zum Hauptinhalt
Pack die Aluhüte ein. Ende Juni gibt es auf dem früheren Militärflugplatz ein Festival, zu dem sich auch Vertreter der Chemtrail-Theorie angesagt haben.
© Frank Rumpenhorst/dpa

Umstrittenes Festival in Brandenburg: Feiern mit Verschwörungstheoretikern

Das „Pax Terra Musica“ soll ein Fest für den Frieden sein. Doch unter den Teilnehmern finden sich Israel-Hasser, esoterische Hetzer und Anhänger von Verschwörungstheorien.

Es soll ein großes Fest für den Frieden werden. Ein Zeichen der Toleranz und Menschlichkeit. Quasi ein „Woodstock 2.0“. Wenn es nach den Veranstaltern des Festivals „Pax Terra Musica“ geht, sollen Ende Juni viele tausend Friedensbewegte aus ganz Deutschland in den Süden Brandenburgs reisen, um sich dort gemeinsam auf einem stillgelegten Flughafen in Niedergörsdorf für eine bessere Welt ohne Kriege einzusetzen. Klingt unterstützenswert. Bis man sich anschaut, wer dort eingeladen ist und wie deren bessere Welt aussehen soll.

Unter den Gruppen, denen das „Pax Terra Musica“ eine Plattform bietet, finden sich etliche Mitglieder einer deutschlandweiten Szene, in der sich Verschwörungstheoretiker, esoterische Hetzer und Israel-Hasser tummeln. Wer sich durch die Internetseiten fest eingeplanter Aussteller klickt, erfährt scheinbar Unglaubliches: etwa dass Regierungen das Wetter manipulieren können, um damit feindliche Länder zu überschwemmen. Oder dass der deutsche Staat den Terroranschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz inszeniert habe, um die Bevölkerung für höhere Militärausgaben und Auslandseinsätze der Bundeswehr zu begeistern. Oder dass die meisten Kriege in der Welt auf einen perfiden, streng geheimen Plan der jüdischen Familie Rothschild zurückgehen.

Glaube an ein Rothschild-Komplott

Zu den Ausstellern des Festivals gehört zum Beispiel die Partei „Deutsche Mitte“. Deren Chef Christoph Hörstel glaubt, die Bundesregierung habe zusammen mit geheimen Mächten gezielt die Flüchtlingskrise des Jahres 2015 vorbereitet, um Deutschland „kaputtzumachen“ und einen Bürgerkrieg zu starten. Unter den Flüchtlingen befänden sich „30.000 Terroristen, Häuserkämpfer und Mörder“. Auch Hörstel vermutet, die jüdische Familie Rothschild sei Teil eines weltweiten Komplotts. Den Staat Israel möchte er abschaffen.

Außerdem hatte der ehemalige ARD-Journalist Kontakt zu einer Sekte, die den Holocaust als Strafe Gottes gegen die Juden begreift und Adolf Hitler als Gottes Werkzeug. Dass die Bundeskanzlerin eine „Israel-Komplizenpolitik“ betreibe, liege an ihrer bis jetzt geheim gehaltenen Herkunft: „Vorfahren von Frau Merkel saßen offenbar in Auschwitz.“

Ein anderer Aussteller des Festivals ist die Leipziger Filmproduktionsfirma „Nuoviso.tv“, die in ihren Sendungen wiederholt Islamfeinden ein Forum bot. Der Betreiber von „Nuoviso.tv“ bewirbt auf seiner Homepage das Buch eines Verschwörungstheoretikers, den das Bundesamt für Verfassungsschutz als „rechtsextremistischen Esoteriker“ bezeichnete.

Der Veranstalter des „Pax Terra Musica“ möchte sich zu den Vorwürfen nicht öffentlich äußern. Allerdings ist Malte Klingauf selbst kein Unbekannter in der Szene. Der Elektrotechniker aus Falkensee moderierte früher die sogenannten „Mahnwachen für den ersten Weltfrieden“ am Brandenburger Tor, an denen sich immer wieder Reichsbürger und Verschwörungstheoretiker beteiligten. Klingauf sagt, beim „Pax Terra Musica“ werde er „erst mal keinen Besucher ausschließen“. Das gelte auch für „bekannte Gesichter, die als ,rechts‘ gelten“.

