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Im Clinch: Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) und Wissenschaftsstaatssekretär Steffen Krach (SPD).
© Christophe Gateau/Britta Pedersen/dpa
Update

Berlins Senat streitet um DNA-Analysen der Polizei: „Entschuldigung der Grünen bei den Charité-Beschäftigten fällig“

Lässt die Charité die Polizei „im Regen stehen“? SPD-Wissenschaftsstaatssekretär Krach greift die Grünen und Justizsenator Behrendt an – nicht zum ersten Mal.

Im Streit um die DNA-Forensik der Charité hat Wissenschaftsstaatsekretär Steffen Krach (SPD) die Grünen aufgefordert, sich bei den Beschäftigten der Universitätsklinik zu entschuldigen. Am Montag sagte Krach im Wissenschaftsausschuss des Abgeordnetenhauses, er könne von Justizsenator Dirk Behrendt und dem Innenexperten Benedikt Lux (beide Grüne) erwarten, dass sie sich über Monate alte, relevante Gerichtsentscheidungen informierten, bevor sie im RBB die Charité kritisierten.

„Und ich finde, da ist eine Entschuldigung an die Beschäftigten der Charité fällig“, sagte Krach mit Bezug auf den Abgeordneten Lux. „Insbesondere die Charité hält in der Pandemie die Stadt am Laufen.“

Hintergrund der Wutrede ist, dass ein Privatlabor erfolgreich dagegen geklagt hatte, dass das Landeskriminalamt (LKA) routinemäßig die landeseigene Universitätsklinik mit den DNA-Analysen für ihre Ermittlungen beauftragte. Spätestens seit Herbst 2020 war bekannt, dass die Forensische Genetik im Institut der Rechtsmedizin der Charité zu März geschlossen wird, weil das LKA aus Vergabegründen günstigere Privatlabore beauftragen soll.

Grünen-Innenexperte Lux sprach am Freitag im RBB aber davon, dass die Charité die Strafverfolger „im Regen stehen“ ließe. Und auch Justizsenator Behrendt, der mit Staatssekretär Krach erst vor einigen Monaten wegen Tierversuchen heftig in Streit geriet, hatte sich zuvor an Charité-Chef Heyo Kroemer gewandt.

Nun stellt sich heraus, dass die Hochschul-Forensiker die DNA-Analyse für das LKA gern weiter erledigten, wenn sie denn auf Basis der üblichen Charité-Tarife den Zuschlag bekämen. Die Fachleute der Universitätsklinik machten einen „exzellenten Job“, sagte Wissenschaftsstaatsekretär Krach.

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Man sollte die DNA-Forensik als „hoheitliche Aufgabe“ von Vergabezwängen befreien, damit staatliche Rechtsmediziner diese „sensible Aufgabe“ erledigen – auch wenn dies mehr kosten sollte als in Privatlaboren. Dem widersprach im Wissenschaftsausschuss niemand.

Im Tagesspiegel hatten Fachpolitiker aus Koalition und Opposition zuvor gleichermaßen gefordert, dass die Analyse genetischer Spuren staatliche Aufgabe bleiben solle – auch Grünen-Politiker Lux, der zur Zeit der Charité-Debatte am Montag im parallel tagenden Innenausschuss saß.

300.000 DNA-Proben liegen noch in der Charité

Lux fragte dort Innensenator Andreas Geisel (SPD), wie mit den 300.000 DNA-Proben des LKA umgegangen werde, die noch in der Charité lagern, weil es mit den privaten Laboren offenbar nicht so schnell klappt. Senator Geisel äußerte sich auf Lux’ Fragen knapp. Er wolle, sagte Geisel, dass das LKA die DNA-Spuren nach wie vor in der Charité analysieren lasse. Sein politisches Ziel sei immer gewesen, diesen Auftrag nicht an private Labore, die womöglich keinen Tariflohn zahlen, zu vergeben. Allerdings müsse das Vergaberecht beachtet werden.

Nötig sei also eine neue Rechtsgrundlage, die derzeit erarbeitet werde, sagte Geisel, ohne konkret über die fraktionsübergreifend geforderte „Rekommunalisierung“ der DNA-Forensik zu sprechen.

Zunächst, teilte der Senator schließlich mit, laufe noch bis Monatsende ein Ausschreibungsverfahren der Polizei für die Vergabe von DNA-Analysen, das dann ab Sommer gelten werde. Für die Übergangszeit, in der noch 300.000, darunter nicht begutachtete DNA-Proben in der Charité-Rechtsmedizin liegen, gebe es Gespräche mit dem Chef der Hochschulklinik, Kroemer.

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„Als Opferanwalt weiß ich, wie erschütternd es ist, wenn man monatelang auf Ergebnisse bei DNA-Proben warten muss“, sagte Lux. „Mein Eindruck ist, dass weder Staatssekretär Krach noch der Innensenator den Ernst der Lage begriffen haben. Ich erwarte, dass es sofort eine Lösung für die zigtausenden Proben gibt. Dies ist rechtlich möglich. Mittelfristig muss die Aufgabe gesetzlich geregelt und staatlich durchgeführt werden.“

Wissenschaftsstaatsekretär Krach sagte, niemand dürfte überrascht sein, dass die Forensische Genetik der Charité geschlossen habe – auch, weil die zugrundeliegende Gerichtsentscheidung schon im Sommer 2020 ergangen sei.

Das Berliner Kammergericht hatte damals entschieden, dass das LKA nicht einfach per Kooperationsvereinbarung nur die Charité mit den Erbgutanalysen von Verdächtigen und Verbrechensopfern beauftragen darf. Die Aufträge müssten öffentlich ausgeschrieben werden. Geklagt hatte ein privates Labor, das die DNA-Analyse kostengünstiger anbietet. Senator Geisel zufolge wurden inzwischen „8000 Proben von einem privaten Labor ausgewertet“. Der Schaden für die Strafverfolgung sei „überschaubar, weil auch private Labore in der Lage sind, Massendaten auszuwerten“.

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