Einbruch in Coronakrise: Flughafen Berlin-Tegel schließt am 15. Juni – vielleicht für immer
Die Gesellschafter haben entschieden, TXL dichtzumachen. Erst mal nur vorübergehend. Dass der Flughafen wieder in Betrieb geht, gilt aber als unwahrscheinlich.
Der Berliner City-Airport Tegel wird ab 15. Juni vorübergehend geschlossen. Die Gesellschafterversammlung der Flughafengesellschaft Berlins, Brandenburgs und des Bundes hat das am Mittwochmorgen einstimmig entschieden. Das bestätigt Brandenburgs Finanzministerin Katrin Lange (SPD) auf Anfrage. „Das ist ein vernünftiger Kompromiss“, sagte Lange.
Die Gesellschafter stimmten einer temporären Befreiung von der Betriebspflicht für Tegel zum 15. Juni zu, so der Beschluss – unter der Voraussetzung, dass die bedarfsgerechte Bedienung des zivilen Luftverkehrs jederzeit sichergestellt werde und dass die Nutzerinteressen am Regierungsairport in Schönefeld gewahrt werden.
Denn mit der Tegel-Schließung werden auch die Regierungsflüge nicht mehr in Tegel, sondern am neuen Interimsterminal für Staatsgäste und Bundesregierung in Schönefeld abgewickelt.
Auch der Bund hat damit seinen bisherigen Widerstand gegen eine befristete Schließung von Tegel aufgegeben, die Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup mit dem Totaleinbruch im Flugverkehr an den beiden Berliner Flughäfen erklärt. Noch steht dafür allerdings die Genehmigung der Berliner Luftfahrtbehörde aus.
In Schönefeld und Tegel werden derzeit nur 2000 Passagiere am Tag abgefertigt. Im Normalbetrieb vor der Coronakrise waren es 100.000. Das Hauptabfertigungsgebäude in Tegel ist schon seit Mitte März geschlossen, Passagiere checken nur noch im Nebenterminal C ein. Ähnlich ist es in Schönefeld.
Ab Mitte Juni soll nun zunächst für zwei Monate der gesamte Restluftverkehr am alten Schönefelder Airport abgewickelt werden. Da die BER-Eröffnung am 31. Oktober inzwischen als gesichert gilt, ist es unwahrscheinlich, dass Tegel überhaupt noch einmal in Betrieb geht. Wie berichtet, hatte sich Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup zuletzt skeptisch gezeigt, dass Tegel nach der vorübergehenden Schließung noch einmal ans Netz gehen könnte. Es gibt sogar Überlegungen, den neuen Flughafen BER wenige Wochen vor dem 31. Oktober in Betrieb zu nehmen.
Endgültige Entscheidung in den nächsten Wochen
Die endgültige Entscheidung über die geplante Betriebspause in Tegel fällt nach Betreiberangaben in den nächsten Wochen. „Nach der Genehmigung der Luftfahrtbehörde werden wir sehen, ob der verlässliche und sichere Flugbetrieb für die Hauptstadtregion in den kommenden Monaten einen oder zwei Flughäfen braucht“, teilte Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup der dpa mit.
Es werde ermittelt, ob die Zunahme des Flugverkehrs die Offenhaltung Tegels ermögliche oder ob eine vorübergehende Schließung wirtschaftlich unvermeidlich werde, erklärte er. Allerdings ist nicht damit zu rechnen, dass der Flugbetrieb in den kommenden Wochen wieder so stark zunehmen wird, dass eine Offenhaltung wirtschaftlich vertretbar wäre.
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„Jetzt geht es darum, die nächsten Schritte verantwortungsvoll vorzunehmen“, sagte Lütke Daldrup. Nicht nur die Passagierzahlen spielten eine Rolle, auch Abstands- und Hygienevorschriften in der Corona-Krise. Sorgen bereiteten derzeit die sehr langsamen Sicherheitskontrollen.
