Modellprojekt an Brennpunktschule in Neukölln: Elternbesuche gegen den Einfluss der Al-Nur-Moschee
Die Grundschule in der Köllnischen Heide hat viele problematische Schüler, auch aus dem arabischen Raum. Jetzt setzt sie auf zielgerichtete Prävention.
Die Al-Nur-Moschee liegt nur 300 Meter von der Schule entfernt, das ist schon mal eines der Probleme. In der Moschee wird ein extrem konservatives Weltbild gepredigt, fragwürdige Vorstellungen von der Rolle von Frauen inklusive. Martin Hikel, der Bezirksbürgermeister von Neukölln, sagt: „Die Moschee entspricht mit ihren Ansichten nicht unbedingt unserem Wertesystem.“
Die Moschee liegt in Neukölln, 300 Meter von der Grundschule in den Köllnischen Heide entfernt. Astrid-Sabine Busse, die Schulleiterin, sagt: „Viele unserer Kinder haben die Al-Nur-Moschee im Herzen.“
Und viele tragen dann die Weisheiten, die sie dort hören, in ihren Alltag. Muslimische Frauen ohne Kopftuch werden misstrauisch beäugt, Nicht-Moslems gelten als „Ungläubige“. 95 Prozent der 650 Schüler sind nichtdeutscher Herkunft, viele haben arabische Wurzeln. Und viele Eltern der 650 Schüler sind bildungsfern. Auf dem Schulhof entladen sich Aggressionen.
Sehr wenige Schüler haben ein einigermaßen normal funktionierendes Elternhaus
Genau deshalb ist die Schule jetzt ein Modellprojekt. In dem Betonbau neben einem Park wird ein besonderer Versuch gestartet, die Probleme nachhaltig in Griff zu bekommen. Das Projekt heißt „Eltern im Blick - Grenzen setzen - Brücken bauen“, und sein Kernpunkt ist die Prävention. Bildungs-Senatorin Sandra Scheeres (SPD) hat es jetzt vorgestellt, in einem großen Raum in der Schule.
Seit Schuljahresbeginn läuft das Modell, es steht auf vier Säulen, und die wichtigste, die stärkste, heißt Elterngespräch. „Wir müssen ran an die Eltern“, das ist das Motto. Sozialarbeiter nehmen Kontakt mit den Eltern auf, sie besuchen Vater und Mutter zu Hause, sie reden über die Ansprüche der Schule, sie reden Grenzen, die einzuhalten sind, sie reden über Dinge, mit denen Eltern ihre Kinder unterstützen. Die Währung, in der alles abläuft, heißt Vertrauen.
Der richtige Ton beim Gespräch ist wichtig
Nur wer den richtigen Ton trifft bei Eltern, die bildungsfern sind, die Pädagogen und westlichen Werten eher distanziert gegenüber stehen, der kommt in Kontakt. Sinnvollerweise konzentrieren sich die Hausbesuche im Moment vor allem auf die Erstklässler. Aus einem ebenso einfachen wie nachvollziehbaren Grund.
Bei Erstklässlern ist die Unterstützung durch die Eltern noch am größten. „Wir wollen ja jene Eltern in den Elternabenden sehen, die sonst nie auftauchen“, sagt Astrid-Sabine Busse. Die zweite Säule ist die „Entwicklung zur interkulturellen Schule“.
Die Schüler sollen eine „demokratische Schulkultur und ein Klima der gegenseitigen Wertschätzung“ lernen. Säule drei: „Netzwerke und Unterstützungsstrukturen aktivieren“. Bedeutet: Die Pädagogen und die anderen Fachkräfte werden beraten, durch das Quartiermanagement High-Teck-Quartier, den Bildungsverbund Köllnische Heide und das Jugendamt Neukölln.
Vierte Säule: kontinuierliche Fortbildung. Es geht um die Themen, die an der Schule relevant sind. Fragen zur interreligiösen Toleranz, aber auch Fragen zur organisierten Kriminalität. Drei weitere Sozialarbeiter erhält die Schule aufgrund dieses Modells, rund 180 000 Euro werden bereit gestellt, und nach einem Jahr wird evaluiert.
