Schwimmen im Südwesten Berlins: Eins, zwei, drei und rein!
Wetter? Egal. Geschichten vom Schwimmen im Berliner Südwesten.
"Vom Schwimmen in Seen und Flüssen“, dazu hat Bertolt Brecht eigentlich schon alles gesagt. „Im bleichen Sommer, wenn die Winde oben / Nur in dem Laub der großen Bäume sausen / Muss man in Flüssen liegen oder Teichen “
Bleicher Sommer? Sommer? Es war ein kalendarischer Sommertag, als mich der Kollege ins Wasser trieb. Außentemperatur knapp über 16 Grad, Wassertemperatur in der Krummen Lanke gefühlt knapp über null. Können wir nicht über Eislaufen reden? Aber gut, die Pflicht ruft, und wo ist die Badehose? Okay, ich war Leistungsschwimmer, Sportler, ich war, in aller Bescheidenheit, ziemlich gut. 40 Jahre später schwimm ich die 100 Meter Freistil nicht mehr unter einer Minute, Ich habe jetzt Zeit nehmen lassen, nach jämmerlichen 1:28 Minuten habe ich kurz vor dem Sauerstoffzelt angeschlagen. Und als kürzlich ein anderer, jüngerer Kollege sich aufregte über die vollen Bahnen in Berlins öffentlichen Bädern, die kein schnelles Schwimmen mehr erlauben, habe ich gedacht: Gut so! Und: Dann geh doch in den See!
Ich war jetzt wieder im See. In der Krummen Lanke. Die Badehose habe ich nicht gefunden, aber in die Krumme Lanke kommt man auch ohne rein, sofern man keine Angst vor den Welsen hat. Eins, zwei, Sprung! Die Waden haben sich ja schon gewöhnt an das kühle Wasser, was schön kühl wäre, wenn der Sommer ein Sommer wäre. Eins, zwei, Sprung! Vielleicht doch erst den Bauch ein wenig benetzen, die Brust dazu? Eins, zwei, Sprung! Ein bisschen Wasser ins Gesicht? Eins, zwei, Sprung? Der Wind weht über die benetzte Haut, es ist 17:32 Uhr. Ich kenne Menschen, die hüpfen auch im Winter ins Wasser des Schlachtensees oder der Krummen Lanke. Ich bin ein Weichei, obwohl ich doch besser schwimme als die Hartgesottenen.
Eins, zwei, drei und rein! Kopf unter. Einen, zwei, drei Meter tauchen. Nichts sehen im trüben Gewässer trotz offener Augen. Die Poren haben sich längst geschlossen gegen die Kälte, die gar keine ist, weil das Wasser viel wärmer ist als die Außentemperatur. Dann auftauchen, Luft holen, im Laub der großen Bäume saust der Wind, das sieht der Brillenträger auch ohne Brille, die an Land liegt. Ein paar Brustzüge, keine sportlichen, solche mit dem Kopf über Wasser, um die Umgebung zu genießen. Dann auf den Rücken drehen. Ich war nie Rückenschwimmer. Aber Brecht sagt. „Natürlich muss man auf dem Rücken liegen / So wie gewöhnlich. Und sich treiben lassen.“ Sich treiben lassen? Es gibt das Lied von der Krummen Lanke, vielleicht hat Hermann Prey die schönste Version gesungen, es endete im Desaster mit ungewollter Schwangerschaft, aber die waren ja nicht in der Krummen Lanke, sondern außen rum, die Dummbeutel.
Ich schwimme. Einmal quer. Dann einmal längs. Der Wels kann mir gestohlen bleiben. Kopf über, Wald drum herum. Herrlich. Wundervoll. Traumhaft. Ich bin jetzt am Ende. Und wenn ich aussteigen würde, wären es nur noch ein paar Meter zu Onkel Tom. Aber ohne Badehose würde ich dort wohl nicht mal einen Tee bekommen. Auch dunkelt es jetzt langsam. Also zurück. Herrlich. Wundervoll. Traumhaft. Die letzten Meter kraule ich. Wenn jetzt jemand da wäre, der mein Tempo messen würde, also 59,8 Sekunden wären drin gewesen auf 100 Meter, wenn nicht der Weltrekord. Also ungefähr der von damals.
