zum Hauptinhalt
Sportsfreunde. Frank Zander und Hörbuch-Autor Michael Jahn im „Bierbrunnen“.
© Sven Goldmann

125 Jahre Hertha BSC: Frank Zander präsentiert das Hertha-Hörbuch

„Gefühlt bin ich ja sowas wie der Bürgermeister“, sagt Frank Zander als Ehrengast bei einer akustischen Reise durch die Vereinsgeschichte.

Endlich mal eine gute Nachricht für Michael Müller. Läuft ja gerade nicht so, wegen Tegel, BER und so, in der Beliebtheitsrangliste der 16 deutschen Länderchefs thront der Regierenden Bürgermeister souverän auf Platz 16. Schön für Müller, dass das Berliner Wahlgesetz keine Direktkandidatur populärerer Zeitgenossen vorsieht. Und dass einer, der ihm den Job durchaus streitig machen könnte, gerade abgesagt hat.

„Gefühlt bin ich ja sowas wie der Bürgermeister“, sagt Frank Zander, aber er singt lieber seine Lieder, „als dass ich mir in der Politik blaue Flecke hole“. Reicht ja, dass seine Gitarre blau angemalt ist, Zander hat sie am Dienstag mit in den Bierbrunnen gebracht, eine Kneipe am Gesundbrunnen mit vergilbten Fotografien an den Wänden, die Stammgäste sitzen zur Mittagsstunde bei Bier und Bouletten. „12 Uhr ist ja eigentlich nicht so seine Zeit“, verrät Zanders Sohn Marcus. Aber für ein frühes Frischgezapftes und Hertha BSC macht er schon mal eine Ausnahme.

Das Hertha-Hörbuch

Frank Zander ist der Ehrengast bei der Präsentation von „Hertha BSC – das Hörbuch“, einer akustischen Reise durch 125 Jahre von Berlins populärstem Fußballclub. Der Journalist Michael Jahn, einst Hertha-Experte bei der „Berliner Zeitung“, hat die Texte geschrieben, vorgetragen werden sie vom RBB-Reporter Andreas Witte, und über allem schwebt Frank Zander mit seiner Vereinshymne „Nur nach Hause geh’n wir nicht“.

Neulich sind Zander und Jahn zusammen im Olympiastadion gewesen, natürlich in der Ostkurve, wo Herthas treueste und lauteste Fans stehen. „Ist mit meiner neuen Hüfte nicht so einfach, da hoch zu kraxeln“, sagt Zander, aber das Defilee der Autogrammjäger, Schulterklopfer und Beifallspender ist den Aufwand allemal wert. Es ging also nur stockend voran, und dabei kam Jahn die Idee mit der Kandidatur für den Posten im Roten Rathaus.

Damals an der "Plumpe"

Zander ist jetzt 75, aber das blonde Haar fällt ihm so locker über die Schultern wie in den Siebzigern, als er noch der Ururenkel von Frankenstein war. Im Bierbrunnen trägt er ein grau-weißes Jackett, das mit ein bisschen gutem Willen auch als blau-weiß durchgeht. Passend dazu trällern im Hintergrund die „3 Travellers“ ihr Lied von der blau-weißen Hertha:

„Ob es regnet oder schneit

Jeder hat für Hertha Zeit

Sonntags sieht man ganz Berlin

Vergnügt zur Plumpe zieh’n“

Der Bierbrunnen steht auf historischem Grund. Ein paar Häuser weiter hat früher Herthas Klub-Idol Hanne Sobek gewohnt, schräg gegenüber befand sich der 1974 abgerissene Hertha-Platz, von den Berlinern nur „Plumpe“ genannt. Ist er mal da gewesen? „Na klar“, sagt Zander, „da war doch dieses Kino, wie hieß es doch gleich“, und im weiteren Verlauf stellt sich heraus, dass er nicht den Fußballplatz am Gesundbrunnen meint, sondern eine Straßenkreuzung in seinem Heimatbezirk Neukölln.

Kapitel einer Vereinsgeschichte

Zur akustischen Ausmalung des Hertha-Hörbuchs bittet Marcus Zander ins Hinterzimmer, es erinnert an die Zeiten, in der die Vereinspolitik nicht zufällig Hinterzimmer-Politik genannt wurde. Aus dem Off erzählt der Reporter Witte von einem der größten Nachmittage der jüngeren Klub-Geschichte, einem 6:1-Sieg über den Hamburger SV. Das ist eine von Frank Zanders Lieblingsgeschichten.

Oft genug ist er zu schlechteren Berliner Fußballzeiten von den Musiker-Kollegen „Klaus und Klaus“ (die von der Noooordseeküste) gefragt worden: „Sage mal Frank, spielt ihr da in Berlin überhaupt noch Fußball?“ Nach dem 6:1 ist Zander noch mal auf diese Frage zurückgekommen, „aber da hat der dicke Klaus nur gesagt: „Ach komm, dieses eine Spiel, jetzt lass uns erst mal ein Bier trinken“.

Nächstes Kapitel. Die Relegationsspiele vor fünf Jahren mit dem berüchtigten Platzsturm in Düsseldorf, als die Fans der gastgebenden Fortuna Absperrungen niederwalzten und Rasenstücke als Souvenirs davontrugen. „Meine schwärzeste Stunde bei Hertha“, sagt der Buch-Autor Jahn. Auch der Bundesliga-Skandal von 1971 bleibt nicht ausgespart.

Als zweiter Ehrengast neben Frank Zander sitzt Uwe Witt im Gesundbrunner Hinterzimmer. Witt war Kapitän jener Hertha-Mannschaft, die damals ein für sie bedeutungsloses Spiel gegen den Abstiegskandidaten Arminia Bielefeld verlor und dafür 250 000 D-Mark einstrich. „Muss ich jetzt rausgehen“, fragt Witt, das Hinterzimmer lacht und begnadigt ihn.

„Nur nach Hause geh’n wir nicht“

Auf zwei CDs finden sich 19 Geschichten, allerlei Interviews und Radio-Reportagen. Ganz zum Schluss der Vorstellung dröhnt endlich auch Frank Zanders Klampfe durch den Bierbrunnen. Es geht um die Geschichte der Hertha-Bubis, jener Amateurmannschaft, die 1993 ihre Profis in den Schatten stellte und sensationell in das Endspiel um den DFB-Pokal einzog. Im Halbfinale gegen den Chemnitzer FC hat Zander erstmals seine Hymne vorgetragen, „natürlich vor der Ostkurve, obwohl die damals noch im Westen des Stadions war“ und deswegen von niemandem so genannt wurde. „Nur nach Hause geh’n wir nicht“, vorgetragen zur Melodie von Rod Stewarts „Sailing“, fand Gefallen beim Publikum und ist seitdem nicht mehr aus dem Olympiastadion wegzudenken. Zander hat dafür bis heute keinen Cent an Tantiemen kassiert (so wie er auch mit der allweihnachtlichen Obdachlosen-Bewirtung kein Geschäft macht). Gerade deshalb hat es ihn immer ein wenig geärgert, wenn Herthas früherer Manager Dieter Hoeneß laut darüber nachdachte, die Zeit sei doch reif für eine neue, zeitgemäße Hymne. So ein Blödsinn, denkt sich Zander, „du kannst neue Lieder schreiben, aber Hymnen bleiben“. Darauf noch ein Bier! Wenn es denn schon so früh an den Brunnen verschlägt.

Sven Goldmann

Zur Startseite