Reiseziel Berlin-Brandenburg: Entdecker-Familie bringt Reiseführer heraus
Alles schon gesehen in Berlin und Brandenburg? Unmöglich, meint Familie Rasmus. Sie entdeckt immer wieder Neues.
Klare Sache, Merle, Lili und Lina gehören zum Verlagsteam. Wenn ihre Eltern losziehen, tritt auch das Mädchentrio von sechs, zehn und dreizehn Jahren in die Pedale oder schultert die Rucksäcke, um neue spannende Wege am Berliner Stadtrand und in Brandenburg zu entdecken. „Brandenburg ist toll!“, sagt Merle, die Älteste der drei. Und dann nimmt sie zu Hause auf der Gartenterrasse an der Schumpeterstraße in Lichtenrade einige handliche, reich illustrierte Ausflugsführer vom Tisch, schlägt rasch ihre Lieblingstouren auf und erzählt von der Hirschkäferwelt bei Dubrow, vom Urwald Grumsin, vom glasklaren Liepnitzsee, den Marienfelder Alpen oder vom Märchenschloss Boitzenburg. All das hat sie schon mit ihren Eltern Bettina und Carsten Rasmus erkundet, die ihre Leidenschaft zum Beruf gemacht haben: Seit 2009 geben sie Rad- und Wanderführer für die Region heraus.
Touren erkunden, fotografieren, Karten zeichnen, Buchvertrieb – alles erledigen sie selbst. Schöne Picknick- , Bade- und Aussichtsplätze aufspüren und natürlich gastfreundliche Lokale, das ist ihre Leidenschaft. Ihrem KlaRas-Verlag hat dies einen großen Fankreis beschert. Wer mit ihren Führern aufbricht, lernt Brandenburg und Berlin aus vielen besonderen Blickwinkeln kennen. Bettina und Carsten Rasmus lieben es zu flanieren. Was das heißt? „Um jede Ecke schauen und neugierig jeden Weg testen, bevor man sich für den besten entscheidet“, sagt Bettina Rasmus. Motto: Geht’s nicht noch schöner?
Unterwegs mit dem Kinderwagen
Ihre Töchter hat die 44-Jährige einstige Grundschullehrerin schon zu Entdeckertouren mitgenommen, als sie noch im Radkindersitz saßen oder im Buggy geschoben wurden. Auch das brachte wertvolle Detailkenntnisse, von denen die Eltern unter ihren Lesern nun profitieren. Zum Beispiel auf dem Weg zum „Haus des Waldes“ bei Müllrose. „Wer mit dem Kinderwagen unterwegs ist, kann die in der Karte eingezeichnete Alternativstrecke zur Königseiche nehmen“, heißt es da im Ausflugsführer „Unterwegs mit Kindern“.
Eigentlich müsste die Rasmus-Familie gar nicht ständig zu neuen Berlin- und Brandenburg-Abenteuern starten. Sie hat es so schön in ihrem eigenen kleinen Lichtenrader Reihenhausparadies, wo die Meerschweinchen im Gehege am Trampolin fiepen und es rundherum üppig grünt und blüht. Doch an Sommerwochenenden hält es das ausflugslustige Quintett nicht auf der eigenen Scholle, „dann lockt die Mark“, sagt Carsten Rasmus. „Oder es zieht uns in die grünen Oasen Berlins.“ Seine Favoriten? „Na ja, beispielsweise die Karower Teiche auf den einstigen Pankower Rieselfeldern.“ Im Röhricht leben dort Schnatterenten, Zwergrohrdommeln und Neuntöter, blühen Kuckuckslichtnelken und Sumpfdotterblumen.
Oder das Osdorfer Wäldchen mit dem gleichnamigen Hofgut, nur 500 Meter hinter der südlichen Stadtkante Berlins Richtung Heinersdorf gelegen. Zottige Highland-Rinder grasen dort auf den Wiesen, es gibt ein Hofcafé mit Shop.
Exkursionen ins Drei-Burgen-Land
Bettina und Carsten Rasmus sind seit 1991 ein Paar. Fast ebenso lange erkunden und schildern sie schon Touren in der Region. Carsten Rasmus, heute ein sportlich-quirliger Fünfziger, verfasste damals als angehender Gymnasiallehrer für Sport und Biologie gerade seine Examensarbeit über die Botanik des Hohen Flämings. Es lag also nahe, erste touristische Exkursionen ins Drei-Burgen-Land zwischen Belzig, Wiesenburg und Raben zu unternehmen, das so kurz nach der Wende noch recht unbekannt war. Dabei stellte er fest: Über diese Gegend – und überhaupt über Brandenburg – gibt’s noch kaum Ausflugsliteratur. Also schrieb er los. Zuallererst fürs einstige Magazin des Naturschutzzentrums Ökowerk Berlin.
Der Aufwand pro Tour war groß, die Honorare recht klein – deshalb sagte sich das Paar: „Mut zum Risiko!“. Das Paar gründete vor 19 Jahren seinen eigenen Verlag. Wie macht und vertreibt man Bücher? Die beiden eigneten sich alles selbst an, knüpften nach und nach Kontakte zu Buchhandlungen, zu denen sie teils bis heute Bücherstapel persönlich ausfahren. Sie können seit Längerem von den Einnahmen leben. Zwischendurch kamen ihre drei Mädchen, wurden als Scouts gleich mitgenommen, fertig war die berlin-brandenburgische Entdecker-Familie.
Nächstes Ziel: Die echte Bergtour am Gipshut
Schon mal vom Radweg Berlin–Kopenhagen gehört? Klar, mit ihrem roten Fahrrad hat Lili dessen Teilstück am Havelufer zwischen Spandau und Oranienburg bereits erobert. Auch ins Reich der Fischadler rund um die Groß Schauener Seenkette der Sielmann-Naturschutzstiftung bei Storkow ist sie schon vorgedrungen. „Weiße Kopffedern haben die Adler“, sagt sie. „Die pfeifen hell, sehen am Himmel aus wie Mega-Möwen.“ Das haben die Kinder beobachtet, als zwei Adler am Strand der Fischerei Köllnitz über ihnen kreisten, einem der idyllischsten Flecken bei Groß Schauen. „Toll ist auch der Gipshut“, ruft Lina, die Jüngste, dazwischen. So heißt ein originell geformter Felsen in den früheren Gipsbrüchen bei Sperenberg im Landkreis Teltow-Fläming. Dort gibt es Kletterpfade, Schluchten und sogar einen kleinen See. Eine „echte Bergtour“ haben sie dort erlebt. Und danach ging’s in nahe Strandbad am Krummen See. „Ein klasse Tipp!“
Zwei Führer bringen Bettina und Carsten Rasmus meist pro Jahr heraus. Ihre Leser entführen sie in alle Himmelsrichtungen des Berliner Umlandes, inzwischen auch mit GPS-Tracks. Im Zwei-Jahres-Turnus werden die Bände aktualisiert. Da müssten sie doch eigentlich irgendwann mal alles gesehen haben ... „Irrtum“, ruft Bettina Rasmus. In Berlin und Brandenburg kann man ein Leben lang auf Entdeckungstour gehen. Gute Aussichten für den Verlagsnachwuchs. Merle, Lili und Lina haben noch viel vor.
Mehr Infos: www.klaras-verlag.de
Christoph Stollowsky