Blöd nur, dass mir irgendein Volldepp das Handtuch geklaut hat und der grandiose Sommerwind mit gefühlt 16 Grad die Haut bei lächerlichen Hüpfbewegungen trocknen muss. Gelohnt hat es sich trotzdem. So ein Bad im See lohnt sich immer. Helmut Schümann
Wasser, Bäume, Himmel
Der perfekte Start ins sommerliche Wochenende? Samstagmorgens, während der Mann und die Kinder noch in ihren Betten schlafen, Badesachen packen, sich auf Zehenspitzen aus der Wohnung schleichen und in sagenhaften sechzehn Minuten durch die leeren Straßen an den Schlachtensee fahren. Bis ganz zur Fischerhütte geht es auf dem Parkplatz ran, weil um diese Zeit sonst noch keiner da ist. Jetzt nur noch wenige Schritte am rechten Ufer entlang bis zu dieser einen bestimmten Badestelle, wo ein Baumstamm querliegt. Das gehört zum Ritual.
Zwei, drei Schwimmzüge später ist das alles hinter einem gelassen: nicht nur der kleine, torfige Strand, sondern die vergangene Woche, die Arbeit und was sonst an einem zieht und zerrt. Dann sind da nur noch das Wasser, rundum die Kiefern und darüber der Himmel. Es ist, als würde man in einem Gemälde von Walter Leistikow planschen. Seit über 100 Jahren hat sich die Kulisse nicht verändert. Die Strecke ist einfach und klar, einmal quer rüber auf die andere Seite und dann zurück. Irgendwann in der Mitte kommt immer der gleiche Gedanke: Meine Güte, ist das schön, haben wir Berliner es mit unseren Seen gut.
Am Ufer wieder angelangt, formt sich jedes Mal ein zweiter stets gleicher Gedanke: Morgen früh, da komme ich wieder. Nicola Kuhn
Durch die Nacht schwimmen
Es war toll, ich fühlte mich lebendig und wach, frisch. Wir waren zu fünft im schwarzen Wasser und hielten auf das gegenüberliegende Ufer des Grunewaldsees zu. Durch die Nacht zu schwimmen war unheimlich und spannend zugleich. Die Bäume schwarz, der Himmel etwas heller, keine Lichter, unsere Körper leuchteten weiß im düsteren See. Nach der Party waren wir uns verschwitzt einig geworden, dass der Abend noch lange nicht zu Ende sei - „lasst uns zum Grunewaldsee fahren und schwimmen gehen“.
Würde heute kaum noch einer machen. Anfang der neunziger Jahre war der Grunewaldsee ein richtiger Badesee, bei gutem Wetter lagen Familien, Pärchen, Freunde und Solisten dicht an dicht am großen Strand. Heute findet das Seeleben nur noch an der Krummen Lanke und am Schlachtensee statt, tagsüber wie nachts. Auch damals waren wir um Mitternacht nicht alleine am Wasser. Das merkten wir, als wir nach unserer Seedurchquerung zurück an Land kamen und uns - wir waren natürlich nackt ins Sommerwasser gestiegen - anziehen wollten: Unsere Klamotten waren verschwunden. Irgendein Idiot hatte unsere Kleidung geklaut! Wir brüllten Drohungen in die Nacht und rannten auf der Suche nach dem Dieb nackt die Uferwege entlang. Diverse Radfahrer - peinlicherweise mit Licht - und Fußgänger machten, so gut es ging, Bögen um unsere bleiche und wütende Schar.
Gerade als ich den Plan ausgearbeitet hatte, wie man nackt ohne allzu großes Aufsehen ein Taxi auf der Clayallee anhalten könnte, rief eine Freundin: „Hier!“ Sie hatte unsere Anziehsachen gefunden. Wir hatten uns beim Zurückschwimmen im Dunkeln schlicht in der Bucht geirrt.
