Streit um Gutachten zu Fledermäusen: Einheitsdenkmal spaltet Naturschützer
Zwischen Naturschützern gibt es Streit um ein Gutachten zu Fledermäusen am Schlossplatz. Der droht, den Baubeginn des Einheitsdenkmals erneut zu verzögern.
Noch hängen die Wasserfledermäuse regungslos im Sockel des geplanten Einheitsdenkmals. Sie halten Winterschlaf. In wenigen Tagen dürften sie schon wieder auf Jagd gehen und ihr Winterquartier verlassen. Dann könnten die Bauarbeiten an dem Denkmal am Schlossplatz beginnen. Nur: Ob sie tatsächlich beginnen, ist völlig unklar.
Die Arbeitsgemeinschaft „Milla und Partner“ hat jedenfalls vor Kurzem bei der Senatsumweltverwaltung einen sofortigen Baubeginn beantragt, besser gesagt: sobald die Tiere ihr Quartier verlassen haben. „Milla und Partner“ betreuen die Bauarbeiten im Auftrag des Bundesamts für Bauwesen und Raumordnung (BBR), einer Gliederung des Bundesministeriums des Inneren, für Bau und Heimat.
Zu dem aktuellen Antrag gehört ein Gutachten von Susanne Rosenau. Die Diplom-Biologin hat aufgelistet, welche Maßnahmen notwendig sind, damit die Fledermäuse Ersatzquartiere für die Aufzucht ihrer Jungen finden.
Doch dieses Gutachten führt jetzt dazu, dass ausgerechnet zwei Naturschutzverbände, die sonst eng zusammenarbeiten, in Streit geraten.
Der Naturschutzbund (Nabu) ist mit dem Gutachten von Susanne Rosenau sehr zufrieden. „Bessere Lösungen fallen uns auch nicht ein“, sagt Rainer Altenkamp, der Vorsitzende des Berliner Landesverbands des Nabu.
Naturschützer erwägen Klage
Dem Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) fallen dagegen ganz erheblich bessere Lösungen ein. „Wir können dem Antrag nicht zustimmen“, schrieb Herbert Lohner, Referent für Naturschutz der BUND-Landesgruppe Berlin, der Senatsumweltverwaltung Anfang April, nachdem er das Gutachten von Rosenau gelesen hatte. Dem Tagesspiegel sagte Lohner: „Wir erwägen eine Klage, wenn die Senatsumweltverwaltung den schnellstmöglichen Baubeginn erlaubt.“
Das wäre dann quasi eine Gegenklage zum Nabu. Denn der hatte im Oktober 2019 Klage vor dem Verwaltungsgericht Berlin gegen einen sofortigen Baubeginn eingelegt, weil ihm das ökologische Gutachten des Fledermaus-Experten Carsten Kallasch nicht gefallen hatte. Die Fledermäuse würden durch die vorgeschlagenen Maßnahmen von Kallasch nicht ausreichend geschützt. Kallasch hatte sein Gutachten im Auftrag des BBR erstellt. Der BUND favorisiert das Kallasch-Gutachten. Und die Senatsumweltverwaltung hatte 2019 den sofortigen Baubeginn nur erlaubt, wenn Kallaschs Forderungen umgesetzt werden.
Der Fledermaus-Experte möchte ein umfangreiches Ufergebiet im Plänterwald renaturieren. Dort sollen die Wasserfledermäuse nicht bloß ein ausreichend großes Jagdgebiet vorfinden, sie sollen dort auch genügend Wochenstuben zur Aufzucht ihrer Jungen erhalten. Dazu sollen 30 Fledermauskästen aufgehängt werden.
Fledermäuse sollen Jagdgebiet behalten
Eine Uferrenaturierung? „Nicht nachvollziehbar“, so zitieren „Milla und Partner“ in ihrem Antrag die Gutachterin Rosenau. Das Aufhängen von handelsüblichen Fledermauskästen stelle „allein keine ausreichende Ersatzmaßnahme dar“. Rosenau möchte stattdessen vier große Ersatzquartiere an der Eisernen Brücke und der Schleusenbrücke anbringen, in der Nähe des geplanten Denkmals.
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Damit, schreiben „Milla und Partner“, sei auch gewährleistet, dass die Wasserfledermäuse ihr angestammtes Jagdgebiet behielten. Allerdings geben „Milla und Partner“ zu, dass Rosenau keine „hundertprozentig gesicherte Prognose“ geben könne, dass diese Brückenquartiere angenommen würden. Es sei eine „neuartige Maßnahme“, zu der es kein „gesichertes Erfahrungswissen gebe“.
Genehmigung für Kästen fehlt
Und noch einen weiteren, juristisch heiklen Punkt räumen „Milla und Partner“ ein. Sie haben noch gar keine Genehmigung für das Aufhängen der Alternativ-Wochenstuben. „Den erforderlichen Nachweis für eine rechtlich sichergestellte dauerhafte Zurverfügungstellung der Trägerstrukturen der betreffenden Brücken für die Ersatzquartiere werden wir zeitnah (…) nachreichen“, schreibt die Agentur umständlich.
Für BUND-Naturschutz-Referenten Lohner ist das Rosenau-Gutachten nicht plausibel. Er schreibt der Senatsumweltverwaltung, dass unter den Brücken nicht dauerhaft jenes Feuchtklima herrsche, das Wasserfledermäuse bräuchten, um dort einzuziehen. Stattdessen sei längst nachgewiesen, dass die Tiere im Plänterwald ihre Wochenstuben eingerichtet hätten. Deshalb müsste dort jetzt die Zahl der potenziellen Sommerquartiere vergrößert werden.
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Renaturierung des Plänterwalds kostet zwei Millionen Euro
Für das BBR hat das Rosenau-Gutachten aber noch einen bedeutsamen Aspekt. Die Maßnahmen, welche die Diplom-Biologin vorschlägt, sind viel billiger als die Kosten der Kallasch-Lösungen. Die Renaturierung des Plänterwalds kostete rund zwei Millionen Euro.
Die Rosenau-Maßnahmen wären nach Einschätzung eines Experten für rund 100.000 Euro zu haben. Und da für das wegen seiner Kosten hochumstrittene Prestigeobjekt des Bundes schon jetzt 17 Millionen Euro veranschlagt sind, möchte der Bund weitere Preissteigerungen vermeiden.
Herbert Lohner vom BUND befürchtet deshalb, dass die Senatsumweltverwaltung „politisch entscheidet“, sprich, den sofortigen Baubeginn auf Grundlage des Rosenau-Gutachtens genehmigt. Das wäre die billigere Lösung.
Wenn die Entscheidung der Obersten Naturschutzbehörde tatsächlich so fallen sollte, „dann“, sagt Nabu-Landeschef Altenkamp, „werden wir unsere Klage zurückziehen“. Sonst nicht.
Klar ist jedenfalls, dass die Senatsumweltverwaltung bald entscheiden muss. Sonst steht man vor vollendeten Tatsachen. Sobald nur eine Fledermaus mit einem Jungen in den Sockel zurückkehrt, darf nicht gearbeitet werden.
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