Ab Montag können alle Berliner Kinder in die Kita: „Eine Notbetreuung hat es in Wirklichkeit nie gegeben“
Von Montag an können in Berlin wieder alle Kinder in eine Kita gehen. Eine große Umstellung ist das für die Einrichtungen allerdings nicht.
Die Ankündigung der Senatsverwaltung für Bildung, Familie und Jugend klingt wie eine Erfolgsmeldung für gestresste Eltern: Von Montag an endet der „Notbetrieb“ in den Kitas, dann kehren die Einrichtungen zu einem „eingeschränkten Regelbetrieb“ zurück. Und nun, sorgt die Umstellung für Probleme?
"Welche Umstellung?", fragt Sabine Radtke fast schon amüsiert. „Wir hatten nie einen Notbetrieb. Da muss man mal ehrlich sein, das hätte man von vornherein offen mitteilen müssen.“ Und deshalb, sagt die Referentin für Kindertagesstätten-Betreuung des Paritätischen Wohlfahrtsverbands Berlin, gebe es grundsätzlich auch keine organisatorischen Probleme. Das Personal habe ja ohnehin die ganze Zeit mit vielen Kindern gearbeitet. „65 Prozent der Kitas waren ständig belegt, teilweise lag die Auslastung bei 80 Prozent.“
Kein Wunder, denn die Liste der systemrelevanten Berufe, deren Angehörige Anspruch auf eine Kitabetreuung haben, umfasst 31 Seiten. Dazu kommen noch Vorschulkinder, Kinder von Alleinerziehenden, Kinder mit Förderbedarf und mit besonderem pädagogischen Anspruch. Der Paritätische Wohlfahrtsverband ist die Dachorganisation von 120 Kitaträgern mit insgesamt 540 Kitas. Und jede dieser Kitas war in Pandemiezeiten gut ausgelastet.
Ein Problem allerdings sieht Sabine Radtke denn doch. Jedes Kind hat auch in der „eingeschränkten Betreuung“ wieder Anspruch auf mindestens sieben Stunden Betreuung pro Tag, viele dürfen sogar noch länger bleiben. „Trotzdem müssen wir laut Vorgaben unverändert dafür sorgen, dass die Gruppen der Kinder konstant und klein bleiben“, sagt Radtke. Nur: Wie soll das gehen? "Wir haben dann zwar mehr Kinder, aber nicht mehr Personal.“ Die Kontinuität der Gruppen kann sie ja garantieren, aber nicht deren geringe Größe. „Da muss eine Kitaleitung im Bedarfsfall mit der Schulaufsicht sprechen und darauf verweisen, dass man von der reinen Lehre etwas abweichen muss.“
Auch Renate Wilkening kann nur den Kopf schütteln beim Begriff „Notbetrieb“. Sie wirft der Bildungsverwaltung eine unzureichende Informationspolitik vor. Die habe mit dem Begriff „Notbetreuung“ suggeriert, dass sie Maßnahmen zur Eindämmung von Corona getroffen habe, in Wirklichkeit aber „hätte sie ehrlich sagen sollen, dass wir einen Regelbetrieb unter Pandemiebedingungen haben“.
Krankheitsfälle beim Personal vergrößern das Problem
Auch die Geschäftsführerin des Nachbarschafts- und Selbsthilfezentrums in der Ufa-Fabrik (NUSZ) hat Zahlen. In einer der vier Kitas des Trägers lag in einer Woche die Auslastung sogar bei 90 Prozent. Ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, sagt Wilkening, hätten eine „unermessliche Arbeit“ geleistet und viel früher mit den Hygienemaßnahmen begonnen als sie vom Senat angeordnet worden seien. „Nur deshalb hatten wir bei uns nur wenige Coronafälle.“
Auch sie sieht das Personalproblem, wenn jetzt wieder alle Kinder auftauchen. „Wir haben ja auch Krankheitsfälle beim Personal, da müssen wir reagieren“. Die Reaktion lautet: Die Öffnungszeiten werden reduziert. „Eine Betreuung, die gefährdet, machen wir nicht.“ Zudem sind ja noch längst nicht alle Mitarbeiter der Kitas in Berlin zweimal geimpft. Bei einer Kita in Tempelhof hat gerade mal die Hälfte des Personals die erste Injektion erhalten, obwohl Kita-Mitarbeiter in die Kategorie zwei gehören. „Aber Impftermine wurden verschoben“, sagt die Leiterin, „so dass jetzt erst im Sommer im Idealfall das ganze Personal zweimal geimpft sein wird“.
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Sie redet sogar von „Etikettenschwindel“, wenn sie das Wort „Notbetreuung“ hört. „Das war ein reines Wahlkampfthema“, sagt sie. „Man hatte den Leuten vorgemacht, dass man wichtige Dinge für den Infektionsschutz gemacht habe. In Wirklichkeit hatte allein ich an meiner Kita durchgehend eine Belegung von mindestens 80 Prozent.“ Nancy Schulze sieht dagegen durchaus größere Probleme, wenn wieder alle Kinder kommen dürfen. „Natürlich freuen wir uns, dass jetzt alle Kinder wieder ein Angebot bekommen", sagte die Vorsitzende des Landeselternausschusses Kindertagesstätten, der Deutschen Presse-Agentur. „Wir glauben aber, dass es noch nicht für alle Kinder klappen wird, weil die Entscheidung sehr kurzfristig gefallen ist.“ Viele Einrichtungen seien noch nicht darauf vorbereitet, grundsätzlich wieder alle Kinder aufzunehmen, so dass die höhere Auslastung nicht gestemmt werden könne.
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Aus Sicht der Landeselternvertretung fehlt außerdem eine Teststrategie für die Kinder. „Es wird noch Eltern geben, die immer noch Bedenken haben, weil die Tests nur anlassbezogen gemacht werden.“ Mehr Sicherheit, Infektionen schnell zu entdecken, sei durch regelmäßige Tests möglich, sagte Schulze, am besten zweimal in der Woche wie in der Schule.
Auch Sabine Radtke vom Paritätischen Wohlfahrtsverband übt beim Thema Testen Kritik. „Es ist nicht nachvollziehbar, dass in der Schule die Schüler und Schülerinnen zweimal pro Woche getestet werden, aber in der Kita der Selbsttest nur anlassbezogen angewendet wird.“ Wenn ein Kind Husten oder Schnupfen ohne Fieber hat, soll es nach den Vorgaben der Senatsverwaltung nur dann in die Kita gehen, wenn die Eltern schriftlich erklären, dass ihr Kind negativ getestet ist.
Nach Angaben der Bildungsverwaltung stehen für Kita-Mitarbeiter zusätzliche 300.000 Tests zur Verfügung sowie 500.000 Selbsttests für Kinder. Scharfe Kritik gab es vonseiten der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW): „Uns stellt sich einmal mehr die Frage, warum die Senatsverwaltung nicht abwarten konnte, bis alle Kolleginnen und Kollegen eine Impfung erhalten haben“, sagte die Vorsitzende der GEW Berlin, Doreen Siebernik, am Dienstag. (mit dpa)
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