Ankommende Asylbewerber in Berlin: Flüchtlinge sollen doch in Turnhallen unterkommen
Viele Flüchtlingslager sind voll, nun will der Senat wieder Turnhallen nutzen. Das Land reagiert zunehmend flexibel – manche Probleme scheinen kaum lösbar.
1000 Flüchtlinge kommen derzeit jeden Tag nach Berlin – sollte sich diese Zahl stabilisieren, müsste die bisherige Prognose des Senats für 2015 deutlich nach oben korrigiert werden. Bislang lag sie bei rund 70 000 Flüchtlingen für das ganze Jahr. Wie und ob Berlin die Unterbringung dieser Menschen schaffen kann, ist unklar. Zum Glück, so hieß es beim Lageso, nähmen auch Ehrenamtliche und Verwandte Wartende vorübergehend privat bei sich auf. Der Krisenstab der Senats arbeitet jetzt 24 Stunden rund um die Uhr, selbst die Sprecherin der Sozialverwaltung, Regina Kneiding, nahm Schlafmatte und Decke mit ins Büro.
In sechs Turnhallen sollen die Flüchtlinge unterkommen
Und die Flüchtlinge? In Turnhallen, so lautet eine mögliche Antwort, könnten sie in Kürze leben. Die Senats-Gesundheitsverwaltung hat die Bezirke gebeten, geeignete Objekte zur Unterbringung von Flüchtlingen zu benennen. Darunter waren auch sechs Turnhallen, die nun wohl in wenigen Tagen belegt sein werden.. Es können aber noch durchaus mehr als sechs Hallen werden. „Niemand weiß, wie viele wir in den nächsten Wochen benötigen“, sagte der Regierende Bürgermeister Michael Müller nach der Senatssitzung. Im Zweifelsfall wird eine Halle einfach über den Kopf des betroffenen Bezirks hinweg beschlagnahmt. „Es ist aber unser Ziel, möglichst wenig Sport- oder Schulturnhallen bereitstellen zu müssen“, sagte Müller.
Toiletten und Duschen aus Polen
Angesichts der Vielzahl von Menschen hat der Senat auch beschlossen, ab sofort auf die europaweite Ausschreibung beim Kauf von Material und Ausrüstung für Flüchtlinge zu verzichten. „Damit können wir den Menschen schneller helfen“, sagte Müller. So könnten Mitarbeiter zum Beispiel Toiletten oder Duschen, die in Deutschland nicht mehr verfügbar seien, kurzerhand in Polen kaufen. Dabei gelten das Vier-Augen-Prinzip und eine Plausibilitätsprüfung.
Mitarbeiter, die sich beim Lageso unter erschwerten Bedingungen um die Flüchtlinge kümmern, werden zudem eine finanzielle Unterstützung erhalten. Angestellte 120 Euro im Monat, Beamte 250 Euro, zudem würden die Überstunden bezahlt. Das gilt sowohl für feste Lageso-Mitarbeiter als auch Mitarbeiter, die sich freiwillig und befristet für diese Arbeit gemeldet hätten. Die Situation für diese Mitarbeiter verschärft sich auch dadurch, dass jetzt nicht mehr bloß von München aus Flüchtlinge im Land verteilt werden, sondern auch aus Leipzig. „Bisher hatten wir eine Reaktionszeit von acht Stunden“, sagte Müller, „jetzt sind es nur noch drei.“
Unterkünfte für minderjährige Flüchtlinge werden gesucht
Unterdessen sucht die Berliner Jugendverwaltung intensiv nach Möglichkeiten, die weiter steigende Zahl der allein reisenden minderjährigen Flüchtlingskinder und -jugendlichen überhaupt verantwortungsvoll unterzubringen zu können.
Ein großes Problem ist es auch, die besonders schutzbedürftigen minderjährigen Flüchtlinge unterzubringen. 165 kamen im Juni in Berlin an, 326 waren es im Juli, im August schon mehr als 400 – weit mehr als 3000 wurden zuletzt für 2015 prognostiziert. Doch die Jugendverwaltung verfügt aktuell nur über ein Kontingent von 132 Erstaufnahme- und Clearingplätzen, zudem stehen derzeit 457 sozialpädagogisch betreute Unterbringungsplätze in Jugendherbergen, Bildungsstätten oder Hostels bereit. Doch gerade die Übernachtung der Jugendlichen auf eigene Faust will die Jugendverwaltung künftig eigentlich vermeiden. Zwar gehen tags ambulante Sozialarbeiter zu den Kindern und Jugendlichen, doch die besonders Schutzbedürftigen und Traumatisierten sollen so auf Dauer nicht beherbergt werden. Auch in Gemeinschaftsunterkünfte sollen die jungen Flüchtlinge nicht gebracht werden, da man niemand Fremdem die Verantwortung für die jungen Menschen einfach aufbürden kann.
Die Senatsjugendverwaltung will auch vorbeugen, dass die auf sich allein gestellten Jugendlichen von Vertretern radikalislamischer Strömungen angeworben werden.
Am Dienstag beschlossen die Bibliotheken aller Bezirke, dass Flüchtlinge ab heute in ganz Berlin Büchereiausweise beantragen können und dann kostenlos erhalten. Diese Ausweise sind drei Monate gültig. Damit erhalten die Flüchtlinge auch Zugang zu Computern.