Chaos um Reiserückkehrer: Flughafentests können nicht klappen - und wenn, dann bringen sie nichts
Coronatests für Reisende bringen keine Sicherheit, kosten den Steuerzahler und nehmen Menschen die Selbstverantwortung ab. Sie sind gefährlich. Ein Kommentar.
Man hätte ahnen können, dass Eröffnungen jedweder Art an Berliner Flughäfen zum Scheitern verurteilt sind. Deshalb war das, was am Mittwoch beim Start der neuen Coronateststelle für Reiserückkehrer in Tegel passierte, eigentlich auch keine Überraschung. Als die ersten Passagiere aus Risikogebieten um acht Uhr zum Abstrich erschienen, standen sie vor heruntergelassen Rollläden. Netzwerkprobleme. Nichts klappte. Fünfeinhalb Stunden.
Die meisten Fluggäste gaben irgendwann entnervt auf, gingen einfach ungetestet nach Hause. Die Eröffnung der Teststelle in Schönefeld wurde direkt auf Donnerstag, später sogar auf Freitag verschoben. Inzwischen kann an beiden Flughäfen freiwillig getestet werden – zumindest, wenn man ein Smartphone hat. Wie sich später herausstellte.
Was sich die Politik in den vergangenen Tagen zum Umgang mit Rückkehrern überlegt hat, kann a) nicht funktionieren und ist b) brandgefährlich. Fachlich machen einmalige Corona-Tests wegen der langen Inkubationszeit überhaupt keinen Sinn. Wer sich im Flugzeug oder in der Schlange an der Teststelle ansteckt, bekommt einen negativen Test und eine falsche Sicherheit. Echte Sicherheit garantiert nur eine 14-tägige Quarantäne.
Doch an Selbstverantwortung scheinen sich in Monat sieben seit dem Ausbruch der Pandemie immer weniger Menschen zu erinnern. Und der Staat wirkt unfähig und unwillig, die Quarantäne durchzusetzen. Zudem sollen nur direkte Rückkehrer aus Risikogebieten getestet werden. Wer bereits in München, Frankfurt oder Amsterdam umsteigt, gilt als risikofreier Passagier. Wer mit dem Auto oder Zug zurückkehrt, wird bislang überhaupt nicht bedacht.
Man hätte all das vorhersehen können, doch wie bei den Schulen agiert der Senat völlig kopflos. Erst als Zehntausende bereits in Risikogebieten waren, beschäftigte man sich mit der Frage, was eigentlich mit den Rückkehrern zu tun sei. Als in der Gesundheitsverwaltung klar wurde, dass immer mehr Berliner sich im Ausland anstecken und das Virus in die Stadt tragen, musste es auf einmal schnell gehen.
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Innerhalb weniger Tage sollten die Teststellen in Tegel und Schönefeld in Betrieb gehen – Pannen waren da vorprogrammiert. Die Charité, die vor Ort für den reibungslosen Ablauf verantwortlich ist, kann da am wenigsten dafür. Dutzende Mitarbeiter hat sie abgestellt, dabei handelt es sich um erfahrene Krisenmanager mit medizinischer Expertise. Deren Kernaufgabe sollte in einer Pandemie jedoch eigentlich nicht das stupide Testen von symptomfreien Reisenden sein, sondern die Sicherung des Krankenhausbetriebs.
Der Preis für den Urlaub von der Pandemie, den die Politik ihren Bürgern schenkt, wird hoch sein. Einmal durch die vielen Neuinfektionen, die schon jetzt für lokale Hotspots sorgen. Und dann sind da noch die Kosten für hunderttausende, meist negative Corona-Tests. Bezahlt werden die schließlich nicht von den Menschen, die trotz Corona meinen, noch an Ballermann, Goldstrand oder türkische Riviera reisen zu müssen.
Berlin rennt offenen Auges weiter ins Chaos
Nein, die Rechnung übernimmt die Gesellschaft. Anders übrigens als bei Tests für Kassiererinnen oder Hebammen. Experten warnen seit Wochen. Berlin rennt trotzdem offenen Auges weiter ins Chaos – das mit der von Gesundheitsminister Spahn angekündigten Flughafenrückkehrer-Testpflicht nächste Woche wohlmöglich noch schlimmer wird.
Darin sind sich selbst die gesundheitspolitischen Sprecher aller Parteien in seltener Zustimmung einig. Wenn die Freiwilligen schon jetzt teils Stunden für ihren Abstrich anstehen – wie sollen täglich mehr als 2.000 Personen coronakonform getestet werden? Es kann nicht klappen – und selbst wenn, dann bringt es quasi nichts.