Aufklärung von Verbrechen gefährdet: Berliner Politiker fordern DNA-Analysen zurück in staatlicher Hand
Weil Berlins Polizei woanders DNA-Analysen bestellt, schließt die Forensische Genetik der Charité-Rechtsmedizin. Politiker von Linke bis CDU wollen nun einen Kurswechsel.
Das Abgeordnetenhaus befasst sich am Montag mit dem Streit um die DNA-Proben der Berliner Polizei, die nun nicht mehr an der Charité analysiert werden. Nach Tagesspiegel-Informationen fordern Fachpolitiker aus Koalition und Opposition gleichermaßen, dass die Analyse genetischer Spuren staatliche Aufgabe bleiben soll.
Grünen-Politiker Benedikt Lux will an diesem Montag im Innenausschuss dazu Andreas Geisel (SPD) befragen: Der Innensenator solle erklären, wie mit den 300.000 DNA-Proben des Landeskriminalamts (LKA) umgegangen werde, die noch in der Charité lagern – und was daraus folge, dass die Forensische Genetik im dortigen Institut der Rechtsmedizin zu März geschlossen wurde.
Zugleich wird am Montag im Wissenschaftsausschuss über die Charité diskutiert. Wie berichtet, hatte ein Privatlabor erfolgreich dagegen geklagt, dass das LKA routinemäßig die landeseigene Universitätsklinik mit den DNA-Analysen beauftragte.
Das LKA gibt die Spuren nun kostengünstigeren Mitbewerbern, so wie es die Vergaberichtlinien vorsehen. Die Charité schloss die DNA-Forensik, denn 90 Prozent der Arbeit dort kam vom LKA. Doch mit dem neuen Labor scheint es zu dauern – und viele der 300.000 Proben, die das LKA bis heute in der Charité ließ, sind noch nicht analysiert.
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Ermittler und Juristen monierten, in Berlin brauchten DNA-Analysen ohnehin Monate – durch die Schließung könne viel Expertise verloren gehen. Es drohten „Beeinträchtigungen in der Strafrechtspflege, insbesondere bei der Ahndung von Kapitalverbrechen und Sexualstraftaten“, schrieb der Vizepräsident des Landgerichts Christoph Mauntel dem Justizsenator.
Dirk Behrendt (Grüne) wiederum wandte sich an die SPD-geführte Wissenschaftsverwaltung und Charité-Chef Heyo Kroemer. Doch nach Tagesspiegel-Informationen warnte Kroemer die für das LKA zuständige Innenverwaltung schon im Dezember vor dem Ende der DNA-Forensik.
Der Abgeordnete Lux fordert nun, dass die Charité ihre DNA-Analysen zunächst fortsetzt, sonst drohten „unheilbare Nachteile“ für die Strafverfolgung. „Mittelfristig muss die forensische Genetik als gesetzliche Aufgabe der Charité abgesichert oder das Institut in das LKA eingegliedert werden“, sagte Lux.
Auch der Rechtsexperte der Linken, Sebastian Schlüsselburg, plädiert für eine Rekommunalisierung der DNA-Analysen: „Es kann nicht sein, dass der Staat in diesem Bereich aus kapitalistischen Wettbewerbsgründen zu Vergabeverfahren gezwungen wird. Wir müssen die Direktvergabe an die Charité ermöglichen und dafür im Zweifel die nötigen gesetzlichen Ausnahmen schaffen.“
Charité signalisiert Bereitschaft, Proben wieder zu analysieren
In der Opposition sieht das CDU-Wissenschaftsexperte Adrian Grasse ähnlich. Er spricht von einem „schweren Fehler, der als Folge der Vergabepolitik nicht der Charité angelastet werden“ könne. „Es ist nicht nachvollziehbar, warum der Senat bei dieser hoheitlichen Aufgabe nicht eine Ausnahme vom Vergabegebot geprüft hat, um eine dauerhafte Beteiligung der Charité zu sichern.“
Der für die Charité zuständige Wissenschaftsstaatssekretär Steffen Krach (SPD) sagte, das Aus der DNA-Forensik habe niemanden überraschen können: „Es ist bekannt, dass die Charité seit Jahren gegen private Anbieter um die Vergabe kämpfen muss. Auch die Gerichtsentscheidung dazu ist kein Geheimnis.“
Für ihn komme aber nicht in Frage, sagte Krach, dass die Rechtsmediziner aus Vergabegründen die „guten Tarife der Charité aufgeben“, um gegen günstigere Wettbewerber zu bestehen. „Aus meiner Sicht gehören solche höchst sensiblen Laborleistungen und Datenbanken nicht in die Hände privater Firmen, sondern in eine Einrichtung des Landes. Es würde mich freuen, wenn der Justizsenator die Charité dabei unterstützt.“ Der Klinikvorstand signalisierte bereits, unter geeigneten Bedingungen weiter DNA-Spuren zu analysieren.