Der Flughafenchef betonte: „Unsere Aufgabe als Flughafen besteht darin, die Erholung des Flugverkehres zu ermöglichen, und nicht, sie einzudämmen.“
Flughafengesellschaft kämpft mit Einnahmenausfällen
Die Flughafengesellschaft Berlin Brandenburg hat durch die Krise mit Einnahmeausfällen in dreistelliger Millionenhöhe zu kämpfen. Der innenstadtnahe Flughafen Tegel war mit mehr als 24 Millionen Fluggästen im vergangenen Jahr unter den deutschen Standorten die Nummer vier nach Frankfurt, München und Düsseldorf. Schönefeld an der südöstlichen Stadtgrenze in Brandenburg ist kleiner, dort waren es gut elf Millionen Passagiere.
Mehrere hunderttausend Berliner werden mit der Schließung Tegels von Fluglärm entlastet. Wegen seiner Nähe zur Innenstadt und der kurzen Wege in den Terminals hat der Flughafen aber auch viele Freunde. Bei einem Volksentscheid 2017 stimmte eine Mehrheit dafür, den Flughafen parallel zum BER weiterzubetreiben. Das Votum hat aber keine Gesetzeskraft.
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Ende März hatte der Bund noch durchgesetzt, dass Tegel offen bleibt. Die Infrastruktur sollte gerade wegen der Coronakrise flexibel verfügbar bleiben, hieß es. Bedenken hatte der Bund auch, weil das neue Regierungsterminal in Schönefeld noch nicht betriebsbereit war. In den vergangenen Tagen hatte sich aber ein Kompromiss angedeutet.
FDP zur Tegel-Schließung: "Fataler Fehler"
Die bevorstehende Schließung des Flughafens Tegel am 15. Juni wegen der Coronakrise wurde am Mittwoch von Berliner Politikern gelobt und getadelt. „Berlin braucht Tegel - mehr denn je“, erklärte FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja. „Die Abfertigungskapazitäten am BER werden nicht zuletzt auf Grund der geltenden Hygieneregeln niemals ausreichen.“ Die Schließung sei ein "fataler Fehler".
Auch nach Einschätzung des AfD-Politikers Frank-Christian Hansel wird Tegel gebraucht: „Jetzt und in Zukunft. Funktionierende Infrastruktur gibt man nicht auf.“ Klar sei: „Der Flugverkehr wird wieder auf das Vor-Corona-Niveau zurückkehren.“
[Verlust? Fehler? Chaos? Die Coronakrise beschleunigt nur, was seit 2006 besiegelt war, kommentiert Gerd Appenzeller.]
CDU-Verkehrsexperte Oliver Friederici meinte: „Wenn Tegel geschlossen werden und der BER fertig sein soll, kann der Großflughafen auch früher eröffnen. Das würde eventuelle Kapazitätsengpässe vermeiden.“
SPD: Hubschrauber der Bundesregierung "am besten sofort" verlegen
Buchstäblich nah am Thema ist der SPD-Fraktionsvize Jörg Stroedter, denn er ist zugleich Kreischef der Reinickendorfer Sozialdemokraten und Obmann seiner Partei im Untersuchungsausschuss BER II. Er hoffe, der Flughafen Tegel werde "nie wieder eröffnet werden", teilte Stroedter mit. "Die Anwohnerinnen und Anwohner haben lange genug auf die Schließung des Flughafens Tegel gewartet. Eine schnelle Schließung ist jetzt ein gutes Zeichen!" Der SPD-Politiker hielt der FDP vor, dass auch sie angesichts der Verluste der Flughafengesellschaft für die Schließung stimmen müsste.
Zugleich forderte Stroedter die Bundesregierung auf, die Hubschrauber der Flugbereitschaft "am besten sofort" zum BER zu verlegen und nicht erst 2029. Die Helikopter in Tegel dienten nur der "Bequemlichkeit" der Bundesregierung und verhinderten die volle Umsetzung des Nachnutzungskonzeptes. Dafür hat er sogar eine Online-Petition gestartet.
Freude gab es auch bei Linken und Grünen: „Endlich kommt die, hoffentlich endgültige, Entlastung der Anwohner*innen vom Fluglärm“, twitterte der Grünen-Abgeordnete Harald Moritz. Sein Linke-Kollege Carsten Schatz sprach von einer guten und vernünftigen Entscheidung. Der Linke-Bundestagsabgeordnete Stefan Liebich aus dem von Fluglärm geplagten Bezirk Pankow twitterte: „Hurra! Endlich.“(mit dpa)