Die genauen Punkte, an denen festgestellt werden kann, ob das Modell erfolgreich ist, stehen noch nicht fest, aber wenn die Methodik erfolgreich ist, dann soll sie an weiteren Schulen angewandt werden.
Die Schulleiterin war die treibende Kraft
Sandra Scheeres hat die politische Verantwortung dafür, dass diese Schule einen neuen Weg einschlägt, aber die eigentlich treibende Kraft hinter diesen Bemühungen ist die hoch engagierte Pädagogin Astrid-Sabine Busse.
Sie leitet seit vielen Jahren die Grundschule an der Köllnischen Heide mit viel Umsicht und klaren Regeln. Aber auch sie stieß bei den zunehmenden Problemen an Grenzen. Deshalb schlug sie vor einigen Monaten öffentlich Alarm, es war eine Art Hilfeschrei.
„Der Lebensraum Schule hat sich extrem gewandelt“, sagt sie jetzt bei der Vorstellung des Projekts. „Das System kommt so schnell nicht mit.“ Viele Kinder aus dem arabischen Raum sind neu gekommen, mit Eltern, die von den Vorstellungen der Al-Nur-Moschee geprägt sind. „Wir haben festgestellt, dass wir unsere Aufgaben ohne Unterstützung auf keinen Fall schaffen“, sagt die Pädagogin. „Wir haben viele bildungsferne Eltern, wie haben viele hilflose Eltern, die nicht mehr wissen, wie sie einen Sechsjährigen in Griff bekommen sollen.“
Diskussionen über Islamismus und Clankriminalität waren die Anlass für das Projekt
Auch Sandra Scheeres räumt ein, dass die öffentlichen Diskussionen über Islamismus, Clankriminalität und Schulen mit hohem Migrationsanteil Anlass dafür waren, ein solches Modellprojekt zu starten. Namentlich erwähnt sie das Engagement von Astrid-Sabine Busse. „Diese Schulleiterin jammert nicht, sie schaut nach vorne.“
Nach vorne geschaut wurde in einer hocheffektiven Teamarbeit. Die Verantwortlichen aus Senat, Schule und anderen Bereichen setzten sich zusammen und stellten in kurzer Zeit ein Konzept auf. Die sinnvollste und beste Entscheidung von Sandra Scheeres war der Umstand, dass sie nicht mit dem Gießkannen-Prinzip an die Problemlösung ging.
Neue Sozialarbeiter: ja. Aber bitte so eingesetzt, dass sie die spezifischen Probleme dieser Schule am besten beheben können. Und der Einsatzort sind jetzt vor allem die Wohnzimmer der Eltern. „Das Konzept ist genial“, sagt Astrid-Sabine Busse.
Das Konzept greift zwar erst seit rund sieben Wochen, aber schon jetzt kommen die betroffenen Sozialarbeiter mit positiven Eindrücken zurück. Die Fachleute wurden herzlich und offen empfangen, sie genossen Gastfreundschaft, sie kamen ins Gespräch.
Ins Gespräch kommt in der Schule in der Köllnischen Heide freilich auch Sandra Scheeres. Nicht mit Eltern, aber mit freudig-neugierigen Erstklässlern. Irgendwann taucht die Senatorin in einer Runde von Erstklässlern auf, die Bilder mit Tieren betrachten, betreut von zwei Lehrern.
Sandra Scheeres setzt sich dazu, redet mit den Sechsjährigen und sieht in herzliche, unschuldige Gesichter. Ein Bild von Harmonie und dieser Mischung aus kindlicher Neugier und vorsichtigem Abtasten. In diesen Minuten erinnert nichts daran, dass hier eine Schule ist, die enorme Probleme bewältigen muss. Als die Politikerin die Klasse wieder verlässt, stehen die Kinder da, lächeln, winken und schreien im Chor: „Tschüüüüß“.