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„Mit Marx baut man keine Wohnungen, mit Kapital schon“, FDP-Generalsekretär Sebastian Czaja hält nichts von Enteignungen.
© Christoph Soeder/dpa
Update

Landesparteitag der Liberalen: FDP will Anti-Chaos-Kommission in Berlin

Generalsekretär Sebastian Czaja fordert eine funktionierende Verwaltung. Die Delegierten lehnen Amtszeitbegrenzung und Absenkung des Wahlalters ab.

Ganz so reibungslos ging der Leitantrag des Landesvorstands auf dem Berliner FDP-Parteitag im Hotel Ellington nicht durch. Nach einer längeren Diskussion lehnten die Delegierten eine Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre auch für die Abgeordnetenhauswahl mehrheitlich ab. Rund 150 Delegierte stimmten dagegen, 123 dafür. Stattdessen soll jetzt das Wahlverhalten von 16- bis 18-Jährigen „erforscht“ werden, um eine mögliche Absenkung des Wahlalters bessert bewerten zu können. Der Landesvorstand hatte im Antrag die zwei Optionen zur Auswahl gestellt.

Der Berliner Landeschef der Jungen Liberalen, David Jahn, plädierte für eine klare Absenkung des Wahlalters. „Wir sehen doch bei den Kommunalwahlen in Berlin und anderen Bundesländern, dass das Wahlalter ab 16 für die Entwicklung der Demokratie förderlich ist. Junge Menschen sind ab 16 schon mündig und sollen wählen können“, sagte Jahn dem Tagesspiegel.

Die Julis haben in Berlin 461 Mitglieder, die Berliner FDP hat 3344 Mitglieder. In seiner Rede fragte er, warum man die Gruppe der jungen Leute von den Wahlen ausschließen sollte. Niemand werde dazu gezwungen, mit 16 Jahren zu wählen. „Aber diejenigen, die eine Meinung haben, sollen sich auch in die politische Debatte einbringen können.“ Die Gegner einer Absenkung des Wahlalters betonten, dass man auch mit 16 noch nicht volljährig und nicht geschäftsfähig sei. Warum solle man das Wahlalter auch auf 16 senken.

Die Delegierten lehnten Begrenzung der Amtszeiten ab

Nach einer kontroversen Diskussion beschlossen die Delegierten den Absatz über die Begrenzung von Amtszeiten aus dem Leitantrag, der vom Landesvorstand eingebracht wurde, zu streichen. Im Endeffekt hat die Parteibasis die FDP-Führung vor einer Blamage bewahrt: Die Partei lehnte erst am Freitagabend eine Quotierung als Eingriff in die Wahlfreiheit ab.

Die Begrenzung der Amtszeit könnte juristisch auch als Eingriff in die Wahlfreiheit bewertet werden. Das war das Hauptargument der Redner. Und es habe in Berlin noch kein Problem mit zu langen Amtszeiten gegeben. Die Parteien würden schon selbst dafür sorgen, dass diejenigen, die schlechte Politik machten, auch nicht mehr länger in der Regierung oder Amt blieben.

Der Landesvorstand wollte die Amtszeit von Senatsmitgliedern auf zwei Legislaturperioden begrenzen. Nur der Regierende Bürgermeister hätte sein Amt zwei weitere Legislaturperioden ausüben dürfen. Die Parlamentarier im Abgeordnetenhaus und in den Bezirksverordnetenversammlungen hätten ebenfalls maximal vier Legislaturperioden ihr Amt ausüben dürfen. Nicht strittig ist in der FDP die Begrenzung auf 130 Sitze im Abgeordnetenhaus und die Einführung eines Vollzeitparlaments, wie es der Leitantrag vorsieht. Derzeit gibt es 160 Abgeordnete, die in einem Teilzeitparlament arbeiten.

FDP-Generalsekretär und Fraktionschef Sebastian Czaja startete seine Rede um 11.30 Uhr mit einem Einspielfilm, der den Titel „Los gehts“ trug. Die „Linkskoalition“ in Berlin sei ein „Bündnis der Ängstlichen“, von dem sich manch ein Koalitionär wohl „baldige Erlösung“ erhoffe, sagte Czaja. Monatlich kassiere die Koalition eigene Wohnungsbauziele, oder der Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz müsse eingeklagt werden. Stattdessen spreche man lieber über „Knast-Tablets, mehr offenen Vollzug oder Ferkel-Kastration“.

Eine "Sprache der Freiheit" soll Rot-Rot-Grün entgegengesetzt werden

Czaja machte einen kritischen Rundumschlag und endete beim Volksentscheid zur Offenhaltung von Tegel, der ein unmissverständlicher Auftrag sei. „Berlin braucht Tegel“, rief Czaja und erntete viel Applaus der Delegierten. Der Senat müsse von seinem Anti-TXL-Kurs sofort umkehren. Die FDP will laut Czaja der gegenwärtigen Landespolitik eine „Sprache der Freiheit“ entgegensetzen.

