Prozess in Berlin: Feuerangriff auf Obdachlosen - Haupttäter zu Haft verurteilt
Im Dezember hatten junge Männer in einem Berliner U-Bahnhof Feuer an einem Obdachlosen angezündet. Der Haupttäter bekommt nun zwei Jahre und neun Monate Haft - aber nicht wegen versuchten Mordes.
Einer der jungen Männer lächelt kurz, andere wirken gelassen, einer blickte betreten zu Boden: Nur einer der sechs Angeklagten im Prozess um die Feuerattacke in einem U-Bahnhof erhielt eine Gefängnisstrafe – entgegen der Anklage aber nicht wegen versuchten Mordes. Nour N. wurde wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung zu zwei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt. Er hatte ein Taschentuch angezündet und neben den Kopf des auf einer Bank Schlafenden gelegt. „Eine sehr gefährliche, bösartige Tat“, sagte Richterin Regina Alex. „Das Opfer war eines der schwächsten Mitglieder der Gesellschaft.“
Gegen drei 17- und 18-Jährige verhängten das Jugendgericht jeweils acht Monate Haft auf Bewährung. Sie hätten psychische Beihilfe geleistet. „Ohne Zuschauer hätte Nour N. sein Vorhaben nicht weiter verfolgt“, so die Richterin. Mohammad M., Khaled A. und Ayman S. hätten ihm das Gefühl gegeben, sein Verhalten sei in Ordnung ist.
Berichte von Psychiatern lieferten neue Erkenntnisse über die Angeklagten
Auf den Videos aus Kameras auf dem Bahnhof – Hauptbeweismittel im Prozess - sei bei ihnen kein distanzierendes Verhalten, „keinerlei Abscheu, Erschrecken zu erkennen“. Die Angeklagten M., A. und S. sollen zudem 60 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten – „sie sollen begreifen, dass sie sich falsch verhalten haben“.
Zwei weitere Angeklagte, 16 und 19 Jahre alt, wurden der unterlassenen Hilfeleistung schuldig gesprochen. Je vier Wochen Dauerarrest verhängte das Gericht, der durch die fünfeinhalb Monate Untersuchungshaft aber bereits verbüßt ist.
Auf versuchten Mord und Beihilfe dazu hatte dagegen der Ankläger plädiert und für den Haupttäter vier Jahre Gefängnis gefordert. Das Gericht habe die Anklage mit diesem Vorwurf nach Aktenlage zugelassen, hieß es weiter im Urteil. Nach achttägiger Verhandlung sei die Strafkammer jedoch zu einer anderen Wertung gekommen. Durch ausführliche Berichte von Mitarbeitern der Jugendgerichtshilfe und Psychiatern sei man zu neuen Erkenntnissen über die Angeklagten gelangt.
In der Weihnachtsnacht 2016 waren die jungen Flüchtlinge, die zwischen 2014 und 2016 aus Syrien und Libyen nach Deutschland gekommen waren, als Gruppe unterwegs. Auf dem U-Bahnhof Schönleinstraße war es Nour N., der ein Feuerzeug nahm und ein Taschentuch anzündete. Er legte es dicht neben den Kopf eines Mannes, der auf einer Bank lag und fest schlief. Die Flammen drohten auf den 37-jährigen Maciej B. überzugreifen. Während sich die jungen Männer ihre Kapuzen überzogen und scheinbar amüsiert in die nächste Bahn sprangen, retteten andere Fahrgäste den Obdachlosen.
Gruppendynamik habe eine Rolle gespielt
Gab es einen Tötungsvorsatz? Es war die Kernfrage. Dabei kommt es nicht darauf an, was hätte passieren können, sondern was in den Köpfen der Angeklagten vor sich ging. Die Richter kamen zu dem Schluss: „Sie haben sich gelangweilt, dagegen sollte etwas passieren.“ Nicht aggressiv seien sie auf dem Bahnhof aufgekreuzt. Minutenlang habe sich keiner aus der Gruppe um den Schlafenden geschert.
N. spielte sich als „großer Macher, als Alleinunterhalter auf“. Er, der sich im Prozess auf Drogen und Alkohol berufen hatte, handelte aus Sicht der Richter mit Verletzungswillen –„jeder weiß um die Gefährlichkeit von Feuer“. Bei der Tat habe Gruppendynamik eine Rolle gespielt. N. habe sich hervortun wollen.
Der Anwalt von N. hatte lediglich eine versuchte einfache Körperverletzung gesehen und wollte eine Bewährungsstrafe. N. habe gezündelt, aber keine Lebensgefahr verursacht - „eine unmögliche Idee, es sollte ein Streich sein, es war nicht witzig.“ Dämlichkeit sei im Spiel gewesen. Ein anderer Anwalt sagte für einen 16-Jährigen: „Kurz gegafft und sich entfernt.“ Die Staatsanwaltschaft will Revision prüfen.
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