Kinderkarneval der Kulturen: Fledermaustanz vor großem Publikum
Vor Zehntausenden Menschen werden Grundschüler aus Kreuzberg am Sonnabend im Görlitzer Park tanzen und singen. Zur Aufregung vor ihrem Auftritt beim Kinderkarneval der Kulturen gesellen sich sprühende Kreativität und jede Menge Spaß. Ein Probenbesuch.
Sevgi ist richtig kribbelig, als sie von kommendem Sonnabend spricht: „Klar haben wir alle Lampenfieber. Aber es macht so viel Spaß!“ Das zierliche Mädchen ist eines von 23 Kindern der Klasse 5a der Jens-Nydahl-Grundschule in Kreuzberg. Am Sonnabend werden sie am 19. Kinderkarneval der Kulturen teilnehmen – mit einer Street-Dance-Aufführung und einem Band-Auftritt. Seit Montag treffen sie sich täglich zum Proben im Statthaus Böcklerpark der Kreuzberger Musikalischen Aktion.
Die Aufregung der Schüler flirrt durch die Luft, als sich der Leiter des Workshops, Konstantin Lutschanski, am Donnerstag zu den Kindern in einen Kreis auf den Boden setzt. „Wir haben noch zwei Tage bis zum Auftritt. Was sind eure Ziele für heute?“, fragt er. Die Kinder wissen genau, was sie wollen: einen dritten Song dazulernen, den zweiten Tanz besser einüben.
Auftritt vor 30.000 Menschen
Schon im Januar hatten sie während einer Projektwoche eine Tanz-Performance einstudiert. Das klappte so gut, dass Lutschanski den Schülern vorschlug, beim Kinderkarneval der Kulturen aufzutreten. Die Bühne dort hat eine andere Dimension. „Im Januar waren nur unsere Eltern da. Jetzt kommen 30.000 Menschen!“, sagt Kavin ehrfürchtig. Sie ist in der neu gegründeten Rap-Gruppe. Am Montag noch haben den Rapperinnen die Ideen gefehlt, erzählt Klassenlehrerin Gisela Wilgen. „Doch am nächsten Tag kamen sie übersprudelnd vor Kreativität zum Workshop.“
Die Lehrerin ist „insgesamt dafür, viel aus der Schule rauszugehen“, wie sie sagt. Die Klasse sei in der Probewoche mehr zusammengewachsen. Das zeigt sich auch, als das Band-Team seinen dritten Song aussucht. Gemeinsam schauen sie das Video an, tanzen vor dem Bildschirm dazu, lachen, schütteln ihre Haare, stimmen einstimmig für das Lied. Als es darangeht, den Song einzustudieren, sind alle konzentriert. Lutschanski, den die Kinder nur Konstantin nennen, wie sich ohnehin hier alle duzen, zeigt einem nach dem anderen, was er zu tun hat. Eslem am Keyboard lernt ihre Akkorde schnell und wird von Bass, Schlagzeug und Gitarre begleitet. Sie begeistert es vor allem, „dass hier alle so nett sind, auch die Lehrer.“ Toll findet sie außerdem, dass die Kinder jeden Morgen im Statthaus frühstücken dürfen.
Ein Zeichen gegen Rassismus
Auch das gehört zum Konzept: ein zweites Zuhause schaffen für diejenigen, die es daheim nicht so leicht haben. Der Leiter des Statthauses, Alexander Hadlich, leitet den Kinderkarneval seit zehn Jahren. Mittlerweile ist dieser eines der größten Non-Profit-Kinderfeste in Berlin, begonnen hat er als kleines Kreuzberger Fest mit 350 Besuchern. Am Sonnabend erwartet Hadlich zehntausende Menschen im Görlitzer Park, wo nach dem Umzug ein Fest stattfinden wird.
Doch der Karneval soll nicht nur Spaß machen, sondern auch lehren: „Wir bringen Kinder verschiedener Kulturen zusammen und zeigen ihnen, dass Rassismus keinen Platz hat bei uns“, sagt Hadlich. Jährlich begleitet ein anderes Mottotier den Karneval, jedes von ihnen ist vom Aussterben bedroht. 2015 steht der Karneval unter dem Motto der Fledermaus. Hat man die in Berlin überhaupt schon mal gesehen? „Klar, im Zoo“, sagt Sevgi. Und fügt hinzu: „Die ist einfach schön!“
Auch mal Witze machen können
Während die Bandgruppe ihren neuen Song einübt, geht es bei den Tänzern rund: Die Kinder performen ihren Tanz vor einer Spiegelwand ohne Lehrerin Hannah. Drehung, Kreuzschritt, Posen – es klappt schon ziemlich gut. Die Stimmung ist locker, beim Tanzen, beim Musik machen, bei den Besprechungen. „Es macht Spaß hier, weil man mit den Lehrern auch mal Witze machen kann“, sagt Khaled, der in der Band singt. Einen Tag haben sie noch, um ihren Auftritt zu proben. Für Leiter Alexander Hadlich und sein Team geht es am Montag direkt weiter: „Nach dem Karneval ist vor dem Karneval“, sagt er. Fast ein Jahr lang bereitet er mit seinem Team jeden Karneval vor. Zum 20-jährigen Jubiläum nächstes Jahr hofft er auf Unterstützung vom Senat.