Debatte im Flughafen Tempelhof: Experten diskutieren über Berlins Flüchtlingsarbeit
Wie gut war Berlins Flüchtlingsarbeit und woran muss noch gearbeitet werden? Experten diskutierten am Flughafen Tempelhof.
Alle sollten anpacken am Deutschlandprojekt. In Bauherrenmanier warb Bundeskanzlerin Merkel im vergangenen Jahr für die Flüchtlingshilfe: „Wir schaffen das.“ Heute, mehr als ein Jahr später, passt der Slogan einer Baumarktkette besser: Es gibt immer was zu tun.
Was ist übrig von der Willkommenskultur und welche Baustellen gibt es noch? Um diese Frage zu beantworten, trafen sich am Montagabend auf Einladung der Berliner Journalistenschule und ihres Geschäftsführers Olaf Jahn Akteure der Berliner Flüchtlingsarbeit am Flughafen Tempelhof. Mit dabei waren Lageso-Sprecher Sascha Langenbach, der Betreiber der Notunterkunft in Tempelhof, Michael Elias, Bianka Pergande von Save the Children und Sascha Kellermann vom Verein THF Welcome. Moderiert wurde die Veranstaltung vom stellvertretenden Tagesspiegel-Chefredakteur Arno Makowsky.
Zusammenfassen lässt sich Debatte so: Das Lageso wird immer falsch verstanden, Michael Elias, Betreiber der Notunterkunft in Tempelhof, sieht die Lage erstaunlich positiv, und der Senat ist an allem Schuld. Der konnte sich aber auch nicht wehren, denn Andreas Germershausen, Beauftragter für Integration und Migration im Senat, hatte kurzfristig abgesagt. Das öffentliche Interesse ist hingegen nicht ungeschlagen, sondern umgeschlagen – die Berliner haben sich dran gewöhnt. Deshalb zog es wohl auch so wenige ins „Zelt der Geschichten“, das transparente Kunststoffzelt, dass derzeit auf dem Platz der Luftbrücke aufgebaut ist und auch für Workshops und Gesprächsrunden mit Geflüchteten dient.
Flüchtlinge fallen nicht mehr auf
„Flüchtlinge fallen in unserer Stadt gar nicht mehr auf“, fasste Elias das Phänomen zusammen, sie seien größtenteils „positiv absorbiert“ worden. Das meinte er wohl gut, lobte auch, dass viele nach und nach Jobs finden und sich in die Zivilgesellschaft integrieren. Eigentlich ist es aber ein Anstoß zum Nachdenken, denn geschafft ist noch lange nicht alles, nur weil Berliner sich an die prekäre Lage der Geflüchteten gewöhnt haben.
Was aber hat sich bereits verändert? „Im letzten Jahr ging es nur darum, Obdachlosigkeit zu vermeiden“, sagt Michael Elias, der als Geschäftsführer der Tamaja GmbH die Verantwortung für die Zustände in der Notunterkunft trägt. Heute lebten noch rund 1500 Menschen im Flughafengebäude, etwa halb so viele wie im vergangenen Herbst. Außerdem würde die Unterkunft nur noch als Übergangslösung betrachtet. Ziel sei, eine dauerhafte Bleibe für die Menschen zu finden. Neuaufnahmen gäbe es keine mehr. Rund ein Drittel der Geflüchteten leben allerdings schon über ein Jahr dort.
Der Sprecher des Landesamts für Flüchtlingsangelegenheiten, Sascha Langenbach ist angespannt, er hat im letzten Jahr, viel ertrage müssen, vor allem von den Medien. Zu Unrecht? Seine Behörde sei falsch verstanden worden. „Ja, es waren katastrophale Zustände und wir haben Fehler gemacht“, sagte er. Seine Mitarbeiter hätten nicht mehr schlafen können, und auch er hätte regelmäßig mitten in der Nacht noch E-Mails beantwortet. „Glauben Sie nicht, dass wir zufrieden waren“, fasste Langenbach zusammen.
„Der Bedarf hat sich verändert“
Unterkunftsbetreiber Elias stimmt zu: „Wir haben uns oft geärgert, aber nie erlebt, dass das Amt nicht bemüht war.“ Stattdessen rege ihn der „parteipolitischen Klüngel im Roten Rathaus“ auf.
Während die Politik über der Diskussion schwebt, aber kein Ansprechpartner verfügbar ist, bricht Sascha Kellermann, Vorsitzender von „THF Welcome“, ehemals „Tempelhof hilft“, die Debatte herunter. Wo ist wirklich noch Hilfe nötig?
„Der Bedarf hat sich verändert“, sagt er. Kleider seien nicht mehr Priorität, stattdessen sei sprachliche und kulturelle Förderung wichtig. Raum dafür wurde im Begegnungs-Café auf dem Flughafengelände geschaffen, das für alle Berliner zugänglich ist. Bianka Pergande, Leiterin der deutschen Kinderhilfsprogamme von Save the Children, machte auf ein weiteres Thema aufmerksam: der Kinderschutz in den Unterkünften sei nach wie vor unzureichend. Rund 500 000 Kinder vermutet die Organisation Save the Children in deutschen Notunterkünften. Für sie gilt nicht das gleiche Schutzrecht, wie für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. "Wir brauchen einen einklagbare, effektiven Schutz", sagte Pergande.
Lisa McMinn