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Das Magnus-Haus am Kupfergraben in Berlin-Mitte. Dort wurde der Siemens-Konzern gegründet.
© Thilo Rückeis

Berlin-Mitte: Einigung bei Mietstreit um Magnus-Haus

Siemens bietet Deutscher Physikalischen Gesellschaft 30-jährigen Mietvertrag. Baupläne neben denkmalgeschützten Barock-Palais bleiben trotz Proteste.

Beste Lage vis-à-vis vom Pergamaonmuseum, Kanzlerin Angela Merkel (CDU) als Nachbarin, verkehrsarm, mit Zuflucht vor den Touristenscharen im weitläufigen privaten Garten hinter dem "Palais" – das alles bietet das Magnus-Haus in Mitte. Und wie es so üblich ist auf dem Immobilienmarkt: Nachdem das Topobjekt am Kupfergraben einen neuen Eigentümer bekam, den Industriemulti Siemens, begann der Streit um deren Nutzung. Gerüchten, wonach Druck auf den langjährigen Altmieter ausgeübt wurde auszuziehen sowie Neubaupläne des Hauseigentümers machten das Gezerre um das Barockpalais zum Politikum.

Mietvertrag über 30 Jahre

Doch nun gibt es eine überraschende Wende in der Auseinandersetzung: Siemens hat der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (DPG) nach dem Ende des bestehenden Nutzungsvertrags im Jahr 2024, einen neuen Mietvertrag für eine Dauer von 30 Jahren angeboten und die Gremien der ehrwürdigen Gesellschaft haben dessen Unterzeichnung zugestimmt. Mit einem Vorbehalt: Wirtschaftsprüfer sollen das Vertragswerk noch einmal durchleuchten, damit auch wirklich keine Unwägbarkeiten oder Fallstricken übersehen werden. Sollte auch diese Prüfung positiv ausfallen, geht es an die Vertragsunterzeichnung – und Siemens an die Umsetzung seiner Bebauungspläne auf dem Filetgrundstück.

DPG-Sprecher Gerhard Samulat bestätigte auf Anfrage den Gremienbeschluss. Damit könne ferner "die wissenschaftliche Begegnung im historischen Magnus-Haus fortgeführt werden, indem die DPG für ihre Veranstaltungen Räume im Magnus-Haus anmieten kann". Die Veranstaltung setzt eine lange Tradition fort: Der Berliner Physiker und Chemiker Heinrich Gustav Magnus, der das Haus 1840 erworben hatte, richtete dort das damals neuartige "Physikalische Colloquium" ein, in dem wissenschaftliche Veröffentlichungen bei Tee und Gebäck diskutiert wurden. Nicht verbürgt ist, ob dabei auch die "Bananenflanke" besprochen wurde, die HSV-Legende Manfred Kaltz viel später in Vollendung vorführte, und deren Flugbahn dank einer Formel von Magnus errechnet werden kann.

Neubau mit 1800 Quadratmetern geplant

"Wir wollen das Gelände gemeinsam nutzen", sagte Siemens-Sprecher Michael Friedrich auf Anfrage. Deshalb werde man die endgültige Entscheidung der DPG abwarten. Auch die Neubaupläne werde der Konzern mit seinem namhaften Mieter abstimmen. Ein positiver Bauvorbescheid über die Errichtung eines neuen Gebäudes auf dem bisher als Parkplatz genutzten Grundstück. Auf einer Grundfläche von rund 600 Quadratmetern könne eine Nutzfläche von rund 1800 Quadratmetern entstehen.

Die Höhe des neuen Gebäudes werde zwischen der des Magnus-Hauses und der des Colegium Hungaricums liegen, gut 17,5 Meter etwa. Wie der Neubau aussehen wird, soll ein Architektenwettbewerb entscheiden. Dieser soll aber erst nach der Unterzeichnung des Mietvertrages ausgelobt werden.

Architekten, Denkmalpfleger, Politiker protestieren

Allerdings hatten auch diese Pläne für einen Neubau noch in diesenm Jahr eine heftige Debatte ausgelöst. Linken-Chef Klaus Lederer hatte im April im Tagesspiegel das "Schleifen des baukulturellen Erbes zugunsten eines Großkonzerns" beklagt und ausgerufen: "Rettet das Magnus-Haus!" Ein halbes Jahr zuvor hatten alle Berliner Architektenverbände in einem gemeinsamen offenen Brief zum Boykott des angekündigten Wettbewerbs von Siemens für den geplanten Neubau hinter dem Denkmal aufgerufen. Sogar der Landesdenkmalrat unterschrieb den Aufruf – und stellte sich damit gegen Senat und Bezirk.

"Abwägung" zugunsten wirtschaftlicher Interessen

Zumal die Spitzen der Behörden die Bedenken der Fachleute übergangen waren, wonach ein Neubau das "letzte Beispiel eines barocken bürgerlichen Stadtpalais in Berlin-Mitte" mit den "dazugehörigen Gartenarealen" zerstören werde. Der damalige Bausenator und heute Regierender Bürgermeister Michael Müller sowie Mittes Baustadtrat Carsten Spallek (CDU) erteilten trotzdem den Bauvorbescheid zugunsten von Siemens. Spallek erklärte dies mit einer "Abwägung": Die wirtschaftlichen Interessen des Landes an der Einrichtung einer Hauptstadtrepräsentanz durch Siemens wögen schwerer als die Bedenken der Denkmalschützer.

Der Konzern hatte den barocken Palais vom Land für 2,86 Millionen Euro gekauft, damals hieß der Regierende Bürgermeisters noch Eberhard Diepgen (CDU), obwohl der Verkehrswert 9,8 Millionen Euro betragen haben soll. Der Kaufpreis war auch nach Erteilung des Bauvorbescheids nicht aufgebessert worden, obwohl der Kaufvertrag dies zugelassen hätte. Die Genehmigung für den Neubau erhöht den Wert des Grundstücks.

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