Streit um Flüchtlinge in Hauptmann-Schule: Eklat in BVV von Friedrichshain-Kreuzberg
Jetzt ist die Geduld des Bezirks am Ende: Die Flüchtlinge sollen die Gerhart-Hauptmann-Schule in Kreuzberg verlassen. Am Abend kam es deshalb zu Protesten im Bezirksparlament - die Sitzung musste abgebrochen werden.
Die Bezirksverordnetenversammlung Friedrichshain-Kreuzberg ist am Mittwochabend nach lautstarken Protesten und Beleidigungen von Flüchtlings-Unterstützern vorzeitig abgebrochen worden. Die BVV-Vorsteherin Kristine Jaath (Grüne) forderte einen der Störer auf der Zuschauertribüne auf, den Saal zu verlassen. Als dieser sich weigerte und Widerstand gegen zwei Wachschützer leistete, wurde die Sitzung zunächst unterbrochen, um das weitere Vorgehen zu beraten. Einen Polizeieinsatz lehnte der Ältestenrat ab, stattdessen wurde beschlossen, die Sitzung zu beenden. Thema der BVV war über weite Strecken der Umgang mit den Flüchtlingen in der Gerhart-Hauptmann-Schule.
Aktivisten aus dem Umfeld der Flüchtlinge hatten die Beiträge der Redner immer wieder mit Zwischenrufen unterbrochen. Stadtrat Hans Panhoff (Grüne) wurde als Lügner und "Bluthund" beschimpft, Kristine Jaath herablassend als "lächerlich" bezeichnet. Als sie den Störer daraufhin des Saales verwies, kam es zum Eklat. Zwei Wachschützer versuchten, ihn nach draußen zu zerren, lösten damit aber erhebliche Proteste der Umstehenden aus. Ein Vertreter des BVV-Vorstands beruhigte zunächst die Situation. Die Sitzung wurde für eine halbe Stunde unterbrochen. Kristine Jaath forderte den jungen Mann erneut auf, den Saal zu verlassen. Nach seiner Weigerung beendete sie sie Sitzung. "Bei einem Polizeieinsatz wäre das komplett eskaliert", sagte Jaath anschließend dem Tagesspiegel. "Ich bin ja dafür verantwortlich, dass die Verordneten hier unversehrt rausgehen können." Bei den Beleidigungen höre sie gar nicht mehr hin. "Das ist ja jedesmal so." Seit November 2013 werde die BVV regelmäßig von Flüchtlingen und ihren Unterstützern gestört und attackiert. In einem Fall sei von der Zuschauertribüne eine Holzlatte mit Nägeln auf die CDU-Fraktion geworfen worden.
Flüchtlinge sollen Gerhart-Hauptmann-Schule in Berlin-Kreuzberg verlassen
Hintergrund ist die Aufforderung an die Flüchtlinge und Unterstützer in der Gerhart-Hauptmann-Schule an der Ohlauer Straße, das Gebäude zu verlassen. Das habe ihnen das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg indirekt zu verstehen gegeben, erklärte dessen Sprecher Sascha Langenbach. Für den Auszug sei keine Frist gesetzt worden. Die verbliebenen 45 Besetzer würden jetzt mit Anwälten und Helfern beraten, wie sie auf die veränderte Haltung des Bezirks reagieren. Von ihnen gibt es bislang keine Stellungnahme.
Am Montag gab es nach Auskunft von Langenbach ein längeres Gespräch mit Vertretern der Flüchtlinge, an dem auch Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) teilnahm. Dabei sei erklärt worden, dass der Umbau des Gebäudes in ein Flüchtlingszentrum nicht in Eigenregie der Flüchtlinge erfolgen könne, wie von Baustadtrat Hans Panhoff bislang angedacht. Stattdessen sollen freie Träger die Schule übernehmen und den Umbau vorfinanzieren. Mögliche Träger wie die Diakonie oder der Paritätische Wohlfahrtsverband hätten signalisiert, dass sie dazu nur bereit wären, wenn die Flüchtlinge ausgezogen sind.
Wachleute bedroht, Türen aufgebrochen
Während des Polizeieinsatzes an der Schule im Juli hatten sich die verbliebenen Flüchtlinge erfolgreich gegen eine Räumung gewehrt, mit Drohungen, das Haus anzuzünden oder sich vom Dach zu stürzen. Der Bezirk erlaubte ihnen schließlich, in einem Nebentrakt der Schule zu bleiben, während das Gebäude saniert wird. Diese Vereinbarung gelte nicht länger, sagte Langenbach, sie sei in der vergangenen Woche von den Flüchtlingen gebrochen worden. Sie hatten nach Angaben des Bezirksamtes Wachleute bedroht und versperrte Türen aufgebrochen. Außerdem gingen bei der Polizei Anzeigen ein, die Flüchtlinge würden Stichwaffen und Benzinkanister horten.
Der Bezirk musste unter anderem wegen der Kosten für die Schule eine Haushaltssperre verhängen und freiwillige Leistungen für Jugendeinrichtungen kürzen. Allein der Wachschutz in der Schule koste jeden Monat 160 000 Euro, sagte Langenbach. Das könne so nicht weitergehen. Der Bezirk habe auch keine alternativen Unterkünfte für die Besetzer.
Kürzlich hatten die Flüchtlinge noch angekündigt, erste Projekte im Haus zu realisieren, eine Fahrradwerkstatt, ein Café, Theatergruppe und Siebdruck-Werkstatt. Die Schule in ein vom Senat finanziertes Flüchtlingsheim umzuwandeln, lehnen die Besetzer ab. „Mit der Security beginnt die Schule schon jetzt wie ein Lager zu werden. Aber wir werden hier kein Lager akzeptieren“, schreiben sie .
Laut Bezirksamt sind acht Wachschützer rund um die Uhr in der Schule. Sie sollen verhindern, dass weitere Flüchtlinge oder Unterstützer in die Schule kommen und Konflikte zwischen den Besetzern schlichten. Von den 45 Besetzern hat etwa ein Drittel eine Aufenthaltserlaubnis oder kommt aus einem anderen EU-Land, die übrigen Bewohner sind Asylbewerber aus Italien oder anderen Bundesländern, denen die Abschiebung droht. Nach eigenen Angaben haben sie schon auf dem Oranienplatz campiert und gegen die deutschen Asylgesetze demonstriert.