Neben Vorträgen und Diskussionsrunden sind für das Wochenende eine Menge Konzerte geplant. Mehrere Bands haben ihre Teilnahme jedoch abgesagt, nachdem sie erfuhren, in welchem Umfeld sie auftreten sollten. Weiter dabei ist der Rapper Dennis Schoolmann alias Denzko. Der 34-Jährige ist Anhänger der sogenannten Chemtrail-Theorie, wonach Kondensstreifen, am Himmel von Flugzeugen hinterlassen, giftige Chemikalien enthalten. Diese würden im Regierungsauftrag versprüht, um die Weltbevölkerung zu reduzieren. Außerdem rappt Dennis Schoolmann davon, dass „die fucking BRD kein Staat“ sei. Er hält sie für eine Firma. Genau so argumentieren die Anhänger der Reichsbürgerbewegung.

Der ehemalige Militärflughafen, auf dem das „Pax Terra Musica“ stattfinden soll, wurde in der Vergangenheit schon mehrfach für Großveranstaltungen genutzt. Unter anderem gab es hier Motorradtreffen und ein Electro-Festival. Bei der Gemeindeverwaltung Niedergörsdorf heißt es, das nun geplante Friedensfest stelle kein Problem dar. Man habe sich nicht weiter mit dem Programm befasst, da es von polizeilicher Seite keine Einwände gegeben habe. Zudem hätten die Veranstalter im direkten Gespräch versichert, sie seien unproblematisch.

Das Zeichen des Teufels in der URL

Auf Außenstehende wirken die Verschwörungstheorien mancher Festival- Teilnehmer unfreiwillig komisch. Kann das wirklich einer glauben? Erich Hambach, einer der prominenteren Redner des „Pax Terra Musica“, nennt sich selbst „Querdenker, Finanzexperte und Wahrheitsforscher“. Er ist überzeugt davon, das Internet-Kürzel „www“ sei ein versteckter Code und stehe in Wahrheit für „666“, also das Zeichen des Teufels. Die Zahl „666“ finde sich aber auch im Logo des Browsers „Google Chrome“ wieder.

Hambach glaubt, dass die Menschen nachts ihre Wlan-Router ausschalten müssen und dass alle Menschen Krebs bekommen, wenn sie nicht bald ihr Smartphone-Verhalten ändern. Er glaubt, dass man Schwerstkranke durch Musik heilen könnte, aber auch einfach durch innere Überzeugung. Der Staat begrüße die Rechtschreibreform sowie die Übernahme von Fremdwörtern in die deutsche Sprache, damit Kindern in der Schule „die Lerninhalte der Industrie besser eingetrichtert werden können“.

Die Veranstalter versprechen, das „Pax Terra Musica“ werde das größte Vernetzungstreffen der deutschen Friedensbewegung. In Zukunft soll das Festival jährlich stattfinden –  und sich schon 2018 zu einer „europaweiten Veranstaltung“ ausweiten. Zu den Unterstützern dieses Plans gehört auch der ehemalige RBB- Moderator Ken Jebsen. Seine umstrittene Internetplattform „Ken.FM“ wird ebenfalls bei „Pax Terra Musica“ vertreten sein. Auf ihr hat Jebsen neulich für das Friedensfest geworben. Er sagte, in Niedergörsdorf würden sicher viele „coole Ideen“ entstehen. Den Veranstalter Malte Klingauf lobt er als „Macher“ – und hofft auf 5000 Festival-Besucher. Es sei Zeit, aktiv zu werden.

Jebsen bestreitet, Antisemit zu sein. Seine Überzeugung, die Mächtigen der USA würden von Menschen mit jüdischen Wurzeln gesteuert, deren Ziel die „Schaffung eines israelischen Großreichs“ sei, hält er nicht für judenfeindlich. Jebsen behauptete, Zionisten kontrollierten die UN, den Internationalen Währungsfonds und die Atomenergiebehörde. Israel begehe seit 40 Jahren Völkermord. Das Ziel sei nichts weniger als die „Endlösung“, nämlich das Ausrotten aller Palästinenser in Palästina. In einem aktuellen Video vermutet Jebsen, die Proteste des sogenannten Womens March seien vom jüdischen Investor George Soros gelenkt worden. Der erhoffe sich eine Zunahme an Abtreibungen, damit er am Verkauf toter Embryonen an die Pharmaindustrie verdiene.

Sind solche Behauptungen mit den Zielen eines Friedensfests vereinbar? Gegenüber dem Tagesspiegel will sich der Veranstalter des „Pax Terra Musica“ nicht zu Jebsens Sätzen äußern.

Sebastian Leber

Zur Startseite