Berliner Senat: Feierabend um 14 Uhr
In einigen Verwaltungen können Mitarbeiter früher Feierabend machen. Nicht alle müssen die Stunden nacharbeiten. Kritik kommt aus den Bezirken.
Wie sollen Arbeitgeber mit der Hitze umgehen? Sollen sie ihre Mitarbeiter nach Hause schicken? Bezahlt oder unbezahlt, Homeoffice oder Hitzefrei? In der Berliner Verwaltung regelt das jeder Senator als Dienstherr nach seinem Gutdünken. Und so haben die Mitarbeiter der Senatsverwaltung für Kultur von Senator Klaus Lederer (Linke) wohl das größte Glück – sie dürfen schon seit der letzten Juli-Woche nach Rücksprache mit der Leitung früher nach Hause gehen, wenn es am Arbeitsplatz zu heiß wird –, ohne dass ihnen Minusstunden auf ihrem Gleitzeitkonto abgezogen werden. In der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung von Katrin Lompscher (Linke), wurden in der vergangenen Woche die Kernarbeitszeiten aufgehoben und die Mitarbeiter konnten von zu Hause aus arbeiten – ab dem heutigen Dienstag bis Donnerstag aber gilt, dass jeder, der möchte ab 14 Uhr nach Hause gehen kann und trotzdem für den vollen Arbeitstag bezahlt wird.
Den Vorwurf der Verschwendung von Steuergeldern sieht die Sprecherin der Stadtentwicklungsverwaltung nicht: „Zur Sicherung der weiteren Arbeitsfähigkeit ist das jetzt genau die richtige Entscheidung“, sagt sie. Teilweise habe man in dem sanierungsbedürftigen 60er-Jahre-Bau in Wilmersdorf 32 Grad Celsius gemessen. Jalousien seien defekt, Klimatisierung gebe es nicht.
Auch am Dienstsitz der Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) wurden in der vergangenen Woche Temperaturen von 30 Grad und mehr gemessen. Pop hatte ihre Mitarbeiter in der vergangenen Woche frühzeitig nach Hause geschickt – wie auch Gesundheitssenatorin Dilek Kolat (SPD) und die Senatorin für Arbeit und Soziales Elke Breitenbach (Linke). Da der Senat keine einheitliche Regelung hat, handhaben diese drei es nun aber wieder genau andersherum: Vergangene Woche mussten die Mitarbeiter trotz Hitzefrei nicht an ihr Gleitzeitguthaben heran – ab dieser Woche dürfen sie zwar um 14 Uhr gehen, müssen die Stunden aber später nacharbeiten.
Erst ab über 35 Grad sind Räume nicht mehr als Arbeitsraum geeignet
Stephan von Dassel (Grüne), Bürgermeister im Bezirk Mitte, findet die Regelung, Mitarbeiter ohne Minusstunden nach Hause zu schicken befremdlich. „Ich sehe keine Rechtsgrundlage dafür und werde das Thema der Ungleichbehandlung zwischen Landesebene und Bezirksebene im nächsten Rat der Bürgermeister ansprechen“, sagte er dem Tagesspiegel. Laut Regelung in der Arbeitsstättenverordnung sind Räume erst ab einer Temperatur von über 35 Grad nicht mehr als Arbeitsräume geeignet. Ohne Ausweichraum müssten die Mitarbeiter nach Hause geschickt werden – da die Ursache beim Arbeitgeber liegt, ginge das nicht zulasten des Stundenkontos.
In vielen Bezirken wurden bei der Hitze zwar die Kernarbeitszeiten ausgesetzt, so dass Mitarbeiter schon früher anfangen und so auch früher nach Hause gehen konnten. Frühzeitig quittierte Dienste aber müssen später nachgeholt werden. Das bestätigten die Bezirke Friedrichshain-Kreuzberg, Pankow, Steglitz-Zehlendorf, Marzahn-Hellersdorf, Spandau und Treptow-Köpenick. Bezirksmitarbeiter in Mitte dürfen bei der Hitze schon so früh mit der Arbeit beginnen, wie sie wollen. „Aber natürlich muss man auf seine Stunden kommen oder kann Überstunden abbummeln“, sagt von Dassel. Eine Stechuhr gibt es in den Bezirksverwaltungen nicht.
Bei Polizei und Feuerwehr kann auch niemand den Dienst verkürzen
So wie die Bezirke handhaben es auch die Senatskanzlei und die Senatsverwaltungen für Finanzen, für Justiz, für Verkehr und Umwelt sowie die Innenverwaltung: Kürzer arbeiten ja, aber nur zulasten des Gleitzeitkontos. In einem Schreiben an die Mitarbeiter der Senatsinnenverwaltung bat Staatssekretärin Sabine Smentek dafür um Verständnis: „Mit Blick auf die publikumsbetreuenden Bereiche und Vollzugsdienste in unseren nachgeordneten Dienststellen halte ich ein ,Hitzefrei‘ für die Senatsverwaltung für Inneres und Sport nicht für sachgerecht“, schreibt sie. Es sei ein „Fairness“- Gedanke, heißt es aus der Innenverwaltung. Denn bei der Polizei und Feuerwehr könnte auch niemand den Dienst verkürzen. Hier muss man sich anders helfen. Mit ausreichend Mineralwasser etwa. Und das Tragen der Arbeitsschutzkleidung werde so „gecoacht“, dass es zu einer „Marscherleichterung“ kommt, sagte der Sprecher der Berliner Feuerwehr.
Hitze und Arbeitsrecht
WAS IST ERLAUBT?
Wenn es heiß ist und die Konzentration nachlässt, müssen Arbeitnehmer extrem heiße Temperaturen nicht einfach hinnehmen. Laut Arbeitsstättenverordnung ist der Arbeitgeber verpflichtet, für „gesundheitlich zuträgliche“ Raumtemperaturen sowie den Schutz gegen übermäßige Sonneneinstrahlung zu sorgen. „Einen direkten Rechtsanspruch auf Hitzefrei gibt es nicht“, sagt Kersten Bux von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin. Das gelte auch für Arbeiter auf Baustellen, die der Sonne ausgesetzt sind.
UND WIE MACHEN ES DIE UNTERNEHMEN?
Berliner Unternehmen gehen unterschiedlich mit der Hitze um. Die Filialen der Berliner Sparkasse seien klimatisiert, gab ein Sprecher an. Vereinzelt sei mit Ventilatoren und Kühlgeräten nachgerüstet worden. Viele Mitarbeiter machten von ihrer flexiblen Arbeitszeit Gebrauch. Auch bei der BVG und der BSR können die Angestellten in der Verwaltung die – auch unabhängig von den Temperaturen bestehenden – Gleitzeitregelungen nutzen, um der größten Hitzewelle im Büro zu entkommen. Generell haben Mitarbeiter mit einer Schwerbehinderung Anspruch auf Arbeitsbefreiung ohne Gehaltseinbußen. Für die Fahrer der BVG sowie die Mitarbeiter in den Werkstätten gibt es laut Sprecher Markus Falkner weder zusätzliche Pausen noch Arbeitszeitverkürzungen: „Wir können nicht den Verkehr einstellen.“ Auch die BSR lässt die Menschen nicht auf ihrem Müll sitzen und ist trotz der hohen Temperaturen im Einsatz. Allerdings könnten die Mitarbeiter selbstständig ihre Pausen regeln und seien zudem mit Kopf- und Nackenschutz sowie Sonnencreme ausgestattet.