Stichwort Bildung: Die FDP will eine landeseigene Infrastrukturgesellschaft „Schule“, die sich einzig und allein auf Sanierung und Neubau von Schulen konzentrieren soll. Stichwort „Kiezkultur“: Czaja forderte eine unternehmerfreundliche Wirtschaftspolitik, die auf Innovationen setze, und ein „Investitionsklimaschutzgesetz“ als Bekenntnis zu Ansiedlung und Digitalisierung. In Kreuzberg habe so mancher den Sinn von Ansiedlung nicht verstanden. Das bezog Czaja auf die gescheiterte Ansiedlung eines „Google-Campus“. Zum Glück komme Siemens immerhin nach Spandau. 

Czaja forderte eine „Anti-Chaos-Kommission“, die die Verwaltung grundlegend auf Zukunft trimmen solle. Und für die Zukunft der Mobilität seien Fahrverbote „nichts anderes als eine Kapitulation und das Eingeständnis der politischen Ideenlosigkeit“. Alle Straßen in Berlin sollten einem „Mobilitäts-Scan“ unterzogen werden, um Zustand, Sicherheit, Barrierefreiheit und Platz für Verkehrsteilnehmer zu ermitteln.

Und Berlin brauche Mobilitätsangebote für die wachsenden Außenbezirke. Der BerlKönig, das Rufbus-System der BVG, werde mal wieder nur in einem kleinen Teil der Innenstadt getestet. Und Berlin brauche auch keine eigens geschützten Radfahrstreifen auf Hauptstraßen, „wenn der Bürgersteig über zehn Meter breit ist“. 

„Mit Marx baut man keine Wohnungen, mit Kapital schon“

In der Wohnungspolitik forderte Czaja eine Neubau-Offensive statt eine Enteignungsdebatte. Zu einer innovativen Baukultur zählte Czaja die Umwidmung von ausgedienten Einkaufszentren, alten Parkhäusern oder Supermärkten, die überbaut werden könnten. An die Adresse der Linken gerichtet, sagte er: „Mit Marx baut man keine Wohnungen, mit Kapital schon.“ 

Die FDP diskutierte am Samstag auch über einen Juli-Antrag zur Verkehrspolitik, der am Nachmittag angenommen wurde. Darin werden der Ausbau der U- und S-Bahnlinien gefordert. Mittelfristig sei der Ausbau der U1, U2, U3, U5, U6, U7 und U8 erstrebenswert, langfristig der Ausbau der U9 und der Neubau der U10 und U11. Die S-Bahn soll von Spandau nach Falkensee verlängert werden und der Bau der S21 nicht nur bis zum Hauptbahnhof, sondern über den Potsdamer Platz bis zum Südkreuz geplant werden. Beim Fernverkehr soll die Aufnahme des Flughafens Schönefeld in die Tarifzone B beschlossen, in den Randbezirken sollen die Park & Ride-Angebote erweitert werden.  

Die Liberalen sprechen sich gegen Dieselfahrverbote aus

Die Julis sprechen sich für den Ausbau des Radverkehrs aus. In der Innenstadt sollen mehr Nebenstraßen zu Radstraßen umgewidmet werden. Das Auto wird als „wichtiger Teil des Verkehrsmixes“ gesehen. Der Autoverkehr dürfe „nicht aus ideologischen Gründen künstlich unattraktiver gemacht werden“, steht in dem Antrag. Gleichwohl sehen die Liberalen aber die Neuverteilung des Straßenraums als unvermeidbar. Die „Sharing Economy“, als Car-, Roller-, Bike-Sharing soll ausgebaut werden.

Die Julis wollen den Ausbau der A 100 „forcieren“. Auf der A 100 soll die Höchstgeschwindigkeit auf 100 km/h, auf der Avus auf 120 km/h angehoben werden. Die Liberalen sprechen sich gegen ein Dieselfahrverbot in Berlin aus, um Autofahrer „nicht unnötig zu belasten“. Die Einführung der Tempo-30-Zonen zum Zweck der „vermeintlichen Luftreinhaltung“ lehnen die Liberalen ab. Und sie wenden sich gegen eine „pauschale Absenkung“ des Tempolimits von 50 auf 30 km/h. Eine Erhöhung des Tempolimits auf 60 km/h soll „nicht von vornherein“ ausgeschlossen werden.

Die FDP hatte sich am späten Freitagabend für einen frauenpolitischen Antrag ausgesprochen und gegen ein vor Rot-Rot-Grün geplantes Paritégesetz. „Keine Quotierung bei öffentlichen Wahlen“ lautete der Antrag, der sich gegen jegliche Quotierung nach Herkunft, Geschlecht, Alter oder anderen Eigenschaften wendet.

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