Kreuzberger BVV tagte unter Polizeischutz: Flüchtlinge sollen Gerhart-Hauptmann-Schule bis Freitag verlassen
Die Bezirkspolitiker von Friedrichshain-Kreuzberg diskutierten am Mittwochabend in der BVV unter Polizeischutz über die von Flüchtlingen besetzte Gerhart-Hauptmann-Schule. Noch hitziger wurde aber ein anderes Thema debattiert. Und vor der Schule selbst kam es am späten Abend zu Auseinandersetzungen und Festnahmen.
Mannschaftswagen vorm Rathaus, in jeden Stockwerk ein Dutzend Polizisten: Wer am Mittwochabend zur Bezirksverordnetenversammlung Friedrichshain- Kreuzberg wollte, musste an den Absperrgittern vorbei, seinen Ausweis zeigen und einen Besucherausweis mitnehmen. Das Interesse an der BVV war diesmal enorm: Die Besuchertribüne war voll.
Nachdem die BVV am 24. September nach Protesten von Flüchtlings-Aktivisten vorzeitig abgebrochen werden musste, sind die Bezirkspolitiker am Mittwochabend unter Polizeischutz zusammengekommen. Doch wider Erwarten sorgte nicht die Problematik um die Gerhart-Hauptmann-Schule für die hitzigste Debatte am Abend, sondern das geschlossene Tiergehege am Viktoriapark. Zwei Dutzend Eltern und Kinder kamen, machten ihrem Unmut Luft über die „Nacht- und Nebel-Aktion“, bei der die tierischen Bewohner letzte Woche auf einen Tierhof nach Marzahn gebracht wurden. Sie hielten Schilder mit „Wir wollen die Tiere zurück“ hoch.
Tiergehege im Viktoriapark bleibt
Dem Bezirk war der Unterhalt des Geheges in der Kreuzbergstraße, in dem zuletzt noch einige Kaninchen und Ziegen lebten, zu kostspielig geworden. Finanzstadträtin Jana Borkamp sprach vor der BVV mal von 120 000, mal von 150 000 Euro, die für den Erhalt des Geheges aufgebracht werden müssten. Dabei sei der größte Posten für geschultes Personal nötig. John Dahl (SPD) warf den Grünen vor, „faktisch aus Bequemlichkeit sich einer Kreuzberger Institution zu entledigen“. Am Ende der Debatte wurde der Antrag der SPD-Fraktion „Tiergehege im Viktoriapark retten!“ einstimmig beschlossen. Danach muss das Bezirksamt nun die Tiere wieder in das Gehege zurückbringen und dieses für Besucher zugänglich machen. Außerdem soll ein langfristiges Konzept zum Erhalt des Tiergeheges erarbeitet werden.
Protest und Auseinandersetzungen vor Gerhart-Hauptmann-Schule
Während die Zahl der Flüchtlings-Unterstützer im Kreuzberger Rathaus an diesem Abend überschaubar war, gingen vor der Gerhart-Hauptmann-Schule etwa 150 Protestler zunächst friedlich auf die Straße. Sie fordern die Einrichtung eines selbstverwalteten Flüchtlingszentrum. Dem Umbau des Gebäudes durch die Flüchtlinge selbst hatte der Bezirk aber eine Absage erteilt. Statt der anfangs angedachten Eigenregie sollen nun freie Träger die Schule übernehmen und den Umbau vorfinanzieren. Im Gespräch sind die Diakonie oder der Paritätische Wohlfahrtsverband. Sie sind jedoch dazu nur bereit, wenn die Flüchtlinge vorher ausziehen. Der Bezirk hat diese aufgefordert, das Gebäude endgültig bis Freitag zu verlassen.
Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann sprach bei der Versammlung die Hoffnung aus, dass die verbliebenen 30 Flüchtlinge das Angebot von Gutscheinen für Hostels annehmen werden. Andernfalls gebe es eine klare Mehrheit dafür, ein Amtshilfeersuchen bei der Polizei zu stellen. Die Schule würde dann geräumt werden.
Nach Auflösung der Veranstaltung gegen 22 Uhr kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Kundgebungsteilnehmern und der Polizei, weil etwa 45 Aktivisten sich weigerten, den Ort zu verlassen. Den Angaben einer Polizeisprecherin zufolge gab es sechs Festnahmen, 17 Strafanzeigen wurden gestellt, unter anderem wegen Körperverletzung, Sachbeschädigung, Beleidigung und versuchter Gefangenenbefreiung. Vier der insgesamt 150 Polizisten vor Ort seien leicht verletzt worden, gegen 23.15 Uhr sei die Situation dann wieder beruhigt gewesen.