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Die Wärmedämmung von Fassaden hat häufig kaum Effekt - und ist dazu nicht eben brandhemmend.
© Armin Weigel/dpa

Mieterstadt Berlin: Energetische Sanierung als Vermietertrick

Das Dämmen von Wohnhäusern ist schlechter als sein Ruf. Häufig sinken die Nebenkosten kaum, dafür explodiert die Quadratmetermiete. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Gerd Appenzeller

Dieser, einem flammenden Bekenntnis nahe kommende Satz, findet sich auf der Homepage der Bundesregierung: „Öffentliche und private Gebäude in Deutschland verbuchen für Heizung, Warmwasser und Beleuchtung einen Anteil von 40 Prozent des Gesamtenergieverbrauchs ... dass hier gespart werden muss, liegt auf der Hand... Deswegen ist die energetische Gebäudesanierung das Herzstück der Maßnahmen der Bundesregierung zur Energieeinsparung.“ Und die Realität?

Je nach persönlicher Erfahrung ist „energetische Sanierung“ entweder eine tolle Sache, um Heizkosten zu reduzieren – oder eine üble Masche, um Mieter abzukassieren, Vermieter zu sanieren und ästhetisch überzeugende Wohnbauarchitektur des frühen 20. Jahrhunderts zu verschandeln. Der Berliner Mieterverein hat jetzt eine Reihe von Beispielen präsentiert, bei denen die Modernisierung von Miethäusern zu ganz erheblichen Mietsteigerungen geführt hat. Trauriger Spitzenreiter auf der Liste ist die Tegeler Siedlung Am Steinberg, in der nach der baulichen Modernisierung die Quadratmetermiete um sagenhafte 16,10 Euro erhöht worden ist.

Das mag ein Einzelfall sein. Mietsteigerung um 50 Prozent bis nahe an die Verdoppelung der bisherigen Mietforderung sind aber offenbar gängige Praxis. Dem stehen leider keine entsprechenden Reduzierungen der Energiekosten gegenüber. Das heißt: Fast immer legt der Mieter am Ende drauf, und oft bleibt ihm deswegen nur der Wegzug. Auf diese Weise werden gewachsene Sozialstrukturen zerschlagen.

Ob man das nun Gentrifizierung auf schleichendem Wege nennt, oder einfach Ausnutzung einer marktbeherrschenden Position durch den Vermieter, ist Ansichtssache. Faktisch wirkt sich fast immer aus, dass der Vermieter elf Prozent der Sanierungskosten jährlich auf die Miete umlegen darf. Nach nicht einmal einem Jahrzehnt hat sich der Aufwand also gelohnt, vom elften Jahr an klingelt es richtig in der Kasse.

Die Wärmedämmung ist häufig eine Luftnummer

Der Spareffekt bei Strom und Heizkosten rechtfertigt fast nie den Aufwand. Das zitierte „Herzstück der Maßnahmen der Bundesregierung“ ist in vielen Fällen eine Luftnummer. Außerdem macht das Verkleben dicker Polystyrolplatten, die bei der Wärmedämmung besonders gerne verwendet wurden, gerade ältere, anspruchsvollere Hausfassaden zu gesichtslosen Blockbauten. Die kunstvoll aufgebrachte alte Stuckatur muss abgeschlagen werden, bevor das hässliche Isoliermaterial aufgebracht wird. Auch deshalb schlagen renommierte Architekten schon lange Alarm. Dass sich hinter der nicht fachgerecht angebrachten Dämmung Schimmel bildet, dass Polystyrol alles andere als brandhemmend ist, kommt noch hinzu.

Was tun? Zunächst einmal die Regeln ändern, wonach jährlich elf Prozent der Kosten auf die Miete umgelegt werden können. Dieser Satz wirkt nämlich, wie es Reiner Wild vom Mieterverein nannte, wie ein Brandbeschleuniger. Und vor allem nur dann energetisch sanieren, wenn nachgewiesen ist, dass die Einsparungen bei der Energie die Kosten rechtfertigen.

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