Arbeiten als Animateur: Erschöpft in der Urlaubshölle
Maria arbeitete als Kinderanimateurin in einem Hotel an der türkischen Riviera. Ein Bericht über ständige gute Laune, einen miesen Chef und Kontrollwahn unter Palmen
Es soll ja Jobs geben, da wird man von seinem Chef auf Händen getragen. Und es gibt Jobs, wo man seinen Chef auf Händen trägt – und das nicht nur im übertragenden Sinne, sondern wortwörtlich. Aber das ist nur die Spitze des Eisbergs. Die Entscheidung, meinen Sommer als Animateurin im Kinderklub eines Fünf-Sterne-Hotels an der türkischen Riviera zu verbringen, ergab sich für mich spontan. Aber da ich mit meinen 18 Jahren noch nie lang von zu Hause weg gewesen war und meinen Studiengang zum nächsten Semester sowieso wechseln wollte, beschloss ich, es einfach zu versuchen. Einmal was wagen, einmal was anderes machen. Wieso nicht?
Ich war das teuer bezahlte Teammitglied
Ganz dem utopischen Bild entsprechend, das über das Animateursdasein verbreitet zu sein scheint, bietet es tatsächlich viele Vorzüge, wie freie Kost und Logis, die Möglichkeit, wahnsinnig tolle Menschen zu treffen und natürlich das ganze „Sommer, Sonne, Strand“-Gefühl. Doch leider ist das alles letztlich nicht von großem Wert, wenn man bei einem Arbeitstag von neun bis 23 Uhr nach Feierabend nicht mehr viel unternehmen kann. Dass in dem von beiden Seiten unterschriebenen Arbeitsvertrag ein Acht-Stunden-Tag festgesetzt war und Überstunden bezahlt werden sollten, interessierte vor Ort niemanden mehr.
In unserem Team, das größtenteils aus ukrainischen und mehreren türkischen Animateuren bestand, war ich die einzige Deutsche. Doch obwohl der Kinderklub täglich Beschwerden bekam, weil es an deutsch- und englischsprachigem Personal fehlte, sah das Management keinen Grund, etwas am Recruitingverhalten zu ändern. Personal aus Osteuropa ist eben billiger.
Mein Chef, der gönnerhafte Sonnengott
Unser Chef beherrschte exzellente psychologische Tricks, er konnte einem das Wort im Mund ersticken, noch bevor man es überhaupt gedacht hatte. Er nutzte jede Möglichkeit, um uns gegenüber seine Dominanz zu demonstrieren und war äußerst begabt darin, die Tatsachen bis ins Absurde zu verdrehen. Ihr wollt einen Acht-Stunden-Arbeitstag? Wie könnt ihr es wagen, schon solche Forderungen zu stellen, ohne auch nur einen Monat hier gearbeitet zu haben? Und immer schwang hintergründig die Drohung mit, dass er uns auch gleich nach Hause schicken könnte, sollten wir nicht die pure Freude vermitteln.
Kontrolle überall
Gerade dieses Verhältnis zu uns Angestellten war es, was mich am meisten empörte. Es mag im ersten Moment zwar nach Kleinigkeiten aussehen, doch im letztlich fügten sich all diese Details zu einem großen, erdrückenden Ganzen zusammen. Jedes Mal, wenn wir das Hotelgelände verließen, wurden unsere Taschen durchsucht. Ich weiß nicht, was sie dachten, bei uns zu finden. Einen Batzen Geld aus dem Haupttresor des Hotels? Das Größte, was man unbemerkt hätte rausbringen können, wäre ein Lolli gewesen. Im BH.
Die steilen Hierarchien und den ständig in allem mitschwingenden Sexismus spürte man als Angestellte immer. Dass unsere knappen Kunstfaseruniformen kaum dafür ausreichten, das Nötigste zu bedecken – und das in der Kinderanimation! – trug nicht dazu bei, unseren Komfortlevel anzuheben, ebenso das Wissen darüber, dass Überwachungskameras jeden unserer Schritte verfolgten. Außerdem wurden wir gezwungen, bei Krankheit zu erscheinen – und das bei der Arbeit mit Kindern! Aber Animation ist eben ein Fulltime-Job, und krank zu sein hat man gefälligst dann, wenn die Saison vorüber ist.
Non-stop gute Laune nervt
Und die Arbeit an sich? Definitiv bringt die Arbeit mit Kindern sehr viel Freude, ist gleichzeitig aber auch sehr anstrengend. Vor allem bei einem Durchschnittsalter von drei bis sieben Jahren ist man stets im Mittelpunkt und trägt große Verantwortung.
Doch die vielleicht simpelste Aufgabe wird mit der Zeit zur größten Last: lächeln. Unentwegt grinsen und gut gelaunt sein, auch wenn du in Wirklichkeit am liebsten losheulen würdest. Dennoch wollte ich bis zuletzt die Hoffnung nicht aufgeben, dass es mit der Zeit besser werden würde. Was mich lange davon abhielt zu gehen, waren die Kolleginnen und Kollegen aus der Kinder- und Sportanimation und auch aus anderen Bereichen des Hotels, die ich durch diesen Job kennengelernt habe. Denn auch wenn das Arbeitsklima mitunter angespannt war, „zu Hause“ war alles wieder gut und die Feierabendstunden wurden auf Kosten des Schlafs zumeist durch Belek flanierend oder Shisha rauchend verbracht.
Schocktherapie für den Arbeitsmarkt
Am Ende überwog nur noch die Erschöpfung und der Wunsch, endlich mal wieder richtig auszuschlafen. Ich brauchte Zeit für mich. Aus den geplanten fünf Monaten wurden schließlich nur zwei. Mit größter Genugtuung kündigte ich meinem Chef – und war dann trotzdem auf eine subtile Art traurig, dass plötzlich alles vorbei war.
Wenn ich der Sache etwas Positives abgewinnen kann, dann ist es vor allem die, dass mich der Job für kommende Herausforderungen in der Arbeitswelt gestählt hat. Ich war mit stressigen Situationen konfrontiert, immer in Bewegung, trug viel Verantwortung und war fernab meines wohlbehüteten Elternhauses völlig auf mich allein gestellt. Die Distanz zu dieser unwirtlichen Urlaubshölle ließ mich dann auch problemlos mit dem Kapitel abschließen.
Wer also auch mal plant, sich als Animateur auszutesten, sollte sich von meinem Erfahrungsbericht nicht gleich entmutigen lassen. Der Job eines Kinderanimateurs ist schließlich nicht fürs Leben und als kleines Abenteuer in den Semesterferien zumindest eine Überlegung wert.
Maria Merk
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