Nach erneutem Sturz von der Warschauer Brücke: "Es wundert nicht, dass mal einer runterfällt"
Ende Januar fiel eine betrunkene Touristin von der Warschauer Brücke, am Dienstagmorgen wurde erneut ein alkoholisierter Mann bei einem Sturz verletzt. Für manche ist das die Folge des nächtlichen Partychaos.
Es ist windig auf der Warschauer Brücke in Friedrichshain. Alles sieht hier ein wenig provisorisch aus: Unter und neben dem Bauwerk läuft der Umbau des S-Bahnhof Warschauer Straße. Am frühen Dienstagmorgen ist hier ein 23-Jähriger in die Tiefe gestürzt. Er kam schwer verletzt ins Krankenhaus Friedrichshain, wo er auf der Intensivstation liegt.
Nach Angaben der Bundespolizei hatte sich der Mann gegen 2.30 Uhr auf dem Steg zu den S-Bahngleisen auf das Brückengeländer gesetzt. Er sei dann "ohne Fremdeinwirkung" rückwärts gekippt und auf einen Kabelschacht in der Gleisanlage der S-Bahn gestürzt, bei der gerade Betriebspause war. Tagsüber rollt hier alle paar Minuten ein Zug.
Der genaue Hergang des Unglücks ist unklar. Ob der 26-Jährige betrunken das Gleichgewicht verlor oder gar von einer Windböe erfasst wurde, lässt sich laut Polizei noch nicht sagen.
Es ist das zweite Mal binnen zwei Wochen, dass sich auf der Brücke ein schwerer Unfall ereignet hat. Ende Januar war eine australische Touristin betrunken von der Warschauer Brücke gestürzt. Bei dem Sturz von einer Treppe an der Tamara-Danz-Straße, etwa 50 Meter entfernt, hatte sich die 26-Jährige mehrere Knochenbrüche zugezogen.
Gewerbetreibende: Abends herrscht hier Chaos
Einige Stunden nach dem neuerlichen Unglück scheint die Überraschung auf der Warschauer Brücke über den Vorfall nicht allzu groß zu sein: "Inzwischen geht sowas bei mir links ins Ohr rein und rechts wieder raus. Hier passiert einfach so viel, da macht man irgendwann oben dicht", sagt ein Kioskbesitzer auf dem Steg, von dem der Mann heruntergestürzt war.
Auch ein Kunde gibt sich abgeklärt: "Das kann eigentlich keinen verwundern, wenn man sich anguckt, was hier abends los ist." Er kenne den Bahnhof gut, sagt der Mann, er arbeite am Schlesischen Tor, steige hier jeden Tag um – häufig auch erst gegen Mitternacht. "Abends sehe ich dann immer die Leute hier. So ab 21 Uhr geht's hier richtig zur Sache", sagt der Mann aus Marzahn. "Egal, ob Wochenende oder nicht, die Leute nehmen offen Drogen, Freunde schubsen einander aus Spaß auf die Autofahrbahn. Das ist doch nicht normal!" Schon häufiger habe er gesehen, wie Leute auf den Baugerüsten des neuen S-Bahnhofs rumgeklettert sind. "Da wundert es mich nicht, dass da Mal einer runterfällt."
Leona S. betreibt den Kiosk gegenüber. Ein Kollege, der die Nachtschicht übernommen hatte, habe den Sturz in der Nacht zum Dienstag beobachtet, sagt sie. "Der Mann ist schon vorher über die Warschauer Brücke getorkelt und hat wirres Zeug geredet", erzählt sie, "der hatte einen osteuropäischen Akzent, aber so ist das hier: Du triffst kaum noch Berliner."
Nach Angaben der Polizei wohnt der Verunglückte in Tiergarten. Während die Kioskbesitzerin redet, kommen immer wieder Kunden an ihre Bude, viele sprechen Englisch, fragen, wo es zum Hauptbahnhof gehe, wo die U-Bahn Haltestelle sei. Eine Gruppe junger Spanierinnen will eine Gruppenkarte kaufen, versteht das Preissystem aber nicht. "Die brauchen hier immer so lange", sagt Leona S. augenrollend. Sie teilt im Übrigen die Ansicht des Mannes aus Marzahn: "Abends ist hier einfach Chaos. Ganz wohl fühle ich mich hier auch nicht immer."
Wer mit Passanten spricht, merkt schnell, dass es um ein größeres Problem geht: Die Unfälle sind für sie ein Symptom dafür, dass der Brennpunkt Warschauer Straße in manchen Nächten außer Kontrolle gerät. Einige von ihnen würden sich hier mehr Polizei wünschen.
Die Bundespolizei, zuständig für die Bahnanlagen, sagt, sie sei gut aufgestellt an der Warschauer Brücke. "Uns ist durchaus bewusst, dass das ein Brennpunkt ist." Bei beiden Unfällen der letzten Tage waren außerdem Polizisten zugegen, die den Unfall beobachtet haben und erste Hilfe leisten konnten.
Senatsverwaltung: An den Geländern liegt es nicht
Brückengeländer zu erhöhen, könne auch keine Lösung sein, erklärt die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung auf Anfrage. "Wir haben da klare DIN-Vorschriften, wie hoch wir ein Geländer bauen. Wir richten uns dabei nach der Fallhöhe. Das können wir nicht bei jeder Brücke individuell entscheiden." Höhere Geländer, da ist sich der Kiosk-Kunde aus Marzahn sicher, würden sowieso nichts bringen. "Dann klettern die Chaoten da halt drüber. Wenn die betrunken sind oder Drogen genommen haben, ist denen das egal."