Wowereit verständigt. Mir geht es jetzt darum, dass das größte Infrastrukturprojekt endlich ans Netz kommt.

Wann wird der BER in Betrieb gehen? Und was wird er kosten?
Beide Fragen sind derzeit verlässlich nicht zu beantworten.

Vielleicht geht es in einer anderen Frage ja verlässlicher: Sie hatten sich nach der Bundestagswahl für ein schwarz-grünes Projekt im Bund starkgemacht. Wäre das für Berlin eine Option?
Ich habe mich als einer der Ersten für ernsthafte Gespräche auf Bundesebene ausgesprochen. In Berlin gilt für mich: Wer in einer stabilen Beziehung ist, sollte sich nicht nach anderen Partnern umschauen. Außerdem gibt es ein Grundsatzproblem: Wahrnehmbar sind derzeit ausschließlich die Kreuzberger Grünen mit Themen wie Coffeeshops, mit dem rechtswidrigen Camp, mit antireligiösen Tendenzen in der Diskussion über die Weihnachtsmärkte. Das ist das Gegenteil von dem, wofür die Union steht. Die gemäßigten grünen Kreise sind öffentlich nicht wahrnehmbar. Ich weiß nicht, wie die Fraktionschefin Ramona Pop zum Flüchtlingscamp steht. Ich weiß nicht, wie der parlamentarische Geschäftsführer und Innenpolitiker Benedikt Lux zu den Rechtsbrüchen am Oranienplatz steht. Es gibt neben Frau Herrmann und den Kreuzberger Grünen kein anderes wahrnehmbares Gesicht. Schon gar kein Gesicht, das für eine Politik der Mitte steht. Derzeit sehe ich mit den Grünen keine Basis zur Zusammenarbeit. Vorher muss geklärt werden, wohin sie sich entwickeln wollen, und wer den Ton angibt.

Herr Henkel, alle vier CDU-Senatoren im Senat gelten als ehrgeizig. Was bedeutet das für Sie als Landesvorsitzender?
Man kann sich als Chef entscheiden: Will man sich mit Jasagern umgeben oder mit charismatischen Leuten, die eigene Ideen haben? Ich habe mich für Letzteres entschieden. Die Umfragen geben mir recht. Die Union liegt vorn, die Senatoren stehen gut da. Wenn Sie auf meine Führungsrolle anspielen: Diese Frage ist in der Berliner CDU absolut geklärt.

Das Gespräch führten Sabine Beikler, Werner van Bebber und Robert Ide.

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