Potsdamer NSU-Untersuchungsausschuss: Ex-Verfassungsschützer sagt im Fall "Piatto" aus
Brandenburgs NSU-Untersuchungsausschuss vernimmt einen früheren Verfassungsschützer zum Fall „Piatto“ – inkognito. Er lieferte unbekannte Einblicke.
Eine Botschaft will der Brandenburger Ex-Verfassungsschützer mit dem Decknamen „Manfred Maslow“ unbedingt noch loswerden. „Es ist doch eine Schande, dass es soweit kommen konnte, dass so viele Menschen sterben mussten“, sagte er am Freitag im NSU-Untersuchungsausschuss des Brandenburger Landtages. Das müsse aufgeklärt werden.
Vor allem müsse endlich dafür gesorgt werden, dass das Zusammenspiel von Verfassungsschutz mit Polizei und Justiz endlich klar geregelt werde. „Damit keine Informationen mehr unter den Tisch fallen“, wie beim NSU, oder jetzt im Fall Amri. Dabei bräuchten die Leute, „die draußen ihre Arbeit machen“, eine klare Grundlage.
Es war eine der spannendsten Sitzungen des NSU-Ausschusses, der vor allem den Skandal um den wegen versuchten Mordes verurteilten militanten Neonazi Carsten Szczepanski alias V-Mann „Piatto“ untersucht, der vom Brandenburger Verfassungsschutz in der JVA Brandenburg an der Havel angeworben worden war.
Von „Piatto“ hatte es 1998 Hinweise auf den Aufenthalt des untergetauchten späteren NSU-Trios gegeben, die aber versandeten. Erstmals wurden nun Nachrichtendienstler der operativen Ebene des Verfassungsschutzes vernommen, die mit dem Fall zu tun hatten. Damit die Geheimdienstler nicht identifizierbar sind, wurde sie separat verhört - und der Auftritt für die Öffentlichkeit lediglich im Ton in einen anderen Raum des Landtages übertragen. Es waren Stimmen aus dem Off, die unbekannte Einblicke und brisante Details lieferten.
Verbindungen zum Ku-Klux-Clan, zur Russenmafia
„Manfred Maslow“, angeblich 70, jüngere Stimme, mittlerweile pensioniert, war damals der erste Brandenburger Verfassungsschützer, der 1994 Kontakt zu Szczepanski hatte. Der saß wegen eines Mordversuchs auf einen Asylbewerber im Jahr 1992 erst jetzt als Untersuchungshäftling in der JVA Königs Wusterhausen – und hatte um ein Gespräch gebeten. Man sei zunächst zurückhaltend gewesen.
Es sei entschieden worden, mit Szczepanski Kontakt aufzunehmen. Der habe beim zweiten Treffen umfangreiches Material übergeben, etwa eine Namensliste von Kunden seines Rechtsmusik-Blatts, er habe von konkreten internationalen Verbindungen der rechtsextremen Szene gesprochen, zum Ku-Klux-Clan, auch zur Russenmafia.
Etwaige Vergünstigungen, etwa Hafterleichterungen, seien Szczepanski von ihm weder versprochen noch in Aussicht gestellt worden. Mit der späteren Anwerbung als „Piatto“ habe er nichts zu tun gehabt. Dann trat ein Mann mit dem Decknamen „Michael Ackrath“ auf, heute im Bundesamt für Verfassungsschutz tätig, damals Auswerter in der Landesbehörde in Potsdam, zuständig für Rechts- und Linksterrorismus.
Informationen der Quelle „Piatto“ gingen regelmäßig über seinen Tisch, auch jene vom August/September 1998, dass sich ein zur Fahndung ausgeschriebenes untergetauchtes Jenaer Skinhead-Trio in Chemnitz aufhalte, sich bewaffnen wolle und mit Banküberfällen finanzieren wolle. Er habe die Hinweise als Rechtsterrorismus eingestuft. Er habe vorgeschlagen, „dass diese Informationen der Polizei übergeben werden.“
Das habe sein Referatsleiter Jörg Mildbrandt damals abgelehnt, der kurz darauf selbst Verfassungsschutzchef geworden war. Allerdings fand es der Ausschuss seltsam, dass „Ackrath“ sich nicht mit Rechtsrock und Skinheadmusik befassen wollte, obwohl es viele Verknüpfungen zur militanten Szene gab.
Und es gibt einen neuen Verdacht, dass es zwei weitere Brandenburger Neonazis aus dem Umfeld von "Piatto“ mit Verbindungen zum NSU-Trio gegeben haben kann – bisher war nur Carsten W. bekannt. Nach umfangreichem Studium der einschlägigen Verfassungsschutzakten sehen die Linke-Obleute Volkmar Schöneburg und Andrea Johlige dafür eine dichte Indizienkette.
Auf der anderen Seite fordert die CDU eine Zeugen-Vernehmung von Linke-Justizminister Stefan Ludwig, weil der 2000 gegenüber dem „Spiegel“ den V-Mann „Piatto“ enttarnt haben soll, nachdem er als Bürgermeister von Königs Wusterhausen und PDS-Landtagsabgeordneter von dessen wahrer Identität erfahren haben soll.