Berlins AfD-Landes- und Fraktionschef im Interview: „Es ist manchmal sehr ermüdend“
Georg Pazderski über krude Aussagen von Parteifreunden, seine Position in der Bundespolitik und sein Verhältnis zu Björn Höcke.
- Maria Fiedler
- Ronja Ringelstein
Herr Pazderski, Sie haben sich Anfang des Jahres gegen einen rassistischen Tweet auf dem Account des AfD-Abgeordneten Jens Maier gestellt, danach ist es still um Sie geworden. Gab es zu viel Gegenwind aus der Partei für Ihre Position?
Ich sage nach wie vor meine Meinung. Gegen eine Kooperation mit Pegida habe ich mich klar positioniert, insbesondere wegen Lutz Bachmann – sie mag für Sachsen relevant sein, aber für den Westen nicht. Ich war kritisch zur Krim-Reise von AfD-Landtagsabgeordneten, ich war kritisch zur Syrien-Reise von AfD-Bundestagsabgeordneten. Vielleicht ist es auch insgesamt ruhiger geworden.
Einige in der Partei hatten den Eindruck, Sie wollten sich als eine Art Anti-Höcke positionieren.
Ich wollte mich nicht als Anti-Höcke positionieren. Ich habe ein gutes Verhältnis zu Björn Höcke. Aber wir haben vor allem im politischen Stil und in den Fragen, wie wir die Zukunft der AfD sehen teilweise unterschiedliche Auffassungen. Er sagt, die AfD muss eine Bewegungspartei sein – ihm ist es wichtiger an den Stammtischen und auf der Straße Wortführer zu sein als im Parlament. Ich sage, wir sind im Parlament und müssen da gute Oppositionsarbeit machen.
Auf dem Bundesparteitag hat der „Flügel“ von Björn Höcke eine unbekannte Kandidatin ins Rennen geschickt, die so viele Stimmen bekam, dass Sie nicht Bundesvorsitzender wurden. Jetzt sind Sie Vize. Wie sehen Sie Ihre Rolle in der Partei?
Das ist eine wichtige Aufgabe. Ich sehe mich eher als Liberal-Konservativen. Bei einer Pressekonferenz sagte unser Pressesprecher zu Alexander Gauland: „Sie sitzen rechts und Sie, Herr Pazderski, sitzen links von Herrn Gauland.“ Da sagte Gauland: „Na, das passt ja“. Ich halte es für sehr wichtig, dass verschiedene demokratische Strömungen in der AfD präsent und sichtbar sind und wir seriös auftreten. Manche Äußerungen aus der Partei verhindern aber noch, dass wir in der Bevölkerung so ankommen, wie wir das möchten.
Im AfD-Bundesvorstand gibt es Mitglieder mit einer fragwürdigen Vergangenheit. Andreas Kalbitz, der auch Landeschef in Brandenburg ist, war vor Jahren bei einem Zeltlager der rechtsextremen und neonazistischen Heimattreuen Deutschen Jugend, die mittlerweile verboten ist.
Herr Kalbitz hat gesagt, er wollte sich ein Bild machen. Was ist daran verwerflich? Man darf ihm deshalb nicht unterstellen, dass er die Auffassung dieser Leute teilt.
Haben Sie ihn denn gefragt?
Nein, das war für mich kein Thema. Das ist die Entscheidung von Herrn Kalbitz. Im Bundesvorstand verhält er sich sehr konstruktiv. Er ist nationalkonservativ und das ist sein gutes Recht. Daran ist nichts Verwerfliches. Er war Fallschirmjäger und hat unserem Land über viele Jahre als Soldat gedient. Soldaten sind oft konservativ und neigen dazu, Dingen auf den Grund zu gehen.
Wie muss sich die AfD in Ihren Augen verändern?
Die AfD muss ihr Potenzial deutlich ausweiten, wenn sie ihre politischen Vorstellungen umsetzen will. Das geht nur, indem wir für mehr Menschen wählbar werden. Das heißt aber auch, wir müssen an unserem Image arbeiten. Es gibt bestimmte Dinge, die gehen einfach nicht, weil sie Menschen, Wähler und Parteimitglieder verstören.
Ich erwarte von jedem AfD-Politiker, dass er sich zweimal überlegt, was er wie ausdrückt und welche politische Position er bezieht. In der Funkbetriebssprache gibt es eine Regel, die jeder Soldaten verinnerlichen muss: „Denken, drücken, sprechen“. Wenn man am Funkgerät losplappert, ohne vorher nachgedacht zu haben, kommt meist nur Mist raus. Das ist in der Politik und den Sozialen Medien ähnlich.
Beatrix von Storch twitterte nach der Amokfahrt in Münster „Wir schaffen das!“ und einen Wut-Smiley. Dann stellte sich heraus, dass es keinen Zusammenhang zwischen der Attacke und Merkels Flüchtlingspolitik gibt. Wie fanden Sie das
Grundsätzlich sollte man dann kommunizieren, wenn die Fakten gesichert sind. Ihr Tweet war vielleicht etwas voreilig, auch weil sie, wie sie mir gegenüber erklärte, tief betroffen war von der Amokfahrt in Münster. Aber Frau von Storch hat sich dafür entschuldigt und das sollte man akzeptieren.
Nervt es Sie, sich ständig für krude Aussagen anderer rechtfertigen zu müssen?
Es ist manchmal sehr ermüdend. Weil man versucht, gute Politik zu machen und Vertrauen aufzubauen, das dann wieder durch unbedachte Äußerungen oder unbedachtes Handeln einzelner zerstört wird.
Unter den AfD-Landesverbänden gilt Ihrer als moderat. Kämpfen Sie auf verlorenem Posten?
Nein. Ganz im Gegenteil. Die AfD muss vor Ort auf unterschiedliche Situationen unterschiedliche Antworten finden. So kann man die Arbeit der AfD in Flächenländern wie Brandenburg, Thüringen oder Sachsen nicht mit der in Großstädten wie Berlin, Hamburg oder München vergleichen. Berlin ist eine sehr heterogene, kosmopolitische Stadt, es gibt hier viele Minderheiten. Wenn Sie in einer Millionenmetropole Erfolg haben wollen, müssen Sie das berücksichtigen.
Wir dachten, dass Ihre Politik an Ihrer persönlichen Einstellung liegt – nicht nur an den äußeren Umständen.
Natürlich, aber das eine bedingt das andere. Ich muss schauen, wem ich meine Überzeugungen vermitteln will. Wenn ich in Berlin eine zu harte Sprache wähle, sind viele Berliner eher verstört als begeistert. Und wir wollen für unsere Politik ja werben, wir wollen erfolgreich sein. Und dafür müssen wir sie dem Wähler so erklären, dass er die Botschaft versteht und annimmt – da spielen Sprache, Begriffe und persönliches Auftreten eine wichtige Rolle. Wir wollen mehr Wähler überzeugen, nicht Wähler abschrecken.
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