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Seit einem Jahr ist die Fahrradstaffel der Polizei in der Berliner City unterwegs. Die Beamten tragen spezielle Dienstkleidung, auch auf den weiß lackierten Rädern steht "Polizei".
© Doris Spiekermann-Klaas

270.000 Euro Bußgelder in Berlin: Fahrradpolizisten stoppen Tausende Radfahrer bei Rot

Die Fahrradstaffel der Berliner Polizei konzentrierte sich in ihrem ersten Jahr vor allem auf Radler an Ampeln. Um andere Gefahren im Straßenverkehr kümmert sie sich weniger.

Wer bei Rot über Innenstadtkreuzungen radelt, lebt gefährlicher denn je: Zur bekannten Gefahr für die eigenen Knochen kommt neuerdings das ernsthafte Risiko, erwischt zu werden. Denn die Fahrradstaffel der Polizei hat im ersten Jahr ihres Bestehens Bußgeldbescheide über 270.000 Euro an Radfahrer verteilt, die bei Rot gefahren sind. Das geht aus einer Auskunft der Innenverwaltung auf eine Anfrage des Abgeordneten Andreas Baum (Piraten) hervor.

Neben 3200 Rotlichtradlern wurden mehr als 500 angezeigt, die auf Gehwegen fuhren. Das brachte weitere 5347 Euro in die Landeskasse. Dazu kommen knapp 54.000 Euro, die für fast 2000 „andere Verstöße“ fällig wurden. Einzeln ausgewiesen sind außerdem 244 Euro von 15 erwischten Geisterradlern.

Finanziell ist die 20-köpfige Fahrradstaffel fürs Land also ein Erfolg, zumal seit ihrem Start vor einem Jahr nur rund 16.000 Euro für zusätzliche Ausstattung und Reparaturen fällig wurden. Ob die Staffel die Straßen in ihrem Revier zwischen Regierungsviertel und Alex auch sicherer macht, will die Verwaltung erst später bewerten. Ziel war, das Verhalten sowohl der Radfahrer als auch das der anderen ihnen gegenüber zu überwachen.

Nimmt man die Bußgeldbilanz als Maßstab, wurde dieser zweite Teil bisher vernachlässigt: Zwar wurden immerhin 1330 Autofahrer wegen Falschparkens in zweiter Reihe sowie auf Radwegen oder Radfahrstreifen angezeigt, was rund 25.000 Euro einbrachte. Abgeschleppt wurden aber nur 30 von ihnen. Und fehlerhaftes Abbiegen haben die Fahrradpolizisten nur 144 Mal angezeigt – obwohl es laut Unfallstatistik seit Jahren die mit Abstand größte Gefahr für Radfahrer ist. Das Massenphänomen des zu dichten Überholens – vorgeschrieben sind mindestens 1,5 Meter Seitenabstand – wurde erst gar nicht erfasst und kann laut Innenverwaltung von der Fahrradstaffel im Fließverkehr ohnehin nicht gerichtsfest dokumentiert werden.

Für den Abgeordneten Andreas Baum, der die Zahlen erfragt hat, belegt die Bilanz eine falsche Prioritätensetzung: „Fehlende, unterdimensionierte oder zugeparkte Radwege, unsinnige Radverkehrsführungen und das Fehlverhalten von Autofahrern sind die größten Gefahren, denen Radfahrende in Berlin ausgesetzt sind. Dennoch liegt der Schwerpunkt der Einsätze der Fahrradstaffel in der Sanktionierung des Radverkehrs.“ Das Verhältnis der geahndeten Verstöße gehe „an der Realität auf der Straße völlig vorbei“.

Außerdem habe die Fahrradstaffel auch den Auftrag, Gefährdungen durch mangelhafte Radverkehrsanlagen oder Radverkehrsführungen festzustellen. Das sei im Schnitt nur einmal pro Monat geschehen – „angesichts der teilweise katastrophalen Zustände ein echtes Kunststück“, sagt Baum. „Die Scheuklappen scheinen gut zu sitzen.“ Zunehmende Konflikte im Straßenraum würden weiter auf dem Rücken von Radfahrern und Fußgängern ausgetragen, „anstatt an den Privilegien des Autoverkehrs zu rütteln. Die Fahrradstaffel der Berliner Polizei trägt dazu leider noch bei.“

Polizei toleriert Lieferwagen, die in zweiter Reihe halten

Das Polizeipräsidium teilt diese Kritik nicht: Der Autoverkehr werde auch auf andere Art an vielen Stellen überwacht. Die Fahrradstaffel sei hingegen dazu da, den Radfahrern „auf Augenhöhe“ zu begegnen. Hinzu kommt, dass die Fahrradpolizisten im Alltag auch viel unterhalb der Knöllchenschwelle regeln, indem sie beispielsweise Autofahrer im Halteverbot zum Weiterfahren auffordern.

Lieferanten müssen allerdings oft nicht einmal das befürchten, wie eine weitere Anfrage von Baum ergab. Denn nach Auskunft der Innenverwaltung wird gemäß einer „Berliner Linie“ das Halten in zweiter Reihe durchaus toleriert, sofern die konkrete Lieferung wichtiger sei als der Verkehrsfluss, zügig be- oder entladen werde und „in zumutbarer Entfernung“ keine legale Parkmöglichkeit bestehe. Auch müsse eine mindestens drei Meter breite Fahrspur neben dem Falschparker bestehen bleiben, und gefährden dürfe er den übrigen Verkehr auch nicht. Das ist zumindest beim Blockieren von Radfahrstreifen praktisch kaum machbar. Allerdings existierten diese Streifen auch noch nicht, als die Kriterien für die „Berliner Linie“ entwickelt wurde. Die stammen nämlich von 1978.

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