Tourismuskonzept für alten Flughafen in Berlin: Flanieren über die Hangardächer von Tempelhof
Nach dem Tempelhofer Feld soll auch der alte Flughafen in Berlin zum Anziehungspunkt für Besucher werden. Die Schilder gibt es schon. Bis 2020 will der Senat 20 Millionen Euro für das Konzept ausgeben.
Das Tempelhofer Flughafengebäude, „Europas größtes Baudenkmal“, soll ein zentraler touristischer Anlaufpunkt der Stadt werden. Wie der Fernsehturm, die East Side Gallery oder das Tempelhofer Feld nebenan. Bis 2020 will der Senat eine begehbare Geschichtsmeile auf dem Flughafendach, ein Besucherzentrum im ehemaligen Offiziershotel und gastronomische Angebote realisieren. Außerdem setzt man auf das geplante Alliiertenmuseum im Hangar 7, das hängt allerdings vom Bund ab.
Der Senat stellt für das Projekt insgesamt 20 Millionen Euro bereit. Staatssekretär Henner Bunde (CDU) übergab den ersten Teil dieser GRW-Mittel, also Fördergelder für die regionale Wirtschaft, am Freitag auf der neuen Besucherterrasse über den Hangardächern der Tempelhof Projekt GmbH.
45.000 Besucher nehmen jährlich an Führungen teil
Bislang kann das Flughafengebäude nur auf geführten Touren besichtigt werden. Die erfolgreichste Führung „Mythos Tempelhof“ findet zehn Mal in der Woche statt und dauert zwei Stunden. Auf Platz zwei liegt „Verborgene Orte“, die in die Katakomben führt, mit vier Terminen wöchentlich. 45.000 Besucher nehmen jedes Jahr daran teil, Tendenz steigend. Ein Gutachten schätzt das touristische Potenzial des Gebäudes auf mindestens eine halbe Million Besucher im Jahr.
Zum Auftakt der touristischen Erschließung soll für rund 880.000 Euro ein Wegeleitsystem realisiert werden. 177 Schilder werden auf dem riesigen Gelände verteilt, damit sich die Besucher besser orientieren können. Statt „Bauteil B, Ebene 7“ heißt es dann „Flügel 2“ oder „Kopfbau Ost“. Entwickelt wurde das Leitsystem von der Berliner Designfirma Moniteurs, die auch die Hinweisschilder am BER entworfen hat. Die ersten Prototypen sollen jetzt in Auftrag gegeben werden, im nächsten Jahr werden die in Blau und Grau gestalteten Wegweiser aufgestellt.
Im März wurde über dem zentralen Gebäudeteil eine Aussichtsterrasse eröffnet, 110 Quadratmeter klein. Sie bietet einen grandiosen Blick über das ehemalige Flugfeld und die im Westen anschließende Fliegersiedlung. Ein Fahrstuhl für maximal 25 Personen führt direkt hinauf.
Erbaut wurde die Dachterrasse für 80.000 Menschen
Diese neu geschaffene, nur bei Führungen nutzbare Infrastruktur bleibt weit hinter den historischen Planungen zurück. Erbaut wurde die Dachterrasse einst für rund 80.000 Menschen, die Flugvorführungen und Paraden bestaunen sollten. Über 13 Treppentürme sollten die Zuschauer aufs Dach kommen, auf dem Tribünen vorgesehen waren. Die Treppenhäuser blieben im Rohzustand, wurden nie fertig gebaut. Die Statik der Dachkonstruktion sei aber nicht überall ausreichend, sagt Gabriele Kaupmann von Tempelhof Projekt. Über Hangar 7 werde nur ein Fünftel der nötigen Traglast erreicht. Die Ursache dafür sei noch unklar. Offenbar hatten die Baumeister der NS-Zeit doch nicht immer 1000 Jahre im Blick.
Die Aussichtsterrasse soll später durch eine „Geschichtsgalerie“ im Laubengang der Hangardächer ergänzt werden. Der gemauerte Laubengang bildet den oberen Dachabschluss und erstreckt sich über 1,2 Kilometer, also fast die gesamte Länge des Gebäudes. Um den Laubengang zu erreichen, müssten zumindest die beiden Treppenhäuser in den Kopfbauten hergerichtet werden.
Besucherzentrum in einer Army-Bar
Ganz weit oben auf der Prioritätenliste steht auch ein Besucherzentrum, das in einer Bar im ehemaligen Offiziershotel der US-Army geplant ist. Dort sollen die Führungen künftig starten und Informationen zum Flughafen gebündelt werden. Ein Shop mit Souvenirs und Postkarten würde sich anbieten, vielleicht ein Café oder Restaurant im ehemaligen Speisesaal. Das Hotelgebäude insgesamt soll von einem privaten Investor saniert und an Startup-Unternehmer vermietet werden. Bis zum Krieg residierte hier die Lufthansa.
Hangars und Abflughalle sind wichtige Eventflächen, die viele Besucher anziehen. Das Veranstaltungsgeschäft laufe auch nach der Insolvenz der Modemesse Bread & Butter gut, sagt Tempelhof-Manager Pascal Thirion. In diesem Jahr sei man bei Großveranstaltungen ausgebucht. Zum Elektroautorennen Formel E kamen im Mai 21.000 Besucher. Im September werden rund 50.000 Besucher beim Lollapalooza-Festival erwartet, das erstmal in Berlin gastiert. Bands wie Muse und Beatsteaks haben sich angekündigt.
Das Eventgeschäft leide unter der laufenden Dachsanierung, sagt Thirion. Die 60.000 Quadratmeter Dachpappe werden seit drei Jahren in Etappen erneuert, nächstes Jahr will man fertig sein. Auch die technische Ertüchtigung der Hangars müsse bei laufendem Betrieb gestemmt werden. Der Sanierungsbedarf für das Gebäude wird auf rund 200 Millionen Euro kalkuliert. Baustellentouristen bekommen hier viel zu sehen.