Obwohl ich es nicht unbedingt weiterempfehlen würde, nachts unbekleidet am Seeufer umherzuspringen und „Wir kriegen dich, du Schwein“ zu brüllen: Dass der See - ein kleiner Teil bis zum Jagdschloss Grunewald gehört zu Steglitz-Zehlendorf - heute zum reinen Hundebadesee mutiert ist, empfinde ich als Verlust. Und ich fände es toll, wenn wir Berlinerinnen und Berliner in naher Zukunft dort wieder baden könnten - auch tagsüber. Boris Buchholz
Die Westküste Berlins
Tolle Ufer gibt es viele in Berlin: Müggelsee, Dahme, Schlachtensee, Krumme Lanke. Oder so kleine, eher unbekannte Gewässer wie den Orankesee in Hohenschönhausen (mit eigenem Strandbad!). Sie alle werden aber geschlagen vom Wannsee. Nicht, weil er so groß wäre. Sondern wegen seiner geografischen Lage, genauer: Wegen der Himmelsrichtung. Nur hier kann man nachmittags liegen und der Sonne im Westen, über dem Wasser, beim Untergehen zuschauen. Und sich nach Kalifornien träumen. Der Wannsee ist die Westküste Berlins. Sanft graben sich die Zehen in den Sand, eine leichte Brise streift über die Haut, Vögel (auch künstliche, mit dem Ziel Tegel) ziehen über dem Kopf hinweg, man lässt die Seele baumeln. Entspannung pur!
Dazu kommt die fantastische Architektur des Strandbades: sieben langgestreckte, aus mediterran-hellem Stein gemauerte Häuser. Sie lassen erahnen, dass dieses Bad bei seiner Errichtung in den zwanziger Jahren mal für eine Weltstadt geplant war. Man kann den metropolitanen Anspruch aber auch ganz leicht vergessen. Indem man sich in die Fluten stürzt und krault, immer der Sonne entgegen, und sich dabei nicht an den Schlingpflanzen stört, von denen einige die Beine sanft umstreicheln. Oder indem man die Promenade entlangschlendert und sich an der Imbissbude am nördlichen Ende ein Radler kauft. Oder gleich ein Kindl. Dem sonnengegerbten Verkäufer sieht man seinen Arbeitsplatz mit hundertprozentiger Westausrichtung an.
Tipp: Mit dem Bierchen auf die Brüstung setzen und einfach nur aufs Wasser schauen. Wasser beruhigt die Seele, überall. Hier aber besonders. Die Lichtteilchen, die die Sonne vom Himmel schickt, tanzen auf den kleinen Schaumkronen, im Gegenlicht watscheln ein paar Enten das Ufer entlang. Wo könnte es schöner sein? Und seit die Bäderbetriebe den abendlichen Rausschmiss nicht mehr mit ihrem privaten „Feierabend“ begründen, sondern ganz allgemein mit „Badeschluss“, fällt der erzwungene Abschied vom Berliner Sommerparadies auch ein kleines bisschen leichter. Udo Badelt
Lange Strecken, kurze Strecken
Im Sommer ins Hallenbad? Viele halten mich für leicht verrückt, wenn ich ihnen das erzähle (es sei denn, es starkregnet gerade). Zugegebenermaßen werde ich ein wenig dazu gezwungen - mein Schwimmverein hat nun einmal Zeiten in der Halle. Aber wahrscheinlich würde ich das auch ohne Verein so machen. Denn die Schwimmhalle in der Finckensteinallee, wo ich trainiere, ist eine der imposantesten in Berlin. Zehn Fünfzig- Meter-Bahnen, riesige, bodentiefe Fenster, das Dach so hoch, dass ein ganzer Sprungturm reinpassen würde: Man kommt sich hier weniger begrenzt vor als in so manchem Berliner See. Ein erhabenes Gefühl beim Reinspringen!
Viele Beckenschwimmer fürchten sich ja nachgerade vor offenem Wasser (wer weiß, was da unten schwimmt?!). Ganz so irrational bin ich nicht. Aber während man im See lustig vor sich hin schwimmen kann, ist in der Halle richtiges Training möglich: Lange Strecken, kurze Strecken, schnell, langsam, alles in exakten Wechseln. Und wer das ewige Hin und Her aushält, lässt sich auch sonst nicht so schnell aus der Bahn werfen.
Anders sieht es mit der zweiten Schwimmhalle im Bezirk aus, dem Bad am Hüttenweg. Ich weiß nicht genau, was schiefläuft: Aber an den Temperaturreglern müsste man noch mal arbeiten. Sind es draußen 30 Grad, werden es drinnen gefühlt mindestens 45. Das Wasser könnte man gut für einen Aufguss in der Sauna nutzen, für einen warmen, wohlgemerkt. Wer wissen will, wie sich Schwitzen beim Schwimmen anfühlt, ist hier genau richtig. Tilmann Warnecke