U-Bahn Linie 5: Einer der schwierigsten Bauabschnitte beginnt
Auf einer der längsten Baustelle Berlins beginnt jetzt die entscheidende Phase: Der Bau des U-Bahnhofs an der Museumsinsel. Angewendet wird ein besonderes Verfahren.
Seit 2012 wird am Lückenschluss der U-Bahn-Linie U 5 zwischen Alexanderplatz und Brandenburger Tor gebaut. Nun beginnt einer der schwierigsten Bauabschnitte. Diese Arbeiten entscheiden, ob der aktuelle Terminplan gehalten werden kann. Er sieht weiter vor, dass die ersten Züge Ende 2020 durch die beiden schon fertigen, 2,2 Kilometer langen Röhren fahren. Die im Plan eingebauten zeitlichen Puffer sind aufgebraucht.
Auch der nach außen stets optimistische Technikchef der Bauherrin Projektrealisierungs GmbH U 5, Jörg Seegers, hat dieses Mal „Respekt“ vor den bevorstehenden Arbeiten, wie er dem Tagesspiegel sagte: „Uns steht ein Blindflug im Untergrund bevor.“ Was jetzt kommt, sei eine der größten Herausforderungen: Der Bau des Bahnhofs Museumsinsel, der zum Teil unter dem Spreekanal liegt.
Weil dort, anders als bei den im Rohbau bereits fertigen Stationen Rotes Rathaus und Unter den Linden, keine Grube für den Bahnhofsbau ausgehoben werden kann, wenden die Planer ein besonderes Verfahren an: Sie vereisen den Boden um die künftige Station, damit kein Grundwasser in die Baustelle eindringen kann.
"Wir laufen jeden Tag gegen die Uhr an"
Das ist einfacher entschieden als getan. Damit der unterirdische Eispanzer dicht wird und mindestens auch zweieinhalb Meter dick, müssen zunächst insgesamt 105 exakte Bohrungen erfolgen. Durch die dort dann eingebauten Rohre fließt eine Kalziumchloridlösung als Vereisungsmittel. Mit einer Temperatur von minus 37 Grad. Damit soll erreicht werden, dass es auf der Innenseite des Eiskörpers mindestens minus zwei Grad kalt ist – auch wenn weiter oben im Sommer die Sonne so richtig knallt.
Im Osten und Westen des künftigen Bahnhofs gibt es kleine Baugruben, aus denen heraus die Bohrer angesetzt werden. 100 Meter geht es von der östlichen Grube voran; jeweils etwa zehn Meter aus dem westlichen Gegenstück. Damit die Bohrer auf Kurs bleiben, setzt man hochkomplizierte Technik ein, die bis vor einem Jahr ausschließlich für militärische Projekte eingesetzt werden durfte. Die Steuerungstechnik stammt aus Kampfflugzeugen und wird per Satellit geregelt. „Wir haben alles drin an Technik, was möglich ist“, sagte Seegers.
Den Feind kennt er: Findlinge im eiszeitlichen Geschiebemergel. „Bis zur Größe eines Kopfes wird der Bohrer damit fertig“, ist der Ingenieur überzeugt. Sind die Steine größer und bewegen sie sich auch noch, wird es schwierig, das Bohrloch zu halten. Geht nichts mehr, müsse der Bohrer den Findling in einem Bogen umfahren. Die Technik lasse das bis zu einem vorgegeben Radius zu. Ganz große Brocken, die fest im Untergrund verankert sind, können nach Seegers Angaben dagegen durchbohrt werden – mühsam. „Das kann uns vier Wochen Zeit kosten. Und dann ist der Terminplan geplatzt“, ist Seegers klar. „Wir laufen ohnehin jeden Tag gegen die Uhr an.“ Vor allem der Erdrutsch am Brandenburger Tor 2014 hat die Zeitpuffer aufgefressen.
Dass die ersten Bohrungen im vergangenen Jahr erfolgreich waren, schafft bei Seegers noch keine Sicherheit. Die Bohrkanäle liegen in der oberen Ebene über dem künftigen Bahnhofsdach und führen durch sandigen Boden ohne Hindernisse. „Immerhin haben wir hier üben können“, freut sich Seegers trotzdem. Schwierig wird es jetzt auf der unteren Ebene, zumal dort auch noch die Erdschichten wechseln – und die Findlinge wohl warten.
Beginnen sollten die Bohrungen im Juni; fertig sein im August. Seegers will jetzt bereits im März starten, um Zeit gewinnen zu können. Wenn alles klappt, auch bei den anschließenden Bohrungen auf der mittleren Ebene, kann das Vereisungsmittel strömen und den „Frostkörper“ bilden. Exakt 80 Tage haben die Planer für diese Phase ausgerechnet. Dass in der gleichen Zeit im Roman von Jules Verne ein gewisser Phileas Fogg um die ganze Welt gereist ist, sei Zufall, sagt Seegers.
Mit einer aufwändigen Messtechnik soll anschließend überprüft werden, ob der Eisblock dicht ist. Und dann wird es wieder spannend: In der östlichen kleinen Baugrube wird die Betonwand aufgebrochen, die die Baustelle von dem künftigen Bahnhof trennt. Anschließend wird die Erde nach bergmännischer Art im Schutz des Eispanzers per Bagger entfernt und der Hohlraum für den künftigen Bahnhof geschaffen, der nach Plänen des Architekten Max Dudler entsteht.
Nur aus dem inneren Bereich darf nach dem Aufbrechen der Wand noch das Wasser abfließen, das vom Eisblock eingeschlossen ist. Rauscht es weiter, hat das Vereisen nicht funktioniert – und es müsste nachgebessert werden. Auch am Terminplan. Und beim Geld. 525 Millionen Euro sind als Gesamtkosten angesetzt. Bisher sei man auf Linie, sagte die Finanzgeschäftsführern der Projektrealisierungs GmbH, Ute Bonde. Ob’s dabei bleibt, hängt jetzt vom Bohren ab. Und Seegers weiß: „Vor dem Bohrer ist es duster.“