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In Berlins Zentrum leben überwiegend Singles und Geschiedene.
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Städtereport: Familien und Alte überlassen das Zentrum den Singles

Von Rummelsburg über Mitte bis nach Gatow: Eine neue Studie analysiert die genaue Bevölkerungsstruktur aller 96 Ortsteile und räumt mit gängigen Klischees auf.

Berlin hat 3,4 Millionen Einwohner – und es werden langsam immer mehr. Dieser Trend, ergänzt durch die viel beschworene „Gentrification“, löst zahllose Umzüge auch innerhalb der Stadt aus und wirbelt die Sozialstruktur Berlins durcheinander. Eine aktuelle Bestandsaufnahme wird jetzt von der Comdirect-Bank vorgelegt, die im September das demografische Wohn- und Lebensumfeld der Berliner auf der Basis verschiedener statistischer Daten für sämtliche 96 Ortsteile untersucht hat.

Daraus ergeben sich instruktive Aussagen wie beispielsweise jene, dass die höchsten Kinderanteile (bis 18 Jahre) an der Bevölkerung keineswegs unter den viel beschworenen Bionade-Bürgern rund um den Kollwitzplatz zu finden sind, sondern draußen in Gatow (22,2 Prozent), dem Märkischen Viertel (21,9 Prozent) und Dahlem (20,4 Prozent), drei Ortsteilen mit sehr unterschiedlicher Sozialstruktur also; der Kinderanteil ganz Berlins liegt bei 14,5 Prozent, deutlich unter dem Bundesdurchschnitt von 15,2 Prozent. Hohe Kinderquoten finden sich ferner in Gesundbrunnen und Niederschönhausen, insgesamt tendenziell eher am Stadtrand.

Die Gründe für diese Entwicklungen wurden in der Studie nicht analysiert – in einem Fall wie Gesundbrunnen mag der hohe Anteil migrantischer Bewohner eine Rolle spielen, in anderen wie Gatow eher die Erschließung von Brachflächen für den Neubau vieler Einfamilien- oder Reihenhäuser bei eher kleiner Gesamtbevölkerung. So ist die Einwohnerzahl seit 2000 am stärksten in Falkenberg (78 Prozent), Gatow (33 Prozent) und Rummelsburg (22 Prozent) gestiegen.

Die anteilig meisten Senioren – 60 Jahre oder älter – wohnen in Berlin in den Villengegenden an der Peripherie. Oben auf der Liste steht die Stadtrandsiedlung Malchow (39 Prozent), gefolgt von Grunewald (38,9 Prozent) und Friedrichshagen mit 37,6 Prozent; der Berliner Durchschnitt beträgt nur 24,5 Prozent. Umgekehrt stellt sich die Lage dar, sucht man nach den Singles, also den Ledigen oder Geschiedenen, die überwiegend in der Innenstadt leben. In Berlin macht ihr Anteil insgesamt 50,1 Prozent aus, in Friedrichshain aber 57,8, in Neukölln 57,5 und in Rummelsburg 57,4 Prozent.

Die meisten Trendsetter leben in Friedenau

Eine Spezialität der Studie ist die Suche nach „Trendsettern“, verstanden als kulturell aktive, sozial aufstrebende und besonders aufgeschlossene Bürger – hier können die Bionade-Bürger endlich punkten. Die Trendsetter finden sich anteilig am häufigsten in den zentral gelegenen Ortsteilen Friedenau (79,7 Prozent), Prenzlauer Berg (79,5) und Friedrichshain (76,8 Prozent). Ein riesiger Unterschied: In ganz Berlin rechnen die Statistiker nur 26,8 Prozent der Bewohner dieser Gruppe zu. Und der Trendsetter-Durchschnitt der fünf Metropolen (neben Berlin München, Hamburg, Köln und Frankfurt/Main) liegt bei 33 Prozent, München führt die Liste mit 50,7 Prozent an.

Die höchste Einwohnerdichte herrscht zur Zeit in Friedenau (17181 je km2), Fennpfuhl (14030) und Kreuzberg (13829). Der Berliner Durchschnitt beträgt 3801 Einwohner pro km2 – damit ist Berlin nach München (4366) die am dichtesten besiedelte Metropole Deutschlands. Zu dieser Kategorie zählen die Statistiker außerdem noch Hamburg, Köln und Frankfurt am Main. Die Hauptstadt bietet in diesem Vergleich mit 12,6 Prozent der Gesamtfläche die meisten Erholungsflächen und Grünanlagen, wobei die Wälder nicht berücksichtigt sind.Die Studie zitiert ergänzend Prognosen, nach denen die Berliner Bevölkerung bis 2025 um 0,7 Prozent zunehmen wird, während die 50 größten deutschen Städte durchschnittlich 2,8 Prozent verlieren; Frankfurt und München allerdings werden vermutlich mit 2,1 und 1 Prozent anteilig noch stärker zulegen.

Für die fünf Metropolen ergibt sich aus dem Städtereport 2012 seit dem Jahr 2000 durchweg ein Plus bei der Nettozuwanderung, also der Summe von Zu- und Abgängen: 12 Prozent waren es in München, nur drei Prozent bei Berlin, dem Schlusslicht. In absoluten Zahlen steht die Hauptstadt allerdings besser da. Denn mit knapp 17000 Nettozuwanderungen pro Jahr liegt sie hinter München auf dem zweiten Platz.

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Bernd